Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Judentum und Revolution

Prallten. Derartiges machte so wenig Eindruck auf ihn, als wenn die be¬
treffenden chinesisch gesprochen hätten." Die Denkweise, die für Bismarck
chinesisch war, hatte ihren Ursprung in der scharf logischen Erfassung der wich¬
tigsten Aufgabe, die die fünfziger Jahre den? Bürgertum im preußischen Staate
stellten, in der Leitung des Kampfes um die Freiheit, der geführt wurde in
der Form eines juristischen Streites um die Auslegung von Versa ssungspara-
graphcn. In diesem Streite mochte der spitzfindig angelegte Jude als will-
kommner Bundesgenosse gelten. Durch die großen Umgestaltungen der Vis-
marckischen Ära ist auch die ganze Denkweise des deutschen Volkes umgeschaffen
worden. Wir alle, die wir in Bismarcks Schule herangewachsen sind, fragen
ebenfalls sehr wenig nach allgemeinen Theorien, wir beachten aber aufs sorg¬
fältigste das Spiel der sozialen Kräfte, die in den bedeutsamem Erscheinungen
des öffentlichen Lebens zum Ausdruck kommen. So sehen wir uns denn die
jüdische Gruppe preußischer Staatsbürger auch genauer an und fragen uns,
ob die Kräfte, die in diesem sozialen Sonderbuude thätig sind, zur Erstarkung
Und zum Frommen unsers nationalen Gemeinwesens beitragen oder nicht. Die
eigentliche Rassen- oder Religionsfrage bleibt hier ganz beiseite, wir haben es
Nur mit dem Judentum zu thun, wie es sich thatsächlich unter uns giebt und
sein Treiben im sozialen und politischen Leben fühlbar macht.

Als das deutsche Bürgertum begann, sein gutes Recht gegen einen Ab¬
solutismus, der sich in vielfacher Hinsicht überlebt hatte, geltend zu machen
und die konstitutionellen Forderungen aufzustellen, die heute alle erfüllt sind,
da waren es die Juden Heine und Börne, die jedes Maßhalten, jede Pietät
gegen überlieferte Anschauungen und Institutionen mit Hohn und Spott über¬
gössen und die Bewegung alsbald in revolutionäre Bahnen drängten. In
unsrer Zeit sind Marx und Lassalle -- von den jüdischen Dü mworuin gontium
ZU schweigen -- die Urheber einer unsre Gesellschaft bis in die tiefsten Gründe
aufwühlenden Bewegung geworden. Ist das Zufall? Kann es in solchen
Dingen einen Zufall geben?

Die Juden haben die Stellung, die sie gegenwärtig im preußischen Staat
und im Deutschen Reich einnehmen, zugestanden erhalten durch den abstrakt
rationalistischen Liberalismus, der ohne alle Rücksicht auf natürliche und soziale
Besonderheiten allen auf dem Gebiete des Staates gebornen die gleichen staat¬
lichen Rechte im vollsten Umfang einräumen will. Viele unser geistiges und
sittliches Leben beherrschende Positionen haben sie schon in Besitz genommen.
I" der Presse, auf der Schaubühne, im größten Teil der Vereine und Ver¬
sammlungen der Reichshauptstadt giebt der Jude den Ton an und nicht der
Deutsche. Das zähe Machtstreben, das diesem Volke eigen ist, treibt es immer
weiter vorwärts. Auch die letzten Hindernisse, die sich dem Judentum bei
seinem Emporklimmen zur obersten Macht entgegenstellen, sollen aus dem Wege
geräumt werden. Die hebräische oeoloZm, ailleurs, also vornehmlich die ganze


Judentum und Revolution

Prallten. Derartiges machte so wenig Eindruck auf ihn, als wenn die be¬
treffenden chinesisch gesprochen hätten." Die Denkweise, die für Bismarck
chinesisch war, hatte ihren Ursprung in der scharf logischen Erfassung der wich¬
tigsten Aufgabe, die die fünfziger Jahre den? Bürgertum im preußischen Staate
stellten, in der Leitung des Kampfes um die Freiheit, der geführt wurde in
der Form eines juristischen Streites um die Auslegung von Versa ssungspara-
graphcn. In diesem Streite mochte der spitzfindig angelegte Jude als will-
kommner Bundesgenosse gelten. Durch die großen Umgestaltungen der Vis-
marckischen Ära ist auch die ganze Denkweise des deutschen Volkes umgeschaffen
worden. Wir alle, die wir in Bismarcks Schule herangewachsen sind, fragen
ebenfalls sehr wenig nach allgemeinen Theorien, wir beachten aber aufs sorg¬
fältigste das Spiel der sozialen Kräfte, die in den bedeutsamem Erscheinungen
des öffentlichen Lebens zum Ausdruck kommen. So sehen wir uns denn die
jüdische Gruppe preußischer Staatsbürger auch genauer an und fragen uns,
ob die Kräfte, die in diesem sozialen Sonderbuude thätig sind, zur Erstarkung
Und zum Frommen unsers nationalen Gemeinwesens beitragen oder nicht. Die
eigentliche Rassen- oder Religionsfrage bleibt hier ganz beiseite, wir haben es
Nur mit dem Judentum zu thun, wie es sich thatsächlich unter uns giebt und
sein Treiben im sozialen und politischen Leben fühlbar macht.

