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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Steht die katholische Belletristik aus der Höhe der Zeit?

dieser Welt wirksames Mittel in jeder Art von Presse: die Person des
Gegners zu schmähen, wenn die Sache sich nicht recht widerlegen läßt. Diese
Gepflogenheit ist in der ultramontanen Presse ganz besonders zu Hause, die
so gern und so gedankenlos auf "Autoritäten" schwört. Und so hat denn
der Bayrische Kurier der Welt mitgeteilt, daß der vielumzankte Veremundus
niemand anders sei als -- I)r. Joseph Müller, ein Priester und Privatgelehrter
in München (unter anderm Verfasser eines ganz ausgezeichneten Buches über
Jean Paul). Sofort fällt nun das Augsburger Blatt über diesen Unglück¬
lichen her; drei Spalten lang wird seine Persönlichkeit derart herunter¬
gerissen, und zwar außer allem Zusammenhang mit der Broschüre, daß einem
der nervöse Gelehrte ordentlich leid thut. Man höre folgende bezeichnenden
Wendungen: "Es dürfte an der Zeit sein, den künstlichen Glorienschein, den
die anonyme "Autorität" des Veremundus sich auf sehr billiges?) Weise erborgt
hat, ein wenig auf seine Echtheit zu untersuchen. Alle Welt fragt: Wer ist
Veremundus? Und wenn man keine abkühlende Antwort parat hat, dann setzt
sich in immer weitern Kreisen die Meinung fest, ein gewaltiger, achtung¬
gebietender Mann, eine unantastbare katholisch-litterarische Autorität stecke hinter
dem Pseudonym." Nicht wahr, wie bezeichnend dieses Suchen nach dem
Namen und dann dieses einmütige Herfallen über den Namen und den Mann,
eine Methode, die von Luther bis Döllinger so wirksam gewesen ist!

So sällt denn das Augsburger Blatt mit vollem Haß über Dr. Müller
her, zählt ihm seine sämtlichen Sünden und Nichtsünden (z. B. daß er selber
noch nicht genug Werke geschrieben habe!) mit Erregung auf, um dann mit
folgenden klassischen Worten auch die weiter gar nicht widerlegte Schrift des
Veremundus einfach aus der Welt zu schaffen: "Ist der Mann, der vor etlichen
Jahren noch in solcher Weise der katholischen Bewegung ^or. Müller hatte
sich über die Leistungen eines katholischen Volksvereins, also eine ganz einzelne
Sache, absprechend geäußert!^ in Heller Feindschaft (!) gegenüber stand, als
legitimer Kritiker und Oberzensor über katholische Presse und Litteratur, als
hochstehende Autorität in Sachen der katholischen Belletristik, als bahnbrechender
Reformator ohne Fehl und Tadel anzuerkennen? Unsre Antwort lautet: Nein!"
Gut gebrüllt! Und so ist denn für dieses gründliche und sachliche Blatt die
Sache abgethan: der thatsächlichen Gründe wird mit keinem Worte Erwähnung
gethan, die Person des Verfassers wird beschimpft und dann wird gefolgert:
Was kann ein solcher Mensch zu sagen haben? Nichts! Wie man auf unsrer
Seite über diese Ihre Kampfesweise denkt, meine Herren, ist Ihnen schon oft
in feiner und grober Tonart gesagt worden; es ist unnütz, Ihnen das hier zu
wiederholen.

Das wahrhaft Ergötzliche in diesem einzelnen Falle ist freilich dies:
Dr. Joseph Müller ist gar nicht der Verfasser! Und so ist dem armen Manne
ganz ohne Zweck oorg-in xudlivo der Kopf gewaschen worden. Auch die Bonner


Steht die katholische Belletristik aus der Höhe der Zeit?

dieser Welt wirksames Mittel in jeder Art von Presse: die Person des
Gegners zu schmähen, wenn die Sache sich nicht recht widerlegen läßt. Diese
Gepflogenheit ist in der ultramontanen Presse ganz besonders zu Hause, die
so gern und so gedankenlos auf „Autoritäten" schwört. Und so hat denn
der Bayrische Kurier der Welt mitgeteilt, daß der vielumzankte Veremundus
niemand anders sei als — I)r. Joseph Müller, ein Priester und Privatgelehrter
in München (unter anderm Verfasser eines ganz ausgezeichneten Buches über
Jean Paul). Sofort fällt nun das Augsburger Blatt über diesen Unglück¬
lichen her; drei Spalten lang wird seine Persönlichkeit derart herunter¬
gerissen, und zwar außer allem Zusammenhang mit der Broschüre, daß einem
der nervöse Gelehrte ordentlich leid thut. Man höre folgende bezeichnenden
Wendungen: „Es dürfte an der Zeit sein, den künstlichen Glorienschein, den
die anonyme »Autorität« des Veremundus sich auf sehr billiges?) Weise erborgt
hat, ein wenig auf seine Echtheit zu untersuchen. Alle Welt fragt: Wer ist
Veremundus? Und wenn man keine abkühlende Antwort parat hat, dann setzt
sich in immer weitern Kreisen die Meinung fest, ein gewaltiger, achtung¬
gebietender Mann, eine unantastbare katholisch-litterarische Autorität stecke hinter
dem Pseudonym." Nicht wahr, wie bezeichnend dieses Suchen nach dem
Namen und dann dieses einmütige Herfallen über den Namen und den Mann,
eine Methode, die von Luther bis Döllinger so wirksam gewesen ist!

So sällt denn das Augsburger Blatt mit vollem Haß über Dr. Müller
her, zählt ihm seine sämtlichen Sünden und Nichtsünden (z. B. daß er selber
noch nicht genug Werke geschrieben habe!) mit Erregung auf, um dann mit
folgenden klassischen Worten auch die weiter gar nicht widerlegte Schrift des
Veremundus einfach aus der Welt zu schaffen: „Ist der Mann, der vor etlichen
Jahren noch in solcher Weise der katholischen Bewegung ^or. Müller hatte
sich über die Leistungen eines katholischen Volksvereins, also eine ganz einzelne
Sache, absprechend geäußert!^ in Heller Feindschaft (!) gegenüber stand, als
legitimer Kritiker und Oberzensor über katholische Presse und Litteratur, als
hochstehende Autorität in Sachen der katholischen Belletristik, als bahnbrechender
Reformator ohne Fehl und Tadel anzuerkennen? Unsre Antwort lautet: Nein!"
Gut gebrüllt! Und so ist denn für dieses gründliche und sachliche Blatt die
Sache abgethan: der thatsächlichen Gründe wird mit keinem Worte Erwähnung
gethan, die Person des Verfassers wird beschimpft und dann wird gefolgert:
Was kann ein solcher Mensch zu sagen haben? Nichts! Wie man auf unsrer
Seite über diese Ihre Kampfesweise denkt, meine Herren, ist Ihnen schon oft
in feiner und grober Tonart gesagt worden; es ist unnütz, Ihnen das hier zu
wiederholen.

Das wahrhaft Ergötzliche in diesem einzelnen Falle ist freilich dies:
Dr. Joseph Müller ist gar nicht der Verfasser! Und so ist dem armen Manne
ganz ohne Zweck oorg-in xudlivo der Kopf gewaschen worden. Auch die Bonner


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[0425] Steht die katholische Belletristik aus der Höhe der Zeit? dieser Welt wirksames Mittel in jeder Art von Presse: die Person des Gegners zu schmähen, wenn die Sache sich nicht recht widerlegen läßt. Diese Gepflogenheit ist in der ultramontanen Presse ganz besonders zu Hause, die so gern und so gedankenlos auf „Autoritäten" schwört. Und so hat denn der Bayrische Kurier der Welt mitgeteilt, daß der vielumzankte Veremundus niemand anders sei als — I)r. Joseph Müller, ein Priester und Privatgelehrter in München (unter anderm Verfasser eines ganz ausgezeichneten Buches über Jean Paul). Sofort fällt nun das Augsburger Blatt über diesen Unglück¬ lichen her; drei Spalten lang wird seine Persönlichkeit derart herunter¬ gerissen, und zwar außer allem Zusammenhang mit der Broschüre, daß einem der nervöse Gelehrte ordentlich leid thut. Man höre folgende bezeichnenden Wendungen: „Es dürfte an der Zeit sein, den künstlichen Glorienschein, den die anonyme »Autorität« des Veremundus sich auf sehr billiges?) Weise erborgt hat, ein wenig auf seine Echtheit zu untersuchen. Alle Welt fragt: Wer ist Veremundus? Und wenn man keine abkühlende Antwort parat hat, dann setzt sich in immer weitern Kreisen die Meinung fest, ein gewaltiger, achtung¬ gebietender Mann, eine unantastbare katholisch-litterarische Autorität stecke hinter dem Pseudonym." Nicht wahr, wie bezeichnend dieses Suchen nach dem Namen und dann dieses einmütige Herfallen über den Namen und den Mann, eine Methode, die von Luther bis Döllinger so wirksam gewesen ist! So sällt denn das Augsburger Blatt mit vollem Haß über Dr. Müller her, zählt ihm seine sämtlichen Sünden und Nichtsünden (z. B. daß er selber noch nicht genug Werke geschrieben habe!) mit Erregung auf, um dann mit folgenden klassischen Worten auch die weiter gar nicht widerlegte Schrift des Veremundus einfach aus der Welt zu schaffen: „Ist der Mann, der vor etlichen Jahren noch in solcher Weise der katholischen Bewegung ^or. Müller hatte sich über die Leistungen eines katholischen Volksvereins, also eine ganz einzelne Sache, absprechend geäußert!^ in Heller Feindschaft (!) gegenüber stand, als legitimer Kritiker und Oberzensor über katholische Presse und Litteratur, als hochstehende Autorität in Sachen der katholischen Belletristik, als bahnbrechender Reformator ohne Fehl und Tadel anzuerkennen? Unsre Antwort lautet: Nein!" Gut gebrüllt! Und so ist denn für dieses gründliche und sachliche Blatt die Sache abgethan: der thatsächlichen Gründe wird mit keinem Worte Erwähnung gethan, die Person des Verfassers wird beschimpft und dann wird gefolgert: Was kann ein solcher Mensch zu sagen haben? Nichts! Wie man auf unsrer Seite über diese Ihre Kampfesweise denkt, meine Herren, ist Ihnen schon oft in feiner und grober Tonart gesagt worden; es ist unnütz, Ihnen das hier zu wiederholen. Das wahrhaft Ergötzliche in diesem einzelnen Falle ist freilich dies: Dr. Joseph Müller ist gar nicht der Verfasser! Und so ist dem armen Manne ganz ohne Zweck oorg-in xudlivo der Kopf gewaschen worden. Auch die Bonner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/425>, abgerufen am 12.12.2024.