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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Deportationsfrage vor dem deutschen Huristentage ^>gsen

leben, werden ruinirt, wenn dessen Kaufkraft versagt und Millionen jetzt konsum-
tionsfühiger Arbeiter, nicht etwa, wie viele jener wunderlichen Volksbeglücker
spekuliren, durch die Not zu billigen Löhnen in den Ackerbau zurück gezwungen,
sondern außer Landes getrieben werden.

Es wäre ein arger Irrtum, sich noch einzubilden, daß wir groß sind im
Außenhandel, und daß wir uns auf diese Größe berufen können, um den sich
vorbereitenden Ansturm der Exportgegner zu bekämpfen. Es ist lächerlich, die
Gedankenlosigkeit, mit der man auch in sogenannten maßgebenden Kreisen dem
agrarischen Trumpf von der bessern Ausnützung des innern Markes Gehör
giebt, mit dem ebenso gedankenlosen Ausspielen hoher Ausfuhrzisfern über¬
trumpfen zu wollen.

Es mögen sehr gute Leute sein, die heute in Deutschland von Zuständen
ohne Großindustrie und ohne Ausfuhrhandel schwärmen und träumen, von
den Zeiten, in denen der Großvater die Großmutter nahm, oder in denen
Bellamys Spielereien Ernst werden könnten. In der Politik muß der Vater¬
landsfreund diesen Träumen jetzt entsagen, in der deutschen Wirtschaftspolitik
hat er in Zukunft fest und offen einzutreten für die Sammlung um den Kaiser
und sein oft genug kund gethanes Ziel. Durch den Besuch in der Levante hat
der Kaiser die That den Worten folgen lassen. Er hat damit dem deutschen
Handel persönlich Pionierdienste geleistet, wie sie noch selten ein Fürst geleistet
hat. Wird man jetzt zur Besinnung kommen? Wird der Kaiser die Gefolg¬
schaft finden, die er braucht? In den Parteien von heute nicht, und auch in
dem Reichstag von heute nicht. Vielleicht wird erst eine sehr tiefe wirtschaft¬
liche Niederlage die deutsche Nation zum Verständnis bringen, was die kaiser¬
liche Politik und des Kaisers Wille, Kraft und Pflichtbewußtsein sür den Be¬
/? stand des Deutschen Reichs bedeuten.




Die Deportationsfrage vor dem deutschen Juristentage
in jDosen von Felix Friedrich Brück (Schluß)

u den Kolonien würden die Unterkunftsräume für Deportirte nach
dem Monierschen Systeme (Baracken in der für tropische Bauten
üblichen Anordnung) für den Kopf 200 Mark kosten, mithin für
das Tausend 200000 Mark, d. i. 22^ bis 30mal billiger als
die Einzelzelle unsrer inländischen Strafanstalten. Dabei über¬
sehen die Gegner, daß sich die Unterhaltungskosten in der Strafkolonie viel


Die Deportationsfrage vor dem deutschen Huristentage ^>gsen

leben, werden ruinirt, wenn dessen Kaufkraft versagt und Millionen jetzt konsum-
tionsfühiger Arbeiter, nicht etwa, wie viele jener wunderlichen Volksbeglücker
spekuliren, durch die Not zu billigen Löhnen in den Ackerbau zurück gezwungen,
sondern außer Landes getrieben werden.

Es wäre ein arger Irrtum, sich noch einzubilden, daß wir groß sind im
Außenhandel, und daß wir uns auf diese Größe berufen können, um den sich
vorbereitenden Ansturm der Exportgegner zu bekämpfen. Es ist lächerlich, die
Gedankenlosigkeit, mit der man auch in sogenannten maßgebenden Kreisen dem
agrarischen Trumpf von der bessern Ausnützung des innern Markes Gehör
giebt, mit dem ebenso gedankenlosen Ausspielen hoher Ausfuhrzisfern über¬
trumpfen zu wollen.

