Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland durch Boden und Klima wenig begünstigten Landes, gestaunt, so werde sie Interessant ist, wie deutlich Bülow schon die später von Rodbertus vollends Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland durch Boden und Klima wenig begünstigten Landes, gestaunt, so werde sie Interessant ist, wie deutlich Bülow schon die später von Rodbertus vollends <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229430"/> <fw type="header" place="top"> Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland</fw><lb/> <p xml:id="ID_1370" prev="#ID_1369"> durch Boden und Klima wenig begünstigten Landes, gestaunt, so werde sie<lb/> bald noch mehr staunen darüber, wie rasch es sich von seinen Leiden erholen<lb/> und zu wirtschaftlicher Blüte gelangen werde. Dazu sei nun aber außer den<lb/> schon durchgeführten Reformen zunächst notwendig, daß die Gutsbesitzer von<lb/> ihrer Schuldenlast befreit würden, daß der große Grundbesitz erhalten, der<lb/> kleine vermehrt werde. Zur Entschädigung der Gutsbesitzer für die von ihnen<lb/> geleisteten Lieferungen an die Armee sei der Staat verpflichtet. Bülow schlägt<lb/> nun folgende Art der Entschädigung vor. Alle Schulden sollen in Pfandbrief¬<lb/> schulden verwandelt werden; die Pfandbriefe können bei einer Kasse versilbert<lb/> werden, deren Fonds teils aus Zinsenabzügen zu speisen ist, die sich die<lb/> Gläubiger eine Reihe von Jahren hindurch gefalle» lassen sollen, teils aus<lb/> der Kriegsentschädigung, die der Staat zu zahlen habe. Die Entschädigungs¬<lb/> summe soll fünfzig Millionen Thaler betragen. Da aber die Staatskassen<lb/> erschöpft sind, sollen den Provinzen Domänen und Forsten im Werte von<lb/> fünfzig Millionen überwiesen werden, die sie verkaufen können; ans dem ver¬<lb/> kauften Domänenlande würden neue Bauerngüter gegründet werden können. Ein<lb/> Teil des Fonds sei zur Amortisirung dieser neuen Pfandbriefschuldcn zu ver¬<lb/> wenden. Dieses Verfahren werde für die Kapitalisten ebenso vorteilhaft sein<lb/> wie für den Staat, denn beim gegenwärtigen Zustande befänden sie sich in<lb/> nicht minder übler Lage wie die Grundbesitzer, da sie weder Zinsen bekämen<lb/> noch ihre Kapitalien aus dem gefährdeten Grundbesitz herauszuziehen vermöchten.<lb/> Übrigens sei ein großer Teil der Schulden nnr eine Scheinschuld, indem<lb/> Pommern z. B. keineswegs auswärtigen Kapitalisten verschuldet sei, sondern<lb/> vielfach nur ^ dem L, L dem v, (' dem ^, sodciß die Schuld bloß durch<lb/> Einrichtung einer Liquidationsanstalt, ohne Hilfe fremder Kapitalien, getilgt<lb/> werden könne. Durch die vorgeschlagnen Einrichtungen werde man über den<lb/> toten Punkt hinwegkommen, der die Entwicklung der Kräfte des Landes zur<lb/> Zeit noch aufhalte, und neben den fröhlich gedeihenden alten Gütern zahlreiche<lb/> neue Bauerngüter schaffen; die Bauerngüter seien in dieses Kreditsystem mit ein¬<lb/> zufügen. Auch für eine zweckmäßige Ausführung der eingeleiteten Ablösung<lb/> werden Vorschläge gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1371" next="#ID_1372"> Interessant ist, wie deutlich Bülow schon die später von Rodbertus vollends<lb/> enthüllte Wahrheit erkennt, daß das, was man gewöhnlich Kapital nennt,<lb/> der Kapitalbesitz, nicht ein Ding ist, sondern ein Gefüge von Rechtsverhältnissen<lb/> und Staatseinrichtungen, das, je nachdem es geschickt oder ungeschickt gehandhabt<lb/> wird, die Arbeitskraft des Volkes entweder fesselt oder entbindet, die Schaffung<lb/> von Gütern entweder hemmt oder fördert. Was aber seine Forderungen und<lb/> Vorschlüge anlangt, so mögen des Staatsrechts Kundigere entscheiden, wie<lb/> weit die ersten berechtigt und die zweiten zulässig waren. Theodor von Schön<lb/> und der Graf Alexander zu Dohna-Schlobittcn haben in ihrem Briefwechsel („Aus<lb/> den Papieren des Ministers Theodor von Schön," Band VI, S. 307 und 316)</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0481]
Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland
durch Boden und Klima wenig begünstigten Landes, gestaunt, so werde sie
bald noch mehr staunen darüber, wie rasch es sich von seinen Leiden erholen
und zu wirtschaftlicher Blüte gelangen werde. Dazu sei nun aber außer den
schon durchgeführten Reformen zunächst notwendig, daß die Gutsbesitzer von
ihrer Schuldenlast befreit würden, daß der große Grundbesitz erhalten, der
kleine vermehrt werde. Zur Entschädigung der Gutsbesitzer für die von ihnen
geleisteten Lieferungen an die Armee sei der Staat verpflichtet. Bülow schlägt
nun folgende Art der Entschädigung vor. Alle Schulden sollen in Pfandbrief¬
schulden verwandelt werden; die Pfandbriefe können bei einer Kasse versilbert
werden, deren Fonds teils aus Zinsenabzügen zu speisen ist, die sich die
Gläubiger eine Reihe von Jahren hindurch gefalle» lassen sollen, teils aus
der Kriegsentschädigung, die der Staat zu zahlen habe. Die Entschädigungs¬
summe soll fünfzig Millionen Thaler betragen. Da aber die Staatskassen
erschöpft sind, sollen den Provinzen Domänen und Forsten im Werte von
fünfzig Millionen überwiesen werden, die sie verkaufen können; ans dem ver¬
kauften Domänenlande würden neue Bauerngüter gegründet werden können. Ein
Teil des Fonds sei zur Amortisirung dieser neuen Pfandbriefschuldcn zu ver¬
wenden. Dieses Verfahren werde für die Kapitalisten ebenso vorteilhaft sein
wie für den Staat, denn beim gegenwärtigen Zustande befänden sie sich in
nicht minder übler Lage wie die Grundbesitzer, da sie weder Zinsen bekämen
noch ihre Kapitalien aus dem gefährdeten Grundbesitz herauszuziehen vermöchten.
Übrigens sei ein großer Teil der Schulden nnr eine Scheinschuld, indem
Pommern z. B. keineswegs auswärtigen Kapitalisten verschuldet sei, sondern
vielfach nur ^ dem L, L dem v, (' dem ^, sodciß die Schuld bloß durch
Einrichtung einer Liquidationsanstalt, ohne Hilfe fremder Kapitalien, getilgt
werden könne. Durch die vorgeschlagnen Einrichtungen werde man über den
toten Punkt hinwegkommen, der die Entwicklung der Kräfte des Landes zur
Zeit noch aufhalte, und neben den fröhlich gedeihenden alten Gütern zahlreiche
neue Bauerngüter schaffen; die Bauerngüter seien in dieses Kreditsystem mit ein¬
zufügen. Auch für eine zweckmäßige Ausführung der eingeleiteten Ablösung
werden Vorschläge gemacht.
Interessant ist, wie deutlich Bülow schon die später von Rodbertus vollends
enthüllte Wahrheit erkennt, daß das, was man gewöhnlich Kapital nennt,
der Kapitalbesitz, nicht ein Ding ist, sondern ein Gefüge von Rechtsverhältnissen
und Staatseinrichtungen, das, je nachdem es geschickt oder ungeschickt gehandhabt
wird, die Arbeitskraft des Volkes entweder fesselt oder entbindet, die Schaffung
von Gütern entweder hemmt oder fördert. Was aber seine Forderungen und
Vorschlüge anlangt, so mögen des Staatsrechts Kundigere entscheiden, wie
weit die ersten berechtigt und die zweiten zulässig waren. Theodor von Schön
und der Graf Alexander zu Dohna-Schlobittcn haben in ihrem Briefwechsel („Aus
den Papieren des Ministers Theodor von Schön," Band VI, S. 307 und 316)
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