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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Interessengemeinschaft zwischen Agrariern "ut Arbeitern

Geldpunkt nicht für unüberwindlich erklärt; das alles bildet die wertvollsten
Beweise und Anregungen, aber es fehlt ein fest und Stück für Stück ausge¬
arbeiteter Plan, an den sich die Diskussion halten könnte, um nicht zu zer¬
splittern, dessen Aufstellung auch erst seinem Urheber das Recht gäbe, seinen
Anteil am Werk für zunächst vollendet anzusehen und mit Befriedigung zu
betrachten. Bei Kühn ist das der Fall, er hat es ja nnr mit einem Teil der
Arbeiter, den landwirtschaftlichen, namentlich Gutsarbeitern, zu thun, aber er
legt in der That Stück für Stück dar, was für sie zu geschehen hat, und wie
es mit Erfolg zu überwachen ist. Darum darf er einen Augenblick mit Genug¬
thuung bei dem davon zu erwartenden Zustande verweilen: "In den Herzen
der ganzen Gutsbevölkerung wird wieder das Gefühl, das man gern als Soli¬
darität aller Interessen bezeichnet, Wurzel fassen und Schößlinge treiben.
Dadurch, daß das Herrengnt aus seinen Erträgen Nahrung, Kleidung und
Obdach aller Gutsangehörigen -- gesichert und in menschenwürdiger Form
und Fülle -- vorauszugewähren hat, bevor der Herr verkaufen darf, wird
sich die jetzt immer mächtiger werdende Meinung verlieren, daß das Herrengut
nur einem Einzelnen und seiner Familie diene, dafür viel zu viel Fläche von
der zur Ernährung aller bestimmten Erde wegnehme und darum ein wirtschaft¬
liches und soziales Unrecht sei. Dann wird diese Meinung als Irrtum er¬
kannt werden und der Einsicht weichen, daß das Herrengut sozial und volks¬
wirtschaftlich, namentlich aber staatswirtschaftlich große Vorteile darbietet. So
abstrakt werden sich natürlich die Gutsleute für ihr Teil nicht ausdrücken, aber
sie werden die Sache entsprechend ansehen und wissen, daß sie am Gut für
sich selbst arbeiten; die "Leute" werden gegen die "Herren" oder "Edelleute"
nichts mehr haben, wenn sie von ihnen gefördert werden, gegen Namen haben
sie keine Abneigung. Auch wir werden den Schrecken vor Namen, besonders
vor dem zweiten verlieren, wenn in denen, die den auszeichnenden Namen
tragen, das Bewußtsein gesteigerter Pflicht lebendig ist."

Wir empfehlen dem Leser, selbst zu prüfen, ob Kühn seinen Monopolplan
in der That so vollständig ausgearbeitet hat, daß er als ein lebens- und ent¬
wicklungsfähiges Ganze anzuerkennen ist. Wir möchten glauben, daß der
Leser dabei vor allem die allgemein verbreitete Furcht vor dem Monopol¬
gedanken als solchem verlieren wird. Diese Furcht beruht besonders auf der
Meinung, daß Monopole nicht bloß den Privaterwerb ausschlossen, sondern
sogar alle Privatthätigkeit verschlängen. Aus der Kühnschen Schrift wird der
Leser diese Meinung als Irrtum erkennen, denn dieses Monopol würde den
Erwerb der Einzelnen steigern und verallgemeinern und die Einzelthätigkelt
zwar dein öffentlichen Interesse dienstbar machen, zugleich aber auch erhöhen
und lebendig erhalten. Das hängt damit zusammen, daß Kühn den Bureau¬
kratismus, den er haßt, auch wirklich kennt und seinem Eindringen deshalb
von vornherein vorbaut, nicht allein gegen die Staatsbehörden, sondern auch


Die Interessengemeinschaft zwischen Agrariern »ut Arbeitern

Geldpunkt nicht für unüberwindlich erklärt; das alles bildet die wertvollsten
Beweise und Anregungen, aber es fehlt ein fest und Stück für Stück ausge¬
arbeiteter Plan, an den sich die Diskussion halten könnte, um nicht zu zer¬
splittern, dessen Aufstellung auch erst seinem Urheber das Recht gäbe, seinen
Anteil am Werk für zunächst vollendet anzusehen und mit Befriedigung zu
betrachten. Bei Kühn ist das der Fall, er hat es ja nnr mit einem Teil der
Arbeiter, den landwirtschaftlichen, namentlich Gutsarbeitern, zu thun, aber er
legt in der That Stück für Stück dar, was für sie zu geschehen hat, und wie
es mit Erfolg zu überwachen ist. Darum darf er einen Augenblick mit Genug¬
thuung bei dem davon zu erwartenden Zustande verweilen: „In den Herzen
der ganzen Gutsbevölkerung wird wieder das Gefühl, das man gern als Soli¬
darität aller Interessen bezeichnet, Wurzel fassen und Schößlinge treiben.
Dadurch, daß das Herrengnt aus seinen Erträgen Nahrung, Kleidung und
Obdach aller Gutsangehörigen — gesichert und in menschenwürdiger Form
und Fülle — vorauszugewähren hat, bevor der Herr verkaufen darf, wird
sich die jetzt immer mächtiger werdende Meinung verlieren, daß das Herrengut
nur einem Einzelnen und seiner Familie diene, dafür viel zu viel Fläche von
der zur Ernährung aller bestimmten Erde wegnehme und darum ein wirtschaft¬
liches und soziales Unrecht sei. Dann wird diese Meinung als Irrtum er¬
kannt werden und der Einsicht weichen, daß das Herrengut sozial und volks¬
wirtschaftlich, namentlich aber staatswirtschaftlich große Vorteile darbietet. So
abstrakt werden sich natürlich die Gutsleute für ihr Teil nicht ausdrücken, aber
sie werden die Sache entsprechend ansehen und wissen, daß sie am Gut für
sich selbst arbeiten; die »Leute« werden gegen die »Herren« oder »Edelleute«
nichts mehr haben, wenn sie von ihnen gefördert werden, gegen Namen haben
sie keine Abneigung. Auch wir werden den Schrecken vor Namen, besonders
vor dem zweiten verlieren, wenn in denen, die den auszeichnenden Namen
tragen, das Bewußtsein gesteigerter Pflicht lebendig ist."

Wir empfehlen dem Leser, selbst zu prüfen, ob Kühn seinen Monopolplan
in der That so vollständig ausgearbeitet hat, daß er als ein lebens- und ent¬
wicklungsfähiges Ganze anzuerkennen ist. Wir möchten glauben, daß der
Leser dabei vor allem die allgemein verbreitete Furcht vor dem Monopol¬
gedanken als solchem verlieren wird. Diese Furcht beruht besonders auf der
Meinung, daß Monopole nicht bloß den Privaterwerb ausschlossen, sondern
sogar alle Privatthätigkeit verschlängen. Aus der Kühnschen Schrift wird der
Leser diese Meinung als Irrtum erkennen, denn dieses Monopol würde den
Erwerb der Einzelnen steigern und verallgemeinern und die Einzelthätigkelt
zwar dein öffentlichen Interesse dienstbar machen, zugleich aber auch erhöhen
und lebendig erhalten. Das hängt damit zusammen, daß Kühn den Bureau¬
kratismus, den er haßt, auch wirklich kennt und seinem Eindringen deshalb
von vornherein vorbaut, nicht allein gegen die Staatsbehörden, sondern auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/633>, abgerufen am 12.12.2024.