Es mögen sehr gute Leute sein, die heute in Deutschland von Zuständen
ohne Großindustrie und ohne Ausfuhrhandel schwärmen und träumen, von
den Zeiten, in denen der Großvater die Großmutter nahm, oder in denen
Bellamys Spielereien Ernst werden könnten. In der Politik muß der Vater¬
landsfreund diesen Träumen jetzt entsagen, in der deutschen Wirtschaftspolitik
hat er in Zukunft fest und offen einzutreten für die Sammlung um den Kaiser
und sein oft genug kund gethanes Ziel. Durch den Besuch in der Levante hat
der Kaiser die That den Worten folgen lassen. Er hat damit dem deutschen
Handel persönlich Pionierdienste geleistet, wie sie noch selten ein Fürst geleistet
hat. Wird man jetzt zur Besinnung kommen? Wird der Kaiser die Gefolg¬
schaft finden, die er braucht? In den Parteien von heute nicht, und auch in
dem Reichstag von heute nicht. Vielleicht wird erst eine sehr tiefe wirtschaft¬
liche Niederlage die deutsche Nation zum Verständnis bringen, was die kaiser¬
liche Politik und des Kaisers Wille, Kraft und Pflichtbewußtsein sür den Be¬
/? stand des Deutschen Reichs bedeuten.




Die Deportationsfrage vor dem deutschen Juristentage
in jDosen von Felix Friedrich Brück (Schluß)

u den Kolonien würden die Unterkunftsräume für Deportirte nach
dem Monierschen Systeme (Baracken in der für tropische Bauten
üblichen Anordnung) für den Kopf 200 Mark kosten, mithin für
das Tausend 200000 Mark, d. i. 22^ bis 30mal billiger als
die Einzelzelle unsrer inländischen Strafanstalten. Dabei über¬
sehen die Gegner, daß sich die Unterhaltungskosten in der Strafkolonie viel


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[0573] Die Deportationsfrage vor dem deutschen Huristentage ^>gsen leben, werden ruinirt, wenn dessen Kaufkraft versagt und Millionen jetzt konsum- tionsfühiger Arbeiter, nicht etwa, wie viele jener wunderlichen Volksbeglücker spekuliren, durch die Not zu billigen Löhnen in den Ackerbau zurück gezwungen, sondern außer Landes getrieben werden. Es wäre ein arger Irrtum, sich noch einzubilden, daß wir groß sind im Außenhandel, und daß wir uns auf diese Größe berufen können, um den sich vorbereitenden Ansturm der Exportgegner zu bekämpfen. Es ist lächerlich, die Gedankenlosigkeit, mit der man auch in sogenannten maßgebenden Kreisen dem agrarischen Trumpf von der bessern Ausnützung des innern Markes Gehör giebt, mit dem ebenso gedankenlosen Ausspielen hoher Ausfuhrzisfern über¬ trumpfen zu wollen. Es mögen sehr gute Leute sein, die heute in Deutschland von Zuständen ohne Großindustrie und ohne Ausfuhrhandel schwärmen und träumen, von den Zeiten, in denen der Großvater die Großmutter nahm, oder in denen Bellamys Spielereien Ernst werden könnten. In der Politik muß der Vater¬ landsfreund diesen Träumen jetzt entsagen, in der deutschen Wirtschaftspolitik hat er in Zukunft fest und offen einzutreten für die Sammlung um den Kaiser und sein oft genug kund gethanes Ziel. Durch den Besuch in der Levante hat der Kaiser die That den Worten folgen lassen. Er hat damit dem deutschen Handel persönlich Pionierdienste geleistet, wie sie noch selten ein Fürst geleistet hat. Wird man jetzt zur Besinnung kommen? Wird der Kaiser die Gefolg¬ schaft finden, die er braucht? In den Parteien von heute nicht, und auch in dem Reichstag von heute nicht. Vielleicht wird erst eine sehr tiefe wirtschaft¬ liche Niederlage die deutsche Nation zum Verständnis bringen, was die kaiser¬ liche Politik und des Kaisers Wille, Kraft und Pflichtbewußtsein sür den Be¬ /? stand des Deutschen Reichs bedeuten. Die Deportationsfrage vor dem deutschen Juristentage in jDosen von Felix Friedrich Brück (Schluß) u den Kolonien würden die Unterkunftsräume für Deportirte nach dem Monierschen Systeme (Baracken in der für tropische Bauten üblichen Anordnung) für den Kopf 200 Mark kosten, mithin für das Tausend 200000 Mark, d. i. 22^ bis 30mal billiger als die Einzelzelle unsrer inländischen Strafanstalten. Dabei über¬ sehen die Gegner, daß sich die Unterhaltungskosten in der Strafkolonie viel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/573>, abgerufen am 24.07.2024.