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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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von rveißenburg bis Metz

Toten aber, namentlich solche, die später ihren Wunden erlegen sind, haben
ihre Ruhestätte auf einem besondern Friedhofe gefunden, im "Ehrenthal" am
Fuße des Exerzierplatzes westlich von der Straße. Es ist eine ansehnliche
Anlage am Höhenrande, überragt von einer Germania, die inmitten einer Nosen-
flur den Siegeskranz über die Grabstätten unter ihr hält. Denkmäler für ganze
Truppenteile (z. B. das 53. Regiment) und für einzelne Mitkämpfer, auch für
solche, die erst jahrelang nach der Schlacht gestorben und inmitten ihrer ehe¬
maligen Kameraden beigesetzt worden sind, wechseln mit einander und mit namen¬
losen Massengräbern ab. Unter ihnen ruht auch Katharina Weißgerber, das
tapfere Dienstmädchen, das im Sonnenbrande des 6. August den fechtenden
Landsleuten bis ins Granatfeuer hinein Erquickungen zutrug und Verwundete
zurückbringen half. Sie starb am Jahrestage der Schlacht, am 6. August 1886,
und wurde auf Kosten der Stadtgemeinde Saarbrücken im Ehrenthal beigesetzt.
In ihr ehrte sich die Stadt selbst, denn ihre Bevölkerung hatte dicht vor dem
Feinde in den schweren Wochen seit dem 19. Juli und dann am blutigen
6. August dieselbe aufopfernde Vaterlandsliebe bewiesen, und es war eine ver¬
diente Anerkennung, daß ihr Kaiser Wilhelm I. die schönen Gemälde in ihren
Rathaussaal und den preußischen Adler in ihr Wappen schenkte.

Die Schlacht bei Saarbrücken öffnete den deutschen Heeren Lothringen.
Schon am 9. August zog König Wilhelm in Saarbrücken ein, am 11. über¬
schritt er die Grenze, und in ununterbrochnem Zügen wälzten sich tagelang die
deutschen Heeresmassen nach Lothringen hinein. Es ist ein grünes, frucht¬
bares Flachland, von einzelnen Waldparzellen und zahlreichen Ortschaften besetzt.
Hier hat die deutsche Verwaltung auch darin scharf durchgegriffen, daß sie im
deutschen Sprachgebiet die alten deutschen Ortsnamen überall an Stelle der
verwelschten wiederhergestellt hat und nur diese amtlich braucht. Es heißt
also Hertingen für Herry, Falkenberg statt Faucqnemont, Finstingen statt
Fenetrcmge, Groß-Tännchen für Grand-Tenqnin, Saargemünd für Sarre-
guemines u. a. in. Dagegen hat sie im französischen Sprachgebiet die fran¬
zösischen Ortsnamen fast immer unverändert gelassen. Dieses Gebiet beