Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Neue Knnstlitteratur lischen bürgerlichen Baustil einführen, der mit der unseligen Tradition des italie¬ Henry van de Velde spricht sich über das Prinzip und den Aufbau seiner Neue Knnstlitteratur lischen bürgerlichen Baustil einführen, der mit der unseligen Tradition des italie¬ Henry van de Velde spricht sich über das Prinzip und den Aufbau seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229325"/> <fw type="header" place="top"> Neue Knnstlitteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1012" prev="#ID_1011"> lischen bürgerlichen Baustil einführen, der mit der unseligen Tradition des italie¬<lb/> nischen Fasscidenschemns bricht. Dazu gehören die farbigen Thüren und Fenster.<lb/> Wo Farbe angewandt wird, kommt keinerlei Form dagegen auf. Aber deu fort¬<lb/> schrittlichen Architekten folgen die Anstreicher und machen alles steingrau oder Natur¬<lb/> farben, wie sie es auf ihren Schulen gelernt haben. Pastoren und Lehrer sollten<lb/> die Bewohner solcher Städte in dem Alten bestärken und gegen die Maurer- und<lb/> Malermeister schützen. „Denn mit dem einfachen koloristischen Hause, das sein Be¬<lb/> wohner durch eigenhändige Erneuerung des Anstrichs selber frisch und freundlich<lb/> zu halten imstande ist, schwindet der letzte Rest künstlerischer Kultur und die Freude<lb/> am Hanse und an der so wichtigen Blumenzucht, die hinter Holzfarben gestrichnen<lb/> Fensterrahmen erfahrungsgemäß zurückgeht." Die letzte» Ursachen des Übels liegen<lb/> ein der Erziehung der Architekten und Bauhandwerker. Es fehlt die Überzeugung,<lb/> daß es für die bürgerliche Architektur nicht auf die ornamentale Form, sondern auf<lb/> die Farbe ankommt. „Noch ist in den kleinen Städten und Dörfern im ganzen<lb/> Norden das Material vorhanden, um das Wesen des koloristischen bürgerlichen<lb/> Baustils kennen und empfinden zu lernen. Aber es ist schon die höchste Zeit, wenn<lb/> Wir nicht wieder einmal zu spät kommen wollen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1013" next="#ID_1014"> Henry van de Velde spricht sich über das Prinzip und den Aufbau seiner<lb/> bekannten modernen Möbel so klar ans, daß einige Mitteilungen daraus das Ver¬<lb/> ständnis dieser vielbesprochnen Gegenstände vielleicht mehr fördern, als was andre<lb/> darüber geschrieben haben. Er will nicht schaffen, was schön sein soll und doch<lb/> den Ansprüchen des Nutzens gehorchen muß, wie das in irgend einem historischen<lb/> Stil entworfne, nachgeahmte Möbel, sondern was vernunftgemäß ist in Sein und<lb/> Schein. Ein nützliches Hausgerät, wenn es seinen praktischen Zweck mit logischer<lb/> Strenge ausdrückt, sein Material, also das Holz, ehrlich zeigt, als Fläche sowohl<lb/> wie in der Ausführung, wenn es endlich einheitlich und geordnet erscheint, über¬<lb/> sichtlich in seinen Umrissen, ein solches wird von selbst schön werden. Diese Schön¬<lb/> heit sei die vernunftgemäße, deu Gegenständen innewohnende, unterschieden von der<lb/> der Archäologen, die ihre Verminst unter einem Wust von Kenntnissen und Zeit-<lb/> Mvden begraben hätten. Alle fremden Teile eines Möbels, Schrauben, Schlösser usw.<lb/> müssen in dem Ganzen aufgehen, manchmal müssen sie sogar, wie die Haken eines<lb/> Kleiderständers, das Aussehe» des Möbels bestimmen, seinen Bau und seine Ein¬<lb/> teilung vorschreiben. Da die einzelnen Teile am sichersten mit der Schraube be¬<lb/> festigt werden, so kann sich van de Velde keinen denken, „dessen Leben und Logik<lb/> man nicht aus der Schraube herleiten müßte." Der Schranbenkopf, mag er glatt<lb/> "der rund sein, ist Mittelpunkt und Keim des Ornaments; man braucht dazu keiner<lb/> Anleihen aus der organischen Welt. „Ich glaube, daß der edelste Teil jeder<lb/> Ornamentik immer das Abstrakte sein wird." In den Formen eines Möbels sei<lb/> eine Art von ewigen Gesetzen zu entdecken. „Die Mittel, die ich anwende, sind<lb/> dieselben, wie die der ganz frühen und volkstümlichen Epochen des Kunstgewerbes;<lb/> uur weil ich begreife oder bewundre, wie einfach und logisch und schön der Bau<lb/> eines Schiffes, eines Gerüstes, eines Wagens oder eines Schubkarrens ist, bin ich<lb/> befähigt, einigen gesund gebliebner Menschen zu Gefallen zu arbeiten, die einsehen,<lb/> °"ß was an mir fremdartig scheint, aus der Anwendung von unanfechtbaren und<lb/> ^hergebrachten Grundsätzen hervorgegangen ist, aus einer Logik, die bedingungslos<lb/> und ohne Zaudern dem Zwecke nachgeht, und aus einer rückhaltlosen Offenheit in<lb/> Vezug auf die angewandten Mittel, die natürlich für jeden andern Stoff andre<lb/> sein müssen." stolzer als ans diesen für ihn selbstverständlichen Grundsatz des<lb/> streng logischen Arbeitens ist er auf einen zweiten, persönlicher«, nämlich systematisch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
Neue Knnstlitteratur
lischen bürgerlichen Baustil einführen, der mit der unseligen Tradition des italie¬
nischen Fasscidenschemns bricht. Dazu gehören die farbigen Thüren und Fenster.
