Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Die große Kunstausstellung in Berlin Vertrauen, die vollste Ergebung in den Willen Gottes. Sein Kopf hat nicht Dieselbe Förderung wie die religiöse Malerei fordert übrigens nicht minder Die große Kunstausstellung in Berlin Vertrauen, die vollste Ergebung in den Willen Gottes. Sein Kopf hat nicht Dieselbe Förderung wie die religiöse Malerei fordert übrigens nicht minder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0051" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228999"/> <fw type="header" place="top"> Die große Kunstausstellung in Berlin</fw><lb/> <p xml:id="ID_97" prev="#ID_96"> Vertrauen, die vollste Ergebung in den Willen Gottes. Sein Kopf hat nicht<lb/> den geringsten Zug, der an den hergebrachten biblischen Männertypus, ins¬<lb/> besondre an den Patriarchen- und Prophetentypus erinnert. Es ist der Kopf<lb/> eines kräftigen Mannes aus dem deutschen Volke, dem man es schon zutraut,<lb/> daß er zur Not vierzig Tage und vierzig Nächte laufen kann, und der Engel<lb/> steht auch aus wie ein blondköpfiger, deutscher Bauernbursche; aber gerade<lb/> diese Eigentümlichkeiten, zu denen sich noch, hier als besonders wirksam, die<lb/> echt deutsche Heidelandschaft gesellt, von der eben die Schatten der Nacht<lb/> weichen, entsprechen durchaus der Naivität, der Einfalt der biblischen Erzählung,<lb/> deren Geist, man mag sich umsehen, wo man will, von keinem andern Künstler<lb/> so tief und innig erfaßt wird wie von Eduard von Gebhardt.</p><lb/> <p xml:id="ID_98" next="#ID_99"> Dieselbe Förderung wie die religiöse Malerei fordert übrigens nicht minder<lb/> dringend die profane Geschichtsmalerei und die Malerei großen Stils. Wenn<lb/> nicht noch im August die monumentalen, von Hermann Prell für den Palast<lb/> der deutschen Botschaft in Rom ausgeführten Malereien hinzugekommen wären,<lb/> über die wir unsern Lesern in einem besondern Artikel berichtet haben, würde<lb/> man nach dem Bestände der Berliner Ausstellung glauben, diese Gattung der<lb/> Malerei sei in Deutschland völlig eingeschlafen, und mit der Geschichtsmalerci<lb/> sei es auch in Deutschland nicht besser bestellt. Streng genommen wird sie<lb/> eigentlich nur durch Anton von Werners Bild ..Kaiser Wilhelm der Große<lb/> auf dem Sterbelager" vertreten. Was man auch über die Fähigkeiten dieses<lb/> viel bewunderten, aber auch viel geschmähten Künstlers denken mag — er ist.<lb/> alles in allem genommen, schließlich doch der einzige unter unsern Malern,<lb/> der eine große Lcimvcmd auch mit einem großen und bedeutenden Inhalt zu<lb/> füllen und nicht selten auch den großen Stil zu treffen weiß. Es ist nicht<lb/> zu leugnen, daß manche seiner großen Geschichtsbilder den Eindruck von mühsam<lb/> auseinander gereckten Kompositionen machen, die gerade für eine kleine<lb/> Illustration ausgereicht hätten. Wo er aber nicht durch das Zeremoniell,<lb/> durch höfische und andre Rücksichten in enge Grenzen gebannt wird, wo er<lb/> einmal seinem sonst oft niedergehaltnen Temperament folgen kann, da weiß er<lb/> mit dem großen Stil auch eine wahre und tiefe Empfindung zu verbinden.<lb/> Bei unserm Bilde macht der Gegenstand gewiß sehr viel, aber auch wenn man<lb/> seine Mitwirkung in Abzug bringt, bleibt noch genug übrig, was das persön¬<lb/> liche Verdienst des Künstlers im günstigsten Lichte erscheinen läßt. Daß er<lb/> jedes falsche Pathos vermieden hat, ist bei der ganzen Anlage seiner Kunst,<lb/> die immer bescheiden der schlichten Wirklichkeit folgt, selbstverständlich. Nur<lb/> eine Bewegung Bismarcks, der. mit Moltke am Fußende des Bettes stehend,<lb/> diesen mit der Hand umfaßt, als sei er plötzlich vom Schmerze übermannt<lb/> worden, und als müsse er sich an jemand halten — diese Bewegung ist von<lb/> vielen befremdlich gefunden worden, weil sie mit dem Wesen des ersten Kanzlers<lb/> uicht gut vereinbar erscheint. Wir wissen aber aus vielen Zeugnissen, daß es</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
Die große Kunstausstellung in Berlin
Vertrauen, die vollste Ergebung in den Willen Gottes. Sein Kopf hat nicht
den geringsten Zug, der an den hergebrachten biblischen Männertypus, ins¬
besondre an den Patriarchen- und Prophetentypus erinnert. Es ist der Kopf
eines kräftigen Mannes aus dem deutschen Volke, dem man es schon zutraut,
daß er zur Not vierzig Tage und vierzig Nächte laufen kann, und der Engel
steht auch aus wie ein blondköpfiger, deutscher Bauernbursche; aber gerade
diese Eigentümlichkeiten, zu denen sich noch, hier als besonders wirksam, die
echt deutsche Heidelandschaft gesellt, von der eben die Schatten der Nacht
weichen, entsprechen durchaus der Naivität, der Einfalt der biblischen Erzählung,
deren Geist, man mag sich umsehen, wo man will, von keinem andern Künstler
so tief und innig erfaßt wird wie von Eduard von Gebhardt.
Dieselbe Förderung wie die religiöse Malerei fordert übrigens nicht minder
dringend die profane Geschichtsmalerei und die Malerei großen Stils. Wenn
nicht noch im August die monumentalen, von Hermann Prell für den Palast
der deutschen Botschaft in Rom ausgeführten Malereien hinzugekommen wären,
über die wir unsern Lesern in einem besondern Artikel berichtet haben, würde
man nach dem Bestände der Berliner Ausstellung glauben, diese Gattung der
Malerei sei in Deutschland völlig eingeschlafen, und mit der Geschichtsmalerci
sei es auch in Deutschland nicht besser bestellt. Streng genommen wird sie
eigentlich nur durch Anton von Werners Bild ..Kaiser Wilhelm der Große
auf dem Sterbelager" vertreten. Was man auch über die Fähigkeiten dieses
viel bewunderten, aber auch viel geschmähten Künstlers denken mag — er ist.
alles in allem genommen, schließlich doch der einzige unter unsern Malern,
der eine große Lcimvcmd auch mit einem großen und bedeutenden Inhalt zu
füllen und nicht selten auch den großen Stil zu treffen weiß. Es ist nicht
zu leugnen, daß manche seiner großen Geschichtsbilder den Eindruck von mühsam
auseinander gereckten Kompositionen machen, die gerade für eine kleine
Illustration ausgereicht hätten. Wo er aber nicht durch das Zeremoniell,
durch höfische und andre Rücksichten in enge Grenzen gebannt wird, wo er
einmal seinem sonst oft niedergehaltnen Temperament folgen kann, da weiß er
mit dem großen Stil auch eine wahre und tiefe Empfindung zu verbinden.
Bei unserm Bilde macht der Gegenstand gewiß sehr viel, aber auch wenn man
seine Mitwirkung in Abzug bringt, bleibt noch genug übrig, was das persön¬
liche Verdienst des Künstlers im günstigsten Lichte erscheinen läßt. Daß er
jedes falsche Pathos vermieden hat, ist bei der ganzen Anlage seiner Kunst,
die immer bescheiden der schlichten Wirklichkeit folgt, selbstverständlich. Nur
eine Bewegung Bismarcks, der. mit Moltke am Fußende des Bettes stehend,
diesen mit der Hand umfaßt, als sei er plötzlich vom Schmerze übermannt
worden, und als müsse er sich an jemand halten — diese Bewegung ist von
vielen befremdlich gefunden worden, weil sie mit dem Wesen des ersten Kanzlers
uicht gut vereinbar erscheint. Wir wissen aber aus vielen Zeugnissen, daß es
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |