Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Litteratur Nur in einem Punkte ist eine Änderung eingetreten: die Heuerlente befinden In der oldenburgischen Geest haben wir einen Fall der sozialen Harmonie Litteratur Der neue Kluge. Daß ein größeres gediegnes Philologisches Werk in vier¬ -) Von der Münsterschen Geest sind nur W011,8 Hektar kultwirt, 125003,3 Hektar heut
noch unkultivirt und zum Teil Urlaub, Litteratur Nur in einem Punkte ist eine Änderung eingetreten: die Heuerlente befinden In der oldenburgischen Geest haben wir einen Fall der sozialen Harmonie Litteratur Der neue Kluge. Daß ein größeres gediegnes Philologisches Werk in vier¬ -) Von der Münsterschen Geest sind nur W011,8 Hektar kultwirt, 125003,3 Hektar heut
noch unkultivirt und zum Teil Urlaub, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229342"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1091"> Nur in einem Punkte ist eine Änderung eingetreten: die Heuerlente befinden<lb/> sich heute viel besser und sind weit wohlhabender als vor siebzig Jahren. Prole¬<lb/> tarier sind sie selbstverständlich niemals gewesen; gehört doch zur Übernahme einer<lb/> Heucrwirtschaft ein kleines Betriebskapital. Die Besserung der Lage ist vor allem<lb/> dem Umstände zu danken, das; ein starker Abfluß der Bevölkerung nach Nord¬<lb/> amerika und dann die Erweiterung des Nahrnngsspielraums durch Bodenzuwachs<lb/> der Übervölkerung abgeholfen haben. Das Wort Übervölkerung, bemerkt der Ver¬<lb/> fasser, klinge ja seltsam, wenn man es ans eine Landschaft anwende, die zu den am<lb/> dünnsten bevölkerten Deutschlands gehört; aber Übervölkerung ist eben ein relativer<lb/> Begriff; die oldenburgische Geest kaun keine zahlreiche Bevölkerung nähren, weil ihr<lb/> Boden mager ist,*) und weil sie keine gewerbetreibenden Städte hat, die den<lb/> Überschuß beschäftigen könnten. Boden ist durch Aufteilung der Marien gewonnen<lb/> worden. Außerdem ist der Absatz von Milchprodukten, sowie von Vieh und Fleisch<lb/> gegen früher erleichtert und viel lohnender geworden. Die Steuerrollen lassen<lb/> freilich die Henerlente als eine recht armselige Gesellschaft erscheinen, aber die Ein¬<lb/> schätzungsergebnisse tauschen eben überall, wo das Einkomme» zu einem großen oder<lb/> gar zum größten Teil aus Naturalien besteht. statistisch steht fest, daß die<lb/> Schulden dieser Leute nicht der Rede wert sind, und daß 621 von ihnen — bei<lb/> den übrigen war es nicht zu ermitteln — Sparkassenkapitalien im Gesamt¬<lb/> betrage von 1205 943 Mark besitzen, sodaß also durchschnittlich 2314,6 Mark auf<lb/> einen fallen. Überhaupt, um dies nebenbei zu bemerken, erscheint die ganze Be¬<lb/> völkerung dieser Geest, die Bauern eingeschlossen, den Steuerlisten nach zwar arm,<lb/> befindet sich aber thatsächlich in behaglicher und gesicherter Lage. Die Hhpotheken-<lb/> schuld aller Landgemeinden beträgt zusammen noch nicht 10 Prozent ihres Privat¬<lb/> grundbesitzes, und der Schuld von 12110000 Mark steht ein Kapitalvermögen von<lb/> 24771000 Mark gegenüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_1092"> In der oldenburgischen Geest haben wir einen Fall der sozialen Harmonie<lb/> vor uns, die in einfachen Verhältnissen so leicht zu erreichen ist, die aber eben<lb/> deswegen den Fortschritt zu dem ausschließt, was man als höhere Kultur zu preisen<lb/> pflegt. Daß sich auch bei solcher höhern Kultur, die große Vermögensunterschiede<lb/> und eine weitgehende Arbeitsteilung voraussetzt, die Harmonie einmal hätte auf¬<lb/> recht erhalten lassen, dafür hat uns die Weltgeschichte bisher noch kein Beispiel<lb/> geliefert.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <div n="2"> <head> Der neue Kluge.</head> <p xml:id="ID_1093" next="#ID_1094"> Daß ein größeres gediegnes Philologisches Werk in vier¬<lb/> zehn Jahren sechs Auflagen erlebt, ist etwas ganz ungewöhnliches. Aber Kluges<lb/> Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache ist eben allmählich das<lb/> Hauptwerkzeug historischer Bildung für unsre Muttersprache geworden. Seine<lb/> Verbreitung ist eins der besten Zeugnisse für das ernsthafte Interesse. das heute<lb/> weite Kreise unsrer Gebildeten der Geschichte der deutschen Sprache widmen. Die</p><lb/> <note xml:id="FID_34" place="foot"> -) Von der Münsterschen Geest sind nur W011,8 Hektar kultwirt, 125003,3 Hektar heut<lb/> noch unkultivirt und zum Teil Urlaub,</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
Litteratur
Nur in einem Punkte ist eine Änderung eingetreten: die Heuerlente befinden
sich heute viel besser und sind weit wohlhabender als vor siebzig Jahren. Prole¬
tarier sind sie selbstverständlich niemals gewesen; gehört doch zur Übernahme einer
Heucrwirtschaft ein kleines Betriebskapital. Die Besserung der Lage ist vor allem
dem Umstände zu danken, das; ein starker Abfluß der Bevölkerung nach Nord¬
amerika und dann die Erweiterung des Nahrnngsspielraums durch Bodenzuwachs
der Übervölkerung abgeholfen haben. Das Wort Übervölkerung, bemerkt der Ver¬
fasser, klinge ja seltsam, wenn man es ans eine Landschaft anwende, die zu den am
dünnsten bevölkerten Deutschlands gehört; aber Übervölkerung ist eben ein relativer
Begriff; die oldenburgische Geest kaun keine zahlreiche Bevölkerung nähren, weil ihr
Boden mager ist,*) und weil sie keine gewerbetreibenden Städte hat, die den
Überschuß beschäftigen könnten. Boden ist durch Aufteilung der Marien gewonnen
worden. Außerdem ist der Absatz von Milchprodukten, sowie von Vieh und Fleisch
gegen früher erleichtert und viel lohnender geworden. Die Steuerrollen lassen
freilich die Henerlente als eine recht armselige Gesellschaft erscheinen, aber die Ein¬
schätzungsergebnisse tauschen eben überall, wo das Einkomme» zu einem großen oder
gar zum größten Teil aus Naturalien besteht. statistisch steht fest, daß die
Schulden dieser Leute nicht der Rede wert sind, und daß 621 von ihnen — bei
den übrigen war es nicht zu ermitteln — Sparkassenkapitalien im Gesamt¬
betrage von 1205 943 Mark besitzen, sodaß also durchschnittlich 2314,6 Mark auf
einen fallen. Überhaupt, um dies nebenbei zu bemerken, erscheint die ganze Be¬
völkerung dieser Geest, die Bauern eingeschlossen, den Steuerlisten nach zwar arm,
befindet sich aber thatsächlich in behaglicher und gesicherter Lage. Die Hhpotheken-
schuld aller Landgemeinden beträgt zusammen noch nicht 10 Prozent ihres Privat¬
grundbesitzes, und der Schuld von 12110000 Mark steht ein Kapitalvermögen von
24771000 Mark gegenüber.
In der oldenburgischen Geest haben wir einen Fall der sozialen Harmonie
vor uns, die in einfachen Verhältnissen so leicht zu erreichen ist, die aber eben
deswegen den Fortschritt zu dem ausschließt, was man als höhere Kultur zu preisen
pflegt. Daß sich auch bei solcher höhern Kultur, die große Vermögensunterschiede
und eine weitgehende Arbeitsteilung voraussetzt, die Harmonie einmal hätte auf¬
recht erhalten lassen, dafür hat uns die Weltgeschichte bisher noch kein Beispiel
geliefert.
Litteratur
Der neue Kluge. Daß ein größeres gediegnes Philologisches Werk in vier¬
zehn Jahren sechs Auflagen erlebt, ist etwas ganz ungewöhnliches. Aber Kluges
Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache ist eben allmählich das
Hauptwerkzeug historischer Bildung für unsre Muttersprache geworden. Seine
Verbreitung ist eins der besten Zeugnisse für das ernsthafte Interesse. das heute
weite Kreise unsrer Gebildeten der Geschichte der deutschen Sprache widmen. Die
-) Von der Münsterschen Geest sind nur W011,8 Hektar kultwirt, 125003,3 Hektar heut
noch unkultivirt und zum Teil Urlaub,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |