Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.von Weißenburg bis lNetz Grenzbahnhofe, bis zu dem die französischen Züge und Beamten Verkehren, von Weißenburg bis lNetz Grenzbahnhofe, bis zu dem die französischen Züge und Beamten Verkehren, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229300"/> <fw type="header" place="top"> von Weißenburg bis lNetz</fw><lb/> <p xml:id="ID_954" prev="#ID_953"> Grenzbahnhofe, bis zu dem die französischen Züge und Beamten Verkehren,<lb/> und der an der Stelle der 1870 zerstörten neu errichteten Kirche. Abteilungen<lb/> vom Schleswig-holsteinischen Dragonerregiment, die schon im Waldthale und<lb/> nun wieder hier biwakirten, gaben dem Bilde ein entsprechendes kriegerisches<lb/> Gepräge; es handelte sich um eine Belagerungsübung. Von Amcmweiler, dem<lb/> Stützpunkte des französischen Zentrums, geht die Straße schnurgerade über<lb/> die Hochebne nach Se. Privat-la-Montagne blutigen Angedenkens. Ein frischer<lb/> Wind blies über die offnen Flachen, anders als am 18. August 1870, wo eine<lb/> schwüle Hitze unter leicht verschleiertem Himmel über dieser Ebne brütete. Am<lb/> Eingange des Dorfes ragt die neue große Kirche auf. Es ist ein echt franzö¬<lb/> sisches Dorf, im wesentlichen aus zwei sich rechtwinklig kreuzenden breiten Gassen<lb/> bestehend; die Häuser sind zum Teil neu aufgebaut, aber in der alten Weise,<lb/> nur die nach innen etwas aufsteigende Hauptstraße ist dabei verbreitert worden.<lb/> Aber mit erschütternder Mahnung spricht von jenem Schreckenstage der alte,<lb/> mitten im Dorfe gelegne Friedhof. Er ist jetzt verödet, denn die alte, einfache<lb/> Kirche, die hier stand, ging am Schlachttage in Flammen auf, die Umfassungs¬<lb/> mauern sind verfallen, und nur ein Kreuz über dem Steinportale verrät die<lb/> alte Bedeutung des Platzes. Hier war es, wo sich Hunderte von Franzosen<lb/> den stürmenden Garden ergaben. Wenige hundert Schritt weiter am Eingange<lb/> des Dorfes haben die gefallnen Helden vom Kaiser Franz-Gardegrenadierregi¬<lb/> ment auf einem besondern Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden — davor<lb/> lagerte heute ein Zug Dragoner —, und vor dem Dorfe, da, wo die Sachsen<lb/> eindrangen und der General von Craushaar an der Spitze seiner Division fiel,<lb/> erhebt sich das schöne „Sachsendenkmal," eine kurze abgestumpfte Pyramide<lb/> mit einem hohen mittelalterlichen Helm darauf. Die Rückseite zeigt die In¬<lb/> schrift: „Sei getreu bis an den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens<lb/> geben." Auch das Gardekorps hat seinen Toten ein großes Gesamtdenkmal<lb/> gesetzt, den Kaiserin-Augustaturm südwestlich vom Dorfe. Er gewährt den<lb/> weitesten Überblick. Es ist gar kein Abhang, der sich da von Se. Privat nach<lb/> Westen hinuntersenkt, sondern das sich ganz flach abdachende Glacis einer<lb/> Festung, völlig baumlos und also schutzlos, mit reichen Weizenfluren bedeckt.<lb/> Zwischendurch führt die wieder schnurgerade Pappelstraße nach Se. Marie aux<lb/> Chenes hinab, das etwa eine halbe Stunde entfernt ist; der Niveauunterschied auf<lb/> dieser Strecke beträgt im Durchschnitt nicht mehr als etwa siebzig Meter. Gerade<lb/> nordwärts liegt etwas näher auf derselben Höhe mit Se. Privat Noncourt,<lb/> der Stützpunkt des äußersten rechten französischen Flügels, noch weiter darüber<lb/> hinaus nordöstlich Malancourt, nordnordwestlich Montois la Montagne.<lb/> Während ostwärts im Rücken dieser Aufstellung die gleichmäßigen dunkeln<lb/> Linien des Laubwaldes den Horizont abschließen, schweift nach Westen hin der<lb/> Blick ungehemmt über ein freies, sich in flachen, langen Wellen ausbreitendes<lb/> Gelände bis weit in das französische Lothringen hinein, wo dann ganz im<lb/> Hintergrunde in blauer Ferne wieder Waldungen die Aussicht begrenzen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
von Weißenburg bis lNetz
Grenzbahnhofe, bis zu dem die französischen Züge und Beamten Verkehren,
und der an der Stelle der 1870 zerstörten neu errichteten Kirche. Abteilungen
vom Schleswig-holsteinischen Dragonerregiment, die schon im Waldthale und
nun wieder hier biwakirten, gaben dem Bilde ein entsprechendes kriegerisches
Gepräge; es handelte sich um eine Belagerungsübung. Von Amcmweiler, dem
Stützpunkte des französischen Zentrums, geht die Straße schnurgerade über
die Hochebne nach Se. Privat-la-Montagne blutigen Angedenkens. Ein frischer
Wind blies über die offnen Flachen, anders als am 18. August 1870, wo eine
schwüle Hitze unter leicht verschleiertem Himmel über dieser Ebne brütete. Am
Eingange des Dorfes ragt die neue große Kirche auf. Es ist ein echt franzö¬
sisches Dorf, im wesentlichen aus zwei sich rechtwinklig kreuzenden breiten Gassen
bestehend; die Häuser sind zum Teil neu aufgebaut, aber in der alten Weise,
nur die nach innen etwas aufsteigende Hauptstraße ist dabei verbreitert worden.
Aber mit erschütternder Mahnung spricht von jenem Schreckenstage der alte,
mitten im Dorfe gelegne Friedhof. Er ist jetzt verödet, denn die alte, einfache
Kirche, die hier stand, ging am Schlachttage in Flammen auf, die Umfassungs¬
mauern sind verfallen, und nur ein Kreuz über dem Steinportale verrät die
alte Bedeutung des Platzes. Hier war es, wo sich Hunderte von Franzosen
den stürmenden Garden ergaben. Wenige hundert Schritt weiter am Eingange
des Dorfes haben die gefallnen Helden vom Kaiser Franz-Gardegrenadierregi¬
ment auf einem besondern Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden — davor
lagerte heute ein Zug Dragoner —, und vor dem Dorfe, da, wo die Sachsen
eindrangen und der General von Craushaar an der Spitze seiner Division fiel,
erhebt sich das schöne „Sachsendenkmal," eine kurze abgestumpfte Pyramide
mit einem hohen mittelalterlichen Helm darauf. Die Rückseite zeigt die In¬
schrift: „Sei getreu bis an den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens
geben." Auch das Gardekorps hat seinen Toten ein großes Gesamtdenkmal
gesetzt, den Kaiserin-Augustaturm südwestlich vom Dorfe. Er gewährt den
weitesten Überblick. Es ist gar kein Abhang, der sich da von Se. Privat nach
Westen hinuntersenkt, sondern das sich ganz flach abdachende Glacis einer
Festung, völlig baumlos und also schutzlos, mit reichen Weizenfluren bedeckt.
Zwischendurch führt die wieder schnurgerade Pappelstraße nach Se. Marie aux
Chenes hinab, das etwa eine halbe Stunde entfernt ist; der Niveauunterschied auf
dieser Strecke beträgt im Durchschnitt nicht mehr als etwa siebzig Meter. Gerade
nordwärts liegt etwas näher auf derselben Höhe mit Se. Privat Noncourt,
der Stützpunkt des äußersten rechten französischen Flügels, noch weiter darüber
hinaus nordöstlich Malancourt, nordnordwestlich Montois la Montagne.
Während ostwärts im Rücken dieser Aufstellung die gleichmäßigen dunkeln
Linien des Laubwaldes den Horizont abschließen, schweift nach Westen hin der
Blick ungehemmt über ein freies, sich in flachen, langen Wellen ausbreitendes
Gelände bis weit in das französische Lothringen hinein, wo dann ganz im
Hintergrunde in blauer Ferne wieder Waldungen die Aussicht begrenzen.
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