Als das deutsche Bürgertum begann, sein gutes Recht gegen einen Ab¬
solutismus, der sich in vielfacher Hinsicht überlebt hatte, geltend zu machen
und die konstitutionellen Forderungen aufzustellen, die heute alle erfüllt sind,
da waren es die Juden Heine und Börne, die jedes Maßhalten, jede Pietät
gegen überlieferte Anschauungen und Institutionen mit Hohn und Spott über¬
gössen und die Bewegung alsbald in revolutionäre Bahnen drängten. In
unsrer Zeit sind Marx und Lassalle — von den jüdischen Dü mworuin gontium
ZU schweigen — die Urheber einer unsre Gesellschaft bis in die tiefsten Gründe
aufwühlenden Bewegung geworden. Ist das Zufall? Kann es in solchen
Dingen einen Zufall geben?

Die Juden haben die Stellung, die sie gegenwärtig im preußischen Staat
und im Deutschen Reich einnehmen, zugestanden erhalten durch den abstrakt
rationalistischen Liberalismus, der ohne alle Rücksicht auf natürliche und soziale
Besonderheiten allen auf dem Gebiete des Staates gebornen die gleichen staat¬
lichen Rechte im vollsten Umfang einräumen will. Viele unser geistiges und
sittliches Leben beherrschende Positionen haben sie schon in Besitz genommen.
I« der Presse, auf der Schaubühne, im größten Teil der Vereine und Ver¬
sammlungen der Reichshauptstadt giebt der Jude den Ton an und nicht der
Deutsche. Das zähe Machtstreben, das diesem Volke eigen ist, treibt es immer
weiter vorwärts. Auch die letzten Hindernisse, die sich dem Judentum bei
seinem Emporklimmen zur obersten Macht entgegenstellen, sollen aus dem Wege
geräumt werden. Die hebräische oeoloZm, ailleurs, also vornehmlich die ganze


