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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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verbesserter Smithiamsmus

Ertrag so geteilt wird, daß die darauf wirtschaftlich arbeitenden Subjekte ein
unveränderliches oder doch nur wenig veränderliches Fixum, der Inhaber des
juristischen Eigentumstitels aber den ganzen Rest erhält." Unter diesen Be¬
griff fallen weder der Kleinbauer noch die mittelalterliche Großgrundherrschaft;
denn jener ist Arbeiter und Eigentümer in einer Person, diese aber warf
dem Titulareigentümer einen festen oder wenig veränderlichen Zins ab, während
dem arbeitenden Bauer der Rest, also auch der Zuwachs verblieb. (Es war
dies die Grundeigentumsverfassung, die von der Zeit des Verfalls des Gro߬
grundbesitzes der fränkischen Zeit bis zu der Entstehung des modernen Ritter¬
guts vorwog. Der zum Hose gehörige und von diesem aus bewirtschaftete
Ackerfleck war klein. Das ganze übrige Herrenland war thatsächlich in den
Besitz der Bauern übergegangen und gehörte dem Herrn nur noch dem Namen
nach. Die Bauern hatten sich aus den Hörigen, die zu ungemessenen Diensten
verpflichtet gewesen waren, in Zinsbauern oder Erbpächter verwandelt. Der
Herr war nicht mehr Eigentümer, sondern nur noch Oberherr und Renten¬
empfänger; er war die mit einer festen Rente besoldete Obrigkeit der Bauern.)
Dagegen falle unter diesen Begriff jedes heutige Landgut, das verpachtet oder
mit Lohnarbeitern bewirtschaftet werde. "Der Tagelöhner des Großgrund¬
betriebes erhält seinen 8eg,mag,r<1 ok ins, und auch der Pächter auf die Dauer
nicht mehr als den stg-nclarcl ok ins seiner Klasse: alles aber, was dem Er¬
trage und mithin dem Werte des Bodens aus allgemein wirtschaftlichen Ver¬
hältnissen zuwächst: durch Vergrößerung der Kaufkraft des wachsenden Marktes,
Absinken der vom Produzenten zu tragenden Transportkosten, speziell Eisen¬
bahnbau, Kanalbauten, Handelsverkehr, Sinken des Zinsfußes, wissenschaftliche
Fortschritte usw., alles dies wächst dem Eigentümer zu." Bei dem Pächter
stimmt das doch wohl nicht ganz; mit dem pflegt der Eigentümer die Zuwachs¬
rente zu teilen; wollte dieser sie ganz an sich reißen, so würde er dadurch alle
Meliorationen verhindern und damit den Zuwachs vernichten. So sind die
englischen Grundherren wohl mit den irischen Kleinpächtern verfahren, aber
gewiß nicht mit den englischen Großpüchtern, und der preußische Domänen-
fiskuS verfährt mit seinen Pächtern schon lange nicht so. Übrigens muß der
Großpüchter, den Oppenheimer hier als ein Opfer des ausbeutenden Gro߬
grundbesitzers darstellt, seiner Theorie nach selbst schon als eine unberechtigte
Existenz betrachtet werden, da er ja Lohnarbeiter beschäftigt, die nicht besser
gestellt sind, als die des selbstwirtschaftenden Besitzers, er also ein "ausbeutender"
Unternehmer ist.

Am Schlüsse der "Pathologie des sozialen Körpers der Tauschwirtschaft"
kommt er noch einmal auf den Kernpunkt seines Buches "Siedlungsgenossen-
schaften" zurück. Er hat dort gezeigt, wie es komme, daß zwar Konsumvereine,
nicht aber Produktivgenossenschaften gedeihen. Jene sind Vereine von Käufern.
Das Interesse des Käufers ist, wohlfeil einzukaufen, und dieses Interesse wird
weder durch die Vermehrung der Mitgliederzahl eines solchen Vereins, noch


verbesserter Smithiamsmus

Ertrag so geteilt wird, daß die darauf wirtschaftlich arbeitenden Subjekte ein
unveränderliches oder doch nur wenig veränderliches Fixum, der Inhaber des
juristischen Eigentumstitels aber den ganzen Rest erhält." Unter diesen Be¬
griff fallen weder der Kleinbauer noch die mittelalterliche Großgrundherrschaft;
denn jener ist Arbeiter und Eigentümer in einer Person, diese aber warf
dem Titulareigentümer einen festen oder wenig veränderlichen Zins ab, während
dem arbeitenden Bauer der Rest, also auch der Zuwachs verblieb. (Es war
dies die Grundeigentumsverfassung, die von der Zeit des Verfalls des Gro߬
grundbesitzes der fränkischen Zeit bis zu der Entstehung des modernen Ritter¬
guts vorwog. Der zum Hose gehörige und von diesem aus bewirtschaftete
Ackerfleck war klein. Das ganze übrige Herrenland war thatsächlich in den
Besitz der Bauern übergegangen und gehörte dem Herrn nur noch dem Namen
nach. Die Bauern hatten sich aus den Hörigen, die zu ungemessenen Diensten
verpflichtet gewesen waren, in Zinsbauern oder Erbpächter verwandelt. Der
Herr war nicht mehr Eigentümer, sondern nur noch Oberherr und Renten¬
empfänger; er war die mit einer festen Rente besoldete Obrigkeit der Bauern.)
Dagegen falle unter diesen Begriff jedes heutige Landgut, das verpachtet oder
mit Lohnarbeitern bewirtschaftet werde. „Der Tagelöhner des Großgrund¬
betriebes erhält seinen 8eg,mag,r<1 ok ins, und auch der Pächter auf die Dauer
nicht mehr als den stg-nclarcl ok ins seiner Klasse: alles aber, was dem Er¬
trage und mithin dem Werte des Bodens aus allgemein wirtschaftlichen Ver¬
hältnissen zuwächst: durch Vergrößerung der Kaufkraft des wachsenden Marktes,
Absinken der vom Produzenten zu tragenden Transportkosten, speziell Eisen¬
bahnbau, Kanalbauten, Handelsverkehr, Sinken des Zinsfußes, wissenschaftliche
Fortschritte usw., alles dies wächst dem Eigentümer zu." Bei dem Pächter
stimmt das doch wohl nicht ganz; mit dem pflegt der Eigentümer die Zuwachs¬
rente zu teilen; wollte dieser sie ganz an sich reißen, so würde er dadurch alle
Meliorationen verhindern und damit den Zuwachs vernichten. So sind die
englischen Grundherren wohl mit den irischen Kleinpächtern verfahren, aber
gewiß nicht mit den englischen Großpüchtern, und der preußische Domänen-
fiskuS verfährt mit seinen Pächtern schon lange nicht so. Übrigens muß der
Großpüchter, den Oppenheimer hier als ein Opfer des ausbeutenden Gro߬
grundbesitzers darstellt, seiner Theorie nach selbst schon als eine unberechtigte
Existenz betrachtet werden, da er ja Lohnarbeiter beschäftigt, die nicht besser
gestellt sind, als die des selbstwirtschaftenden Besitzers, er also ein „ausbeutender"
Unternehmer ist.

Am Schlüsse der „Pathologie des sozialen Körpers der Tauschwirtschaft"
kommt er noch einmal auf den Kernpunkt seines Buches „Siedlungsgenossen-
schaften" zurück. Er hat dort gezeigt, wie es komme, daß zwar Konsumvereine,
nicht aber Produktivgenossenschaften gedeihen. Jene sind Vereine von Käufern.
Das Interesse des Käufers ist, wohlfeil einzukaufen, und dieses Interesse wird
weder durch die Vermehrung der Mitgliederzahl eines solchen Vereins, noch


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[0358] verbesserter Smithiamsmus Ertrag so geteilt wird, daß die darauf wirtschaftlich arbeitenden Subjekte ein unveränderliches oder doch nur wenig veränderliches Fixum, der Inhaber des juristischen Eigentumstitels aber den ganzen Rest erhält." Unter diesen Be¬ griff fallen weder der Kleinbauer noch die mittelalterliche Großgrundherrschaft; denn jener ist Arbeiter und Eigentümer in einer Person, diese aber warf dem Titulareigentümer einen festen oder wenig veränderlichen Zins ab, während dem arbeitenden Bauer der Rest, also auch der Zuwachs verblieb. (Es war dies die Grundeigentumsverfassung, die von der Zeit des Verfalls des Gro߬ grundbesitzes der fränkischen Zeit bis zu der Entstehung des modernen Ritter¬ guts vorwog. Der zum Hose gehörige und von diesem aus bewirtschaftete Ackerfleck war klein. Das ganze übrige Herrenland war thatsächlich in den Besitz der Bauern übergegangen und gehörte dem Herrn nur noch dem Namen nach. Die Bauern hatten sich aus den Hörigen, die zu ungemessenen Diensten verpflichtet gewesen waren, in Zinsbauern oder Erbpächter verwandelt. Der Herr war nicht mehr Eigentümer, sondern nur noch Oberherr und Renten¬ empfänger; er war die mit einer festen Rente besoldete Obrigkeit der Bauern.) Dagegen falle unter diesen Begriff jedes heutige Landgut, das verpachtet oder mit Lohnarbeitern bewirtschaftet werde. „Der Tagelöhner des Großgrund¬ betriebes erhält seinen 8eg,mag,r<1 ok ins, und auch der Pächter auf die Dauer nicht mehr als den stg-nclarcl ok ins seiner Klasse: alles aber, was dem Er¬ trage und mithin dem Werte des Bodens aus allgemein wirtschaftlichen Ver¬ hältnissen zuwächst: durch Vergrößerung der Kaufkraft des wachsenden Marktes, Absinken der vom Produzenten zu tragenden Transportkosten, speziell Eisen¬ bahnbau, Kanalbauten, Handelsverkehr, Sinken des Zinsfußes, wissenschaftliche Fortschritte usw., alles dies wächst dem Eigentümer zu." Bei dem Pächter stimmt das doch wohl nicht ganz; mit dem pflegt der Eigentümer die Zuwachs¬ rente zu teilen; wollte dieser sie ganz an sich reißen, so würde er dadurch alle Meliorationen verhindern und damit den Zuwachs vernichten. So sind die englischen Grundherren wohl mit den irischen Kleinpächtern verfahren, aber gewiß nicht mit den englischen Großpüchtern, und der preußische Domänen- fiskuS verfährt mit seinen Pächtern schon lange nicht so. Übrigens muß der Großpüchter, den Oppenheimer hier als ein Opfer des ausbeutenden Gro߬ grundbesitzers darstellt, seiner Theorie nach selbst schon als eine unberechtigte Existenz betrachtet werden, da er ja Lohnarbeiter beschäftigt, die nicht besser gestellt sind, als die des selbstwirtschaftenden Besitzers, er also ein „ausbeutender" Unternehmer ist. Am Schlüsse der „Pathologie des sozialen Körpers der Tauschwirtschaft" kommt er noch einmal auf den Kernpunkt seines Buches „Siedlungsgenossen- schaften" zurück. Er hat dort gezeigt, wie es komme, daß zwar Konsumvereine, nicht aber Produktivgenossenschaften gedeihen. Jene sind Vereine von Käufern. Das Interesse des Käufers ist, wohlfeil einzukaufen, und dieses Interesse wird weder durch die Vermehrung der Mitgliederzahl eines solchen Vereins, noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/358>, abgerufen am 12.12.2024.