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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Spuren im Schnee

überall, wo es nötig ist, als "drittes Pferd" einspannen läßt und darum keinen
besondern weiblichen Beruf braucht, während ihre Freundin mit einem solchen, sie
ist Schauspielerin, unglücklich wird. Die letzte, "Linksrheinisch," ist am meisten aus¬
geführt; ein deutscher Bezirksoffizier unter Elsässern und Franzosen gewinnt die
Hand einer französisch erzognen Fabrikantentochter. Dazwischen stehen noch zwei,
"Fremdes Leid," eine recht geschickte Skizze, ernst gedacht, aber komisch endend, und
"Ein Maillet," eine leicht humoristisch gefärbte bürgerliche Liebesgeschichte mit
glücklichem Ausgang. Im ganzen steht der Verfasserin der Ernst besser als das
Komische, und wenn sie schlichte bürgerliche Verhältnisse schildert, so zeigt sie viel
Lebensklugheit und eine wohlthuende Wärme der Auffassung.

Endlich hat Karl Weitbrecht drei sehr nette schwäbische Erzählungen (Der
Dieb, Eine Hühneraugeuoperation, Der zerrissene Kirchenrock) einem verstorbnen
Freunde nacherzählt und als "Geschichten eines Verstorbnen" herausgegeben. Die
erste schildert ergreifend einen herabgekommnen Sozialdemokraten, die letzte einen
Pfarrer, der aus Versehen ins Amt gekommen ist und sich auf ergötzliche Art
davon befreit, die mittlere ist eine muntere Schnurre. Der Erfinder pflegte solche
Sachen mündlich zu erzählen. Seine Gabe muß freilich groß gewesen sein. Der
Herausgeber hat ein hübsches Buch daraus gemacht, das sich auch vortrefflich zum
Vorlesen eignen wird.




Spuren im Schnee
Sophus Banditz Eine Winternovelle von Mathilde Mann Autoristrte Übersetzung von
(Fortsetzung!

n Blocks wohlrenommirtem Hotel wimmelte es von Landwirten: der
Ruf der Austern war offenbar weit ins Land gedrungen. Guts¬
besitzer und Pachter, reiche Hofbesitzer und Bauern bewegten sich in
buntem Gemisch durcheinander, und die Ankunft des Jägermeisters
erregte sichtlich Aussehe".

Er schien mit aller Welt auf du und du zu stehen, der Leutnant
wurde überall vorgestellt und drückte eiuer Unzahl von Menschen die Hand, und
bei jeder Vorstellung fügte der Jägermeister hinzu: Premierleutucmt in der könig¬
lichen Leibgarde! mit einem Stolz, als sei er es selber, der das war.

Bald nach der Ankunft begab man sich in den Speisesaal , und fand nach
einige" Bemühungen Platz am Tische. Eine Lithographie von Sr. Majestät dein
König, das Ehreudiplum des Wirts als Mitglied des lokalen landwirtschaftlichen
Vereins, schön eingerahmt, und "die vier Lebensalter" in Öldruck machten die Wand¬
dekoration ans -- nett aber nicht prunkend. Der Ofen war rotglühend, aber
am audern Ende des Zimmers war es hundekalt, und die Fenster waren nur halb
aufgetane.

Alles drehte sich um die Landwirte, selbst die zwei, drei Handlungsreisender,
die im Hotel wohnten, mußten sich heute darein finden, daß man sie vernachlässigte-


Spuren im Schnee

überall, wo es nötig ist, als „drittes Pferd" einspannen läßt und darum keinen
besondern weiblichen Beruf braucht, während ihre Freundin mit einem solchen, sie
ist Schauspielerin, unglücklich wird. Die letzte, „Linksrheinisch," ist am meisten aus¬
geführt; ein deutscher Bezirksoffizier unter Elsässern und Franzosen gewinnt die
Hand einer französisch erzognen Fabrikantentochter. Dazwischen stehen noch zwei,
„Fremdes Leid," eine recht geschickte Skizze, ernst gedacht, aber komisch endend, und
„Ein Maillet," eine leicht humoristisch gefärbte bürgerliche Liebesgeschichte mit
glücklichem Ausgang. Im ganzen steht der Verfasserin der Ernst besser als das
Komische, und wenn sie schlichte bürgerliche Verhältnisse schildert, so zeigt sie viel
Lebensklugheit und eine wohlthuende Wärme der Auffassung.

Endlich hat Karl Weitbrecht drei sehr nette schwäbische Erzählungen (Der
Dieb, Eine Hühneraugeuoperation, Der zerrissene Kirchenrock) einem verstorbnen
Freunde nacherzählt und als „Geschichten eines Verstorbnen" herausgegeben. Die
erste schildert ergreifend einen herabgekommnen Sozialdemokraten, die letzte einen
Pfarrer, der aus Versehen ins Amt gekommen ist und sich auf ergötzliche Art
davon befreit, die mittlere ist eine muntere Schnurre. Der Erfinder pflegte solche
Sachen mündlich zu erzählen. Seine Gabe muß freilich groß gewesen sein. Der
Herausgeber hat ein hübsches Buch daraus gemacht, das sich auch vortrefflich zum
Vorlesen eignen wird.




Spuren im Schnee
Sophus Banditz Eine Winternovelle von Mathilde Mann Autoristrte Übersetzung von
(Fortsetzung!

n Blocks wohlrenommirtem Hotel wimmelte es von Landwirten: der
Ruf der Austern war offenbar weit ins Land gedrungen. Guts¬
besitzer und Pachter, reiche Hofbesitzer und Bauern bewegten sich in
buntem Gemisch durcheinander, und die Ankunft des Jägermeisters
erregte sichtlich Aussehe«.

Er schien mit aller Welt auf du und du zu stehen, der Leutnant
wurde überall vorgestellt und drückte eiuer Unzahl von Menschen die Hand, und
bei jeder Vorstellung fügte der Jägermeister hinzu: Premierleutucmt in der könig¬
lichen Leibgarde! mit einem Stolz, als sei er es selber, der das war.

Bald nach der Ankunft begab man sich in den Speisesaal , und fand nach
einige» Bemühungen Platz am Tische. Eine Lithographie von Sr. Majestät dein
König, das Ehreudiplum des Wirts als Mitglied des lokalen landwirtschaftlichen
Vereins, schön eingerahmt, und „die vier Lebensalter" in Öldruck machten die Wand¬
dekoration ans — nett aber nicht prunkend. Der Ofen war rotglühend, aber
am audern Ende des Zimmers war es hundekalt, und die Fenster waren nur halb
aufgetane.

Alles drehte sich um die Landwirte, selbst die zwei, drei Handlungsreisender,
die im Hotel wohnten, mußten sich heute darein finden, daß man sie vernachlässigte-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/607>, abgerufen am 24.07.2024.