Wo Farbe angewandt wird, kommt keinerlei Form dagegen auf. Aber deu fort¬
schrittlichen Architekten folgen die Anstreicher und machen alles steingrau oder Natur¬
farben, wie sie es auf ihren Schulen gelernt haben. Pastoren und Lehrer sollten
die Bewohner solcher Städte in dem Alten bestärken und gegen die Maurer- und
Malermeister schützen. „Denn mit dem einfachen koloristischen Hause, das sein Be¬
wohner durch eigenhändige Erneuerung des Anstrichs selber frisch und freundlich
zu halten imstande ist, schwindet der letzte Rest künstlerischer Kultur und die Freude
am Hanse und an der so wichtigen Blumenzucht, die hinter Holzfarben gestrichnen
Fensterrahmen erfahrungsgemäß zurückgeht." Die letzte» Ursachen des Übels liegen
ein der Erziehung der Architekten und Bauhandwerker. Es fehlt die Überzeugung,
daß es für die bürgerliche Architektur nicht auf die ornamentale Form, sondern auf
die Farbe ankommt. „Noch ist in den kleinen Städten und Dörfern im ganzen
Norden das Material vorhanden, um das Wesen des koloristischen bürgerlichen
Baustils kennen und empfinden zu lernen. Aber es ist schon die höchste Zeit, wenn
Wir nicht wieder einmal zu spät kommen wollen."
Henry van de Velde spricht sich über das Prinzip und den Aufbau seiner
bekannten modernen Möbel so klar ans, daß einige Mitteilungen daraus das Ver¬
ständnis dieser vielbesprochnen Gegenstände vielleicht mehr fördern, als was andre
darüber geschrieben haben. Er will nicht schaffen, was schön sein soll und doch
den Ansprüchen des Nutzens gehorchen muß, wie das in irgend einem historischen
Stil entworfne, nachgeahmte Möbel, sondern was vernunftgemäß ist in Sein und
Schein. Ein nützliches Hausgerät, wenn es seinen praktischen Zweck mit logischer
Strenge ausdrückt, sein Material, also das Holz, ehrlich zeigt, als Fläche sowohl
wie in der Ausführung, wenn es endlich einheitlich und geordnet erscheint, über¬
sichtlich in seinen Umrissen, ein solches wird von selbst schön werden. Diese Schön¬
heit sei die vernunftgemäße, deu Gegenständen innewohnende, unterschieden von der
der Archäologen, die ihre Verminst unter einem Wust von Kenntnissen und Zeit-
Mvden begraben hätten. Alle fremden Teile eines Möbels, Schrauben, Schlösser usw.
müssen in dem Ganzen aufgehen, manchmal müssen sie sogar, wie die Haken eines
Kleiderständers, das Aussehe» des Möbels bestimmen, seinen Bau und seine Ein¬
teilung vorschreiben. Da die einzelnen Teile am sichersten mit der Schraube be¬
festigt werden, so kann sich van de Velde keinen denken, „dessen Leben und Logik
man nicht aus der Schraube herleiten müßte." Der Schranbenkopf, mag er glatt
"der rund sein, ist Mittelpunkt und Keim des Ornaments; man braucht dazu keiner
Anleihen aus der organischen Welt. „Ich glaube, daß der edelste Teil jeder
Ornamentik immer das Abstrakte sein wird." In den Formen eines Möbels sei
eine Art von ewigen Gesetzen zu entdecken. „Die Mittel, die ich anwende, sind
dieselben, wie die der ganz frühen und volkstümlichen Epochen des Kunstgewerbes;
uur weil ich begreife oder bewundre, wie einfach und logisch und schön der Bau
eines Schiffes, eines Gerüstes, eines Wagens oder eines Schubkarrens ist, bin ich
befähigt, einigen gesund gebliebner Menschen zu Gefallen zu arbeiten, die einsehen,
°"ß was an mir fremdartig scheint, aus der Anwendung von unanfechtbaren und
^hergebrachten Grundsätzen hervorgegangen ist, aus einer Logik, die bedingungslos
und ohne Zaudern dem Zwecke nachgeht, und aus einer rückhaltlosen Offenheit in
Vezug auf die angewandten Mittel, die natürlich für jeden andern Stoff andre
sein müssen." stolzer als ans diesen für ihn selbstverständlichen Grundsatz des
streng logischen Arbeitens ist er auf einen zweiten, persönlicher«, nämlich systematisch
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