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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Deportationsfrage vor dem deutschen Juristentage in Posen

aber die Deportirten nicht "ein beschauliches Hirtenleben führen lassen." Auch
diese Behauptung widerspricht deu Thatsachen. Die allerdings früher einmal
vom Grafen Joachim Pfeil aufgestellte, von mir aber in verschiednen Aufsätzen
widerlegte Behauptung, daß Deutsch-Südwestafrika für den Ackerbau nicht
verwendbar sei. ist jetzt allgemein als unrichtig aufgegeben. Aber Korn scheint,
so unglaublich es klingt, gar keine Ahnung von den zur wirtschaftlichen Er¬
schließung der Kolonie notwendigen Kulturarbeiten zu haben. Hierher gehören
bekanntlich außer der Urbarmachung des Landes in erster Linie: Hafenanlagen,
Wegebauten (Eisenbahnen) und die Schaffung einheitlicher Berieselungscinlagen.
An solchen die Kräfte unsrer Sträflinge vollauf in Anspruch nehmenden
Arbeiten wird es in absehbarer Zeit in unserm Schutzgebiete nicht fehlen. Zu
einem idyllischen Hirtenleben würde unsern Sträflingen keine Zeit übrig bleiben.

Wenn nnn aber Korn es gar für schwer begreiflich hält, weiße Arbeiter
nach Deutsch-Südwestafrika zu senden, "während die dortigen eingebornen
Stämme geschickte und willige Arbeiter in Menge liefern," so muß man über
diese totale Unkenntnis der thatsächlichen Verhältnisse in Erstaunen geraten;
denn fast jede Post aus Deutsch-Südwestafrika bringt uns bittre Klagen über
den Mangel an Arbeitskräften, weil sich die einheimische Bevölkerung jeder
Arbeit gegenüber ablehnend verhält. Es ist Thatsache, daß lediglich aus diesem
Grunde der Eisenbahnbau von Swakopmund nach Windhoek unterbrochen werden
"uißte. Was die Geschicklichkeit der Eingebornen zu den vorgenannten öffent¬
lichen Arbeiten anlangt, so steht sie weit unter der Leistungsfähigkeit europäischer
Arbeiter, was sogar Gras Pfeil, ein ausgesprochner Gegner der Ansiedelung
deutscher Sträflinge in Deutsch-Südwestafrika, mit den Worten zugiebt, "daß
!plebe Arbeiten von Europäern weit besser ausgeführt werden würden, als von
den bestangelernten afrikanischen Arbeitern" (Kolon.-Jcchrb. IX, S. 280). Man
konnte billigerweise erwarten, daß der Jurist, der sich als Gutachter in der
Deportationsfrage hören läßt, eine Kenntnis dieser Thatsachen hat.

Endlich erhebt Korn von neuem den von mir schon wiederholt widerlegten
Einwand, daß sich der Strafvollzug in der Kolonie viel kostspieliger ("etwa
dreimal höher") stellen würde als im Mutterlande, und man glaubt wirklich
eher eine für eine Volksversammlung berechnete Wahlrede als ein Jnformations-
referat für den Deutschen Juristentag zu vernehmen, wenn sich Korn gegen
le Deportation erklärt, weil "durch sie den Steuerzahlern, somit auch den
ärmsten des Volkes ein allzu drückender Tribut aufgebürdet würde." Der
^lar von Korn erhobne Einwand wegen der Kosten der Deportation ist auch
Ichor in meinem oben abgedruckten Referat ans seine Bedeutungslosigkeit zurück¬
führt worden. Ich beschränke mich deshalb darauf, an dieser Stelle auf mein
Referat zu verweisen.

^"ßer dem Korreferenten nahm noch Herr Oberreichsanwalt Hamm das
^ort. Bevor ich die offiziellen Protokolle nicht gelesen habe, will ich mich


Grenzboten IV 1898 72
Die Deportationsfrage vor dem deutschen Juristentage in Posen

aber die Deportirten nicht „ein beschauliches Hirtenleben führen lassen." Auch
diese Behauptung widerspricht deu Thatsachen. Die allerdings früher einmal
vom Grafen Joachim Pfeil aufgestellte, von mir aber in verschiednen Aufsätzen
widerlegte Behauptung, daß Deutsch-Südwestafrika für den Ackerbau nicht
verwendbar sei. ist jetzt allgemein als unrichtig aufgegeben. Aber Korn scheint,
so unglaublich es klingt, gar keine Ahnung von den zur wirtschaftlichen Er¬
schließung der Kolonie notwendigen Kulturarbeiten zu haben. Hierher gehören
bekanntlich außer der Urbarmachung des Landes in erster Linie: Hafenanlagen,
Wegebauten (Eisenbahnen) und die Schaffung einheitlicher Berieselungscinlagen.
An solchen die Kräfte unsrer Sträflinge vollauf in Anspruch nehmenden
Arbeiten wird es in absehbarer Zeit in unserm Schutzgebiete nicht fehlen. Zu
einem idyllischen Hirtenleben würde unsern Sträflingen keine Zeit übrig bleiben.

