Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Bilder aus dem vlämischen Bauernkrieg bedürft, wird euch in kurzer Zeit verabfolgt werden; auch der Sold wird euch Überall, wo die Sturmglocken erschollen, sammelten sich einige hundert Manu Schon am folgenden Tage kam es bei Arzfeld zu einem wirklichen Zusammen¬ Bilder aus dem vlämischen Bauernkrieg bedürft, wird euch in kurzer Zeit verabfolgt werden; auch der Sold wird euch Überall, wo die Sturmglocken erschollen, sammelten sich einige hundert Manu Schon am folgenden Tage kam es bei Arzfeld zu einem wirklichen Zusammen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229382"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus dem vlämischen Bauernkrieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_1198" prev="#ID_1197"> bedürft, wird euch in kurzer Zeit verabfolgt werden; auch der Sold wird euch<lb/> nicht fehlen. Für den Augenblick bewaffnet euch mit euern Jagdflinten oder mit<lb/> Büchsen und Lanzen. Wählt unter euch selbst eure Hauptleute. Haltet euch bereit,<lb/> auf den ersten Aufruf auszurücken, damit es euch nicht ergehe, wie den Hoscheidcrn,<lb/> denen, weil sie nicht ins Feld ziehen wollten, ihr Dorf in Brand gesteckt wurde."<lb/> Die Arsdorfer waren bereit, mit in den Kampf zu ziehen. Auf Betreiben ihres<lb/> Pfarrers und eines adlichen Herrn hatten sie sich gerüstet. Einen aus ihrem Dorf<lb/> gebürtigen Studenten, Namens Jakob Klein, der zu seinen Eltern zurückgekehrt<lb/> war, wählten sie zu ihrem Führer. Er war ein blühender, kraftvoller, junger<lb/> Manu, der sich mit wahrem Feuereifer der Sache widmete. In einer gelben öster¬<lb/> reichischen Husarenunifvrm, den Kopf mit einer geschweiften Mütze bedeckt, wohl-<lb/> bewaffnet und auf einem blendendweißen Schimmel reitend, wußte er auch die<lb/> Bauern der Nachbarorte zu begeistern. Er unternahm mit seiner Schar vorerst<lb/> kleine Streifzüge und vereinigte sich dann zu Großbous mit einer andern Schar<lb/> von 1200 bewaffneten Bauern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1199"> Überall, wo die Sturmglocken erschollen, sammelten sich einige hundert Manu<lb/> an, die die in den Ortschaften stntionirtcn französischen Gendarmen, Kommissare<lb/> und Schreiber festnahmen. Die Freiheitsbäume wurden umgehauen. Den Pfarrern,<lb/> die der Republik den Eid geleistet hatten, wurden die Möbel zertrümmert und wohl<lb/> anch die Keller geleert. Ausschreitungen waren ja bei so verschiedenartigen, un-<lb/> disziplinirten Schäre» unvermeidlich. Andre Geistliche wurden gezwungen, Hochamt<lb/> mit Tedeum und Segen zu halten oder den Segen von der Kirchenthür aus zu<lb/> erteilen. Bald betrug die Zahl der Aufständischen 4000. Sie vereinigten allmählich<lb/> ihre Streitkräfte und wählten als ihren neuen Führer einen kaum zwanzigjährigen<lb/> jungen Mann, Namens Hubert Behrens aus Bvcholtz. Man wollte nun nach Süden<lb/> ziehen, um die Stadt Luxemburg zu erobern, aber unterwegs gab man den Plan<lb/> auf, weil die Verhältnisse doch nicht so günstig waren, wie man geglaubt hatte.<lb/> In Hoscheid kam es zu einem tragikomischen Zwischenfnll. Man hatte dort hin<lb/> und her beraten, und es war zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Bei<lb/> dem Einbrechen der Dunkelheit erscholl der Ruf: „Die Franzosen kommen!" Die<lb/> ganze Bande war bestürzt und eilte auseinander, weil sie nicht auf eiuen Angriff<lb/> gefaßt war. Von Lipperscheid her kam ein lärmender Zug, aber es waren nicht<lb/> die Franzosen, sondern der wackre Hirt des Dorfes, der mit seiner Herde nach<lb/> Hause kam. Er trug eine lange Lanze, die man für ein Bajonett gehalten<lb/> hatte.....</p><lb/> <p xml:id="ID_1200" next="#ID_1201"> Schon am folgenden Tage kam es bei Arzfeld zu einem wirklichen Zusammen¬<lb/> stoß. Dreihundert Soldaten hatten das Dorf besetzt. Als der republikanische<lb/> Hauptmann Duverger, ein Elsässer, auf eine Schar von 500 Bauern stieß, fragte<lb/> er sie in spöttischem Tone auf Deutsch: Was wollt ihr, meine Kiuder? Während<lb/> sich die meisten umwandten zum Fliehe», legte ein Bauer aus Bvxhorn sein Jagd¬<lb/> gewehr an »ud schoß mit de» Worten: I^vus voulons la xuorro! einen Offizier vom<lb/> Pferde. Auch einzelne Flüchtlinge feuerten ihre Gewehre auf die Franzosen ab.<lb/> Nun waren die armen Klöppelmä'nner verloren. Die Fußsoldaten sandten ihnen<lb/> ihre mörderischen Kugeln uach. Auch die Reiter schössen ihre Pistolen ab, griffen<lb/> zum Säbel und suchten die Flüchtlinge zusammenzutreiben. Zum Glück für diese<lb/> war aber der Boden sumpfig, sodaß den Reiter» das Fortkommen erschwert war.<lb/> Es blieben 74 Tote ans dem Felde, während ein großer Teil der Flüchtlinge<lb/> Wunden davontrug. Beim Durchsuchen des Feldes durchbohrten die Franzosen noch<lb/> jeden Gefallnen mit einer Kugel und beraubten die Leichen. Unter den Gefangnen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0433]
Bilder aus dem vlämischen Bauernkrieg
bedürft, wird euch in kurzer Zeit verabfolgt werden; auch der Sold wird euch
nicht fehlen. Für den Augenblick bewaffnet euch mit euern Jagdflinten oder mit
Büchsen und Lanzen. Wählt unter euch selbst eure Hauptleute. Haltet euch bereit,
auf den ersten Aufruf auszurücken, damit es euch nicht ergehe, wie den Hoscheidcrn,
denen, weil sie nicht ins Feld ziehen wollten, ihr Dorf in Brand gesteckt wurde."
