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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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billiger stellen werden als im Mutterlands, vorausgesetzt, daß die Wahl des
Ortes, wo die Strafkolonie gegründet wird, zweckmäßig ist. Es muß nämlich
gleich bei der Gründung der Straskolonie deren landwirtschaftliche Selbständig¬
keit als nächstes Ziel ins Auge gefaßt werden. Zu diesem Zwecke muß die
Ackerbestellung so eingerichtet werden, daß die zur Erhaltung der Deportirten
erforderlichen Lebensmittel möglichst bald vorhanden sind.

Ferner verringern sich die Unterhaltungskosten bei der Deportation be¬
deutend durch die zeitweilige Beschäftigung der Sträflinge in privatem Dienst
und durch deren Ansiedlung nach der Verbüßung eines Teils der Strafzeit.
Wird von diesen Einrichtungen ein weiser Gebrauch gemacht, so lassen sich
"icht nur bei der Unterhaltung der Sträflinge, sondern auch bei der Errichtung
von Unterkunftsräumen große Ersparnisse machen. Sobald aber die Straf¬
kolonie durch das Fortschreiten der Kulturarbeiten vom Mutterlande unabhängig
geworden ist, hört jede weitere Belastung auf. Aus den steigenden Erträgnissen,
die dem Reiche aus dem Verkaufe der überschüssigen Kolonialprodukte und der
ihm gehörigen Ländereien im Ansiedlungsgebiete und aus den Steuern und
Zöllen erwachsen, werden die vorher auf die Kolonien verwandten Anlagekosten
reichlich gedeckt. Ferner ist zu berücksichtigen, daß der größte Teil des Auf¬
wandes des Reichs für den deportirten Sträfling von diesem selbst dem Reiche
direkt zurückerstattet wird, während bei der inländischen Strafvollziehung die
Zurückzahlung der Haftkosten eine seltne Ausnahme ist. So werden von dem
angesiedelten Sträfling allmählich die vom Reiche für ihn verauslagten Trans¬
portkosten und der Preis für das zur Bebauung übergebne. vorher urbar ge¬
machte Ackerland eingezogen, desgleichen die für die Errichtung der Hütte, für
die Gewährung von Saatgut und Ackergerät gemachten Ausgaben. Die Zurück¬
zahlung kann in Form eines jährlich zu zahlenden Zinses geschehen, dessen
Eintreibung insofern wenig Schwierigkeiten bereitet, als die Kolonialverwaltung
über das wirtschaftliche Gebaren des Angesiedelten nach wie vor die Kontrolle
behält.

Aber selbst zugegeben, es würde sich dann noch die Rechnung, die wir
aufgestellt haben, wesentlich vergrößern, was bedeuten diese dem Reiche er¬
wachsenden Kosten im Verhältnis zu den unvergleichlichen.Vorteilen, die dem
Reiche aus der Deportation erwachsen? Darin, daß man diese Vorteile außer
°ehe läßt, besteht der große Fehler, der nur zu häusig von den Gegnern der
Deportation bei der Berechnung der Deportationskosten gemacht wird. Diese
Steile lassen sich zahlenmäßig gar nicht ausdrücken. Sie übersteigen die
Ausgaben sehr bedeutend. Vor allem spart der Staat das Geld, das ihm die
Erhaltung der Rückfälligen in den Strafanstalten kosten würde. Dann aber
bestehen die Vorteile in den für das Mutterland durch die Sträflinge gemachten
öffentlichen Arbeiten und in dem durch die Kulturarbeit der Sträflinge ge¬
steigerten Gesamtwert des Koloniallandes; die Einnahmen aus dem Verkaufe
"vn Kolonialland, das in seinein Bodenwcrt wesentlich gestiegen ist. stehen


billiger stellen werden als im Mutterlands, vorausgesetzt, daß die Wahl des
Ortes, wo die Strafkolonie gegründet wird, zweckmäßig ist. Es muß nämlich
gleich bei der Gründung der Straskolonie deren landwirtschaftliche Selbständig¬
keit als nächstes Ziel ins Auge gefaßt werden. Zu diesem Zwecke muß die
Ackerbestellung so eingerichtet werden, daß die zur Erhaltung der Deportirten
erforderlichen Lebensmittel möglichst bald vorhanden sind.

Ferner verringern sich die Unterhaltungskosten bei der Deportation be¬
deutend durch die zeitweilige Beschäftigung der Sträflinge in privatem Dienst
und durch deren Ansiedlung nach der Verbüßung eines Teils der Strafzeit.
Wird von diesen Einrichtungen ein weiser Gebrauch gemacht, so lassen sich
"icht nur bei der Unterhaltung der Sträflinge, sondern auch bei der Errichtung
von Unterkunftsräumen große Ersparnisse machen. Sobald aber die Straf¬
kolonie durch das Fortschreiten der Kulturarbeiten vom Mutterlande unabhängig
geworden ist, hört jede weitere Belastung auf. Aus den steigenden Erträgnissen,
die dem Reiche aus dem Verkaufe der überschüssigen Kolonialprodukte und der
ihm gehörigen Ländereien im Ansiedlungsgebiete und aus den Steuern und
Zöllen erwachsen, werden die vorher auf die Kolonien verwandten Anlagekosten
reichlich gedeckt. Ferner ist zu berücksichtigen, daß der größte Teil des Auf¬
wandes des Reichs für den deportirten Sträfling von diesem selbst dem Reiche
direkt zurückerstattet wird, während bei der inländischen Strafvollziehung die
Zurückzahlung der Haftkosten eine seltne Ausnahme ist. So werden von dem
angesiedelten Sträfling allmählich die vom Reiche für ihn verauslagten Trans¬
portkosten und der Preis für das zur Bebauung übergebne. vorher urbar ge¬
machte Ackerland eingezogen, desgleichen die für die Errichtung der Hütte, für
die Gewährung von Saatgut und Ackergerät gemachten Ausgaben. Die Zurück¬
zahlung kann in Form eines jährlich zu zahlenden Zinses geschehen, dessen
Eintreibung insofern wenig Schwierigkeiten bereitet, als die Kolonialverwaltung
über das wirtschaftliche Gebaren des Angesiedelten nach wie vor die Kontrolle
behält.

Aber selbst zugegeben, es würde sich dann noch die Rechnung, die wir
aufgestellt haben, wesentlich vergrößern, was bedeuten diese dem Reiche er¬
wachsenden Kosten im Verhältnis zu den unvergleichlichen.Vorteilen, die dem
Reiche aus der Deportation erwachsen? Darin, daß man diese Vorteile außer
°ehe läßt, besteht der große Fehler, der nur zu häusig von den Gegnern der
Deportation bei der Berechnung der Deportationskosten gemacht wird. Diese
Steile lassen sich zahlenmäßig gar nicht ausdrücken. Sie übersteigen die
Ausgaben sehr bedeutend. Vor allem spart der Staat das Geld, das ihm die
Erhaltung der Rückfälligen in den Strafanstalten kosten würde. Dann aber
bestehen die Vorteile in den für das Mutterland durch die Sträflinge gemachten
öffentlichen Arbeiten und in dem durch die Kulturarbeit der Sträflinge ge¬
steigerten Gesamtwert des Koloniallandes; die Einnahmen aus dem Verkaufe
"vn Kolonialland, das in seinein Bodenwcrt wesentlich gestiegen ist. stehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/574>, abgerufen am 12.12.2024.