Wenn nnn aber Korn es gar für schwer begreiflich hält, weiße Arbeiter
nach Deutsch-Südwestafrika zu senden, „während die dortigen eingebornen
Stämme geschickte und willige Arbeiter in Menge liefern," so muß man über
diese totale Unkenntnis der thatsächlichen Verhältnisse in Erstaunen geraten;
denn fast jede Post aus Deutsch-Südwestafrika bringt uns bittre Klagen über
den Mangel an Arbeitskräften, weil sich die einheimische Bevölkerung jeder
Arbeit gegenüber ablehnend verhält. Es ist Thatsache, daß lediglich aus diesem
Grunde der Eisenbahnbau von Swakopmund nach Windhoek unterbrochen werden
"uißte. Was die Geschicklichkeit der Eingebornen zu den vorgenannten öffent¬
lichen Arbeiten anlangt, so steht sie weit unter der Leistungsfähigkeit europäischer
Arbeiter, was sogar Gras Pfeil, ein ausgesprochner Gegner der Ansiedelung
deutscher Sträflinge in Deutsch-Südwestafrika, mit den Worten zugiebt, „daß
!plebe Arbeiten von Europäern weit besser ausgeführt werden würden, als von
den bestangelernten afrikanischen Arbeitern" (Kolon.-Jcchrb. IX, S. 280). Man
konnte billigerweise erwarten, daß der Jurist, der sich als Gutachter in der
Deportationsfrage hören läßt, eine Kenntnis dieser Thatsachen hat.

Endlich erhebt Korn von neuem den von mir schon wiederholt widerlegten
Einwand, daß sich der Strafvollzug in der Kolonie viel kostspieliger („etwa
dreimal höher") stellen würde als im Mutterlande, und man glaubt wirklich
eher eine für eine Volksversammlung berechnete Wahlrede als ein Jnformations-
referat für den Deutschen Juristentag zu vernehmen, wenn sich Korn gegen
le Deportation erklärt, weil „durch sie den Steuerzahlern, somit auch den
ärmsten des Volkes ein allzu drückender Tribut aufgebürdet würde." Der
^lar von Korn erhobne Einwand wegen der Kosten der Deportation ist auch
Ichor in meinem oben abgedruckten Referat ans seine Bedeutungslosigkeit zurück¬
führt worden. Ich beschränke mich deshalb darauf, an dieser Stelle auf mein
Referat zu verweisen.

^"ßer dem Korreferenten nahm noch Herr Oberreichsanwalt Hamm das
^ort. Bevor ich die offiziellen Protokolle nicht gelesen habe, will ich mich


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[0580] Die Deportationsfrage vor dem deutschen Juristentage in Posen aber die Deportirten nicht „ein beschauliches Hirtenleben führen lassen." Auch diese Behauptung widerspricht deu Thatsachen. Die allerdings früher einmal vom Grafen Joachim Pfeil aufgestellte, von mir aber in verschiednen Aufsätzen widerlegte Behauptung, daß Deutsch-Südwestafrika für den Ackerbau nicht verwendbar sei. ist jetzt allgemein als unrichtig aufgegeben. Aber Korn scheint, so unglaublich es klingt, gar keine Ahnung von den zur wirtschaftlichen Er¬ schließung der Kolonie notwendigen Kulturarbeiten zu haben. Hierher gehören bekanntlich außer der Urbarmachung des Landes in erster Linie: Hafenanlagen, Wegebauten (Eisenbahnen) und die Schaffung einheitlicher Berieselungscinlagen. An solchen die Kräfte unsrer Sträflinge vollauf in Anspruch nehmenden Arbeiten wird es in absehbarer Zeit in unserm Schutzgebiete nicht fehlen. Zu einem idyllischen Hirtenleben würde unsern Sträflingen keine Zeit übrig bleiben. Wenn nnn aber Korn es gar für schwer begreiflich hält, weiße Arbeiter nach Deutsch-Südwestafrika zu senden, „während die dortigen eingebornen Stämme geschickte und willige Arbeiter in Menge liefern," so muß man über diese totale Unkenntnis der thatsächlichen Verhältnisse in Erstaunen geraten; denn fast jede Post aus Deutsch-Südwestafrika bringt uns bittre Klagen über den Mangel an Arbeitskräften, weil sich die einheimische Bevölkerung jeder Arbeit gegenüber ablehnend verhält. Es ist Thatsache, daß lediglich aus diesem Grunde der Eisenbahnbau von Swakopmund nach Windhoek unterbrochen werden "uißte. Was die Geschicklichkeit der Eingebornen zu den vorgenannten öffent¬ lichen Arbeiten anlangt, so steht sie weit unter der Leistungsfähigkeit europäischer Arbeiter, was sogar Gras Pfeil, ein ausgesprochner Gegner der Ansiedelung deutscher Sträflinge in Deutsch-Südwestafrika, mit den Worten zugiebt, „daß !plebe Arbeiten von Europäern weit besser ausgeführt werden würden, als von den bestangelernten afrikanischen Arbeitern" (Kolon.-Jcchrb. IX, S. 280). Man konnte billigerweise erwarten, daß der Jurist, der sich als Gutachter in der Deportationsfrage hören läßt, eine Kenntnis dieser Thatsachen hat. Endlich erhebt Korn von neuem den von mir schon wiederholt widerlegten Einwand, daß sich der Strafvollzug in der Kolonie viel kostspieliger („etwa dreimal höher") stellen würde als im Mutterlande, und man glaubt wirklich eher eine für eine Volksversammlung berechnete Wahlrede als ein Jnformations- referat für den Deutschen Juristentag zu vernehmen, wenn sich Korn gegen le Deportation erklärt, weil „durch sie den Steuerzahlern, somit auch den ärmsten des Volkes ein allzu drückender Tribut aufgebürdet würde." Der ^lar von Korn erhobne Einwand wegen der Kosten der Deportation ist auch Ichor in meinem oben abgedruckten Referat ans seine Bedeutungslosigkeit zurück¬ führt worden. Ich beschränke mich deshalb darauf, an dieser Stelle auf mein Referat zu verweisen. ^"ßer dem Korreferenten nahm noch Herr Oberreichsanwalt Hamm das ^ort. Bevor ich die offiziellen Protokolle nicht gelesen habe, will ich mich Grenzboten IV 1898 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/580>, abgerufen am 24.07.2024.