Die Arsdorfer waren bereit, mit in den Kampf zu ziehen. Auf Betreiben ihres
Pfarrers und eines adlichen Herrn hatten sie sich gerüstet. Einen aus ihrem Dorf
gebürtigen Studenten, Namens Jakob Klein, der zu seinen Eltern zurückgekehrt
war, wählten sie zu ihrem Führer. Er war ein blühender, kraftvoller, junger
Manu, der sich mit wahrem Feuereifer der Sache widmete. In einer gelben öster¬
reichischen Husarenunifvrm, den Kopf mit einer geschweiften Mütze bedeckt, wohl-
bewaffnet und auf einem blendendweißen Schimmel reitend, wußte er auch die
Bauern der Nachbarorte zu begeistern. Er unternahm mit seiner Schar vorerst
kleine Streifzüge und vereinigte sich dann zu Großbous mit einer andern Schar
von 1200 bewaffneten Bauern.
Überall, wo die Sturmglocken erschollen, sammelten sich einige hundert Manu
an, die die in den Ortschaften stntionirtcn französischen Gendarmen, Kommissare
und Schreiber festnahmen. Die Freiheitsbäume wurden umgehauen. Den Pfarrern,
die der Republik den Eid geleistet hatten, wurden die Möbel zertrümmert und wohl
anch die Keller geleert. Ausschreitungen waren ja bei so verschiedenartigen, un-
disziplinirten Schäre» unvermeidlich. Andre Geistliche wurden gezwungen, Hochamt
mit Tedeum und Segen zu halten oder den Segen von der Kirchenthür aus zu
erteilen. Bald betrug die Zahl der Aufständischen 4000. Sie vereinigten allmählich
ihre Streitkräfte und wählten als ihren neuen Führer einen kaum zwanzigjährigen
jungen Mann, Namens Hubert Behrens aus Bvcholtz. Man wollte nun nach Süden
ziehen, um die Stadt Luxemburg zu erobern, aber unterwegs gab man den Plan
auf, weil die Verhältnisse doch nicht so günstig waren, wie man geglaubt hatte.
In Hoscheid kam es zu einem tragikomischen Zwischenfnll. Man hatte dort hin
und her beraten, und es war zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Bei
dem Einbrechen der Dunkelheit erscholl der Ruf: „Die Franzosen kommen!" Die
ganze Bande war bestürzt und eilte auseinander, weil sie nicht auf eiuen Angriff
gefaßt war. Von Lipperscheid her kam ein lärmender Zug, aber es waren nicht
die Franzosen, sondern der wackre Hirt des Dorfes, der mit seiner Herde nach
Hause kam. Er trug eine lange Lanze, die man für ein Bajonett gehalten
hatte.....
Schon am folgenden Tage kam es bei Arzfeld zu einem wirklichen Zusammen¬
stoß. Dreihundert Soldaten hatten das Dorf besetzt. Als der republikanische
Hauptmann Duverger, ein Elsässer, auf eine Schar von 500 Bauern stieß, fragte
er sie in spöttischem Tone auf Deutsch: Was wollt ihr, meine Kiuder? Während
sich die meisten umwandten zum Fliehe», legte ein Bauer aus Bvxhorn sein Jagd¬
gewehr an »ud schoß mit de» Worten: I^vus voulons la xuorro! einen Offizier vom
Pferde. Auch einzelne Flüchtlinge feuerten ihre Gewehre auf die Franzosen ab.
Nun waren die armen Klöppelmä'nner verloren. Die Fußsoldaten sandten ihnen
ihre mörderischen Kugeln uach. Auch die Reiter schössen ihre Pistolen ab, griffen
zum Säbel und suchten die Flüchtlinge zusammenzutreiben. Zum Glück für diese
war aber der Boden sumpfig, sodaß den Reiter» das Fortkommen erschwert war.
Es blieben 74 Tote ans dem Felde, während ein großer Teil der Flüchtlinge
Wunden davontrug. Beim Durchsuchen des Feldes durchbohrten die Franzosen noch
jeden Gefallnen mit einer Kugel und beraubten die Leichen. Unter den Gefangnen
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