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229421"/>
            <fw type="header" place="top"> Judentum und Revolution</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1350" prev="#ID_1349"> Prallten. Derartiges machte so wenig Eindruck auf ihn, als wenn die be¬<lb/>
treffenden chinesisch gesprochen hätten." Die Denkweise, die für Bismarck<lb/>
chinesisch war, hatte ihren Ursprung in der scharf logischen Erfassung der wich¬<lb/>
tigsten Aufgabe, die die fünfziger Jahre den? Bürgertum im preußischen Staate<lb/>
stellten, in der Leitung des Kampfes um die Freiheit, der geführt wurde in<lb/>
der Form eines juristischen Streites um die Auslegung von Versa ssungspara-<lb/>
graphcn. In diesem Streite mochte der spitzfindig angelegte Jude als will-<lb/>
kommner Bundesgenosse gelten. Durch die großen Umgestaltungen der Vis-<lb/>
marckischen Ära ist auch die ganze Denkweise des deutschen Volkes umgeschaffen<lb/>
worden. Wir alle, die wir in Bismarcks Schule herangewachsen sind, fragen<lb/>
ebenfalls sehr wenig nach allgemeinen Theorien, wir beachten aber aufs sorg¬<lb/>
fältigste das Spiel der sozialen Kräfte, die in den bedeutsamem Erscheinungen<lb/>
des öffentlichen Lebens zum Ausdruck kommen. So sehen wir uns denn die<lb/>
jüdische Gruppe preußischer Staatsbürger auch genauer an und fragen uns,<lb/>
ob die Kräfte, die in diesem sozialen Sonderbuude thätig sind, zur Erstarkung<lb/>
Und zum Frommen unsers nationalen Gemeinwesens beitragen oder nicht. Die<lb/>
eigentliche Rassen- oder Religionsfrage bleibt hier ganz beiseite, wir haben es<lb/>
Nur mit dem Judentum zu thun, wie es sich thatsächlich unter uns giebt und<lb/>
sein Treiben im sozialen und politischen Leben fühlbar macht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1351"> Als das deutsche Bürgertum begann, sein gutes Recht gegen einen Ab¬<lb/>
solutismus, der sich in vielfacher Hinsicht überlebt hatte, geltend zu machen<lb/>
und die konstitutionellen Forderungen aufzustellen, die heute alle erfüllt sind,<lb/>
da waren es die Juden Heine und Börne, die jedes Maßhalten, jede Pietät<lb/>
gegen überlieferte Anschauungen und Institutionen mit Hohn und Spott über¬<lb/>
gössen und die Bewegung alsbald in revolutionäre Bahnen drängten. In<lb/>
unsrer Zeit sind Marx und Lassalle &#x2014; von den jüdischen Dü mworuin gontium<lb/>
ZU schweigen &#x2014; die Urheber einer unsre Gesellschaft bis in die tiefsten Gründe<lb/>
aufwühlenden Bewegung geworden. Ist das Zufall? Kann es in solchen<lb/>
Dingen einen Zufall geben?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1352" next="#ID_1353"> Die Juden haben die Stellung, die sie gegenwärtig im preußischen Staat<lb/>
und im Deutschen Reich einnehmen, zugestanden erhalten durch den abstrakt<lb/>
rationalistischen Liberalismus, der ohne alle Rücksicht auf natürliche und soziale<lb/>
Besonderheiten allen auf dem Gebiete des Staates gebornen die gleichen staat¬<lb/>
lichen Rechte im vollsten Umfang einräumen will. Viele unser geistiges und<lb/>
sittliches Leben beherrschende Positionen haben sie schon in Besitz genommen.<lb/>
I« der Presse, auf der Schaubühne, im größten Teil der Vereine und Ver¬<lb/>
sammlungen der Reichshauptstadt giebt der Jude den Ton an und nicht der<lb/>
Deutsche. Das zähe Machtstreben, das diesem Volke eigen ist, treibt es immer<lb/>
weiter vorwärts. Auch die letzten Hindernisse, die sich dem Judentum bei<lb/>
seinem Emporklimmen zur obersten Macht entgegenstellen, sollen aus dem Wege<lb/>
geräumt werden. Die hebräische oeoloZm, ailleurs, also vornehmlich die ganze</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] Judentum und Revolution Prallten. Derartiges machte so wenig Eindruck auf ihn, als wenn die be¬ treffenden chinesisch gesprochen hätten." Die Denkweise, die für Bismarck chinesisch war, hatte ihren Ursprung in der scharf logischen Erfassung der wich¬ tigsten Aufgabe, die die fünfziger Jahre den? Bürgertum im preußischen Staate stellten, in der Leitung des Kampfes um die Freiheit, der geführt wurde in der Form eines juristischen Streites um die Auslegung von Versa ssungspara- graphcn. In diesem Streite mochte der spitzfindig angelegte Jude als will- kommner Bundesgenosse gelten. Durch die großen Umgestaltungen der Vis- marckischen Ära ist auch die ganze Denkweise des deutschen Volkes umgeschaffen worden. Wir alle, die wir in Bismarcks Schule herangewachsen sind, fragen ebenfalls sehr wenig nach allgemeinen Theorien, wir beachten aber aufs sorg¬ fältigste das Spiel der sozialen Kräfte, die in den bedeutsamem Erscheinungen des öffentlichen Lebens zum Ausdruck kommen. So sehen wir uns denn die jüdische Gruppe preußischer Staatsbürger auch genauer an und fragen uns, ob die Kräfte, die in diesem sozialen Sonderbuude thätig sind, zur Erstarkung Und zum Frommen unsers nationalen Gemeinwesens beitragen oder nicht. Die eigentliche Rassen- oder Religionsfrage bleibt hier ganz beiseite, wir haben es Nur mit dem Judentum zu thun, wie es sich thatsächlich unter uns giebt und sein Treiben im sozialen und politischen Leben fühlbar macht. Als das deutsche Bürgertum begann, sein gutes Recht gegen einen Ab¬ solutismus, der sich in vielfacher Hinsicht überlebt hatte, geltend zu machen und die konstitutionellen Forderungen aufzustellen, die heute alle erfüllt sind, da waren es die Juden Heine und Börne, die jedes Maßhalten, jede Pietät gegen überlieferte Anschauungen und Institutionen mit Hohn und Spott über¬ gössen und die Bewegung alsbald in revolutionäre Bahnen drängten. In unsrer Zeit sind Marx und Lassalle — von den jüdischen Dü mworuin gontium ZU schweigen — die Urheber einer unsre Gesellschaft bis in die tiefsten Gründe aufwühlenden Bewegung geworden. Ist das Zufall? Kann es in solchen Dingen einen Zufall geben? Die Juden haben die Stellung, die sie gegenwärtig im preußischen Staat und im Deutschen Reich einnehmen, zugestanden erhalten durch den abstrakt rationalistischen Liberalismus, der ohne alle Rücksicht auf natürliche und soziale Besonderheiten allen auf dem Gebiete des Staates gebornen die gleichen staat¬ lichen Rechte im vollsten Umfang einräumen will. Viele unser geistiges und sittliches Leben beherrschende Positionen haben sie schon in Besitz genommen. I« der Presse, auf der Schaubühne, im größten Teil der Vereine und Ver¬ sammlungen der Reichshauptstadt giebt der Jude den Ton an und nicht der Deutsche. Das zähe Machtstreben, das diesem Volke eigen ist, treibt es immer weiter vorwärts. Auch die letzten Hindernisse, die sich dem Judentum bei seinem Emporklimmen zur obersten Macht entgegenstellen, sollen aus dem Wege geräumt werden. Die hebräische oeoloZm, ailleurs, also vornehmlich die ganze

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/472>, abgerufen am 24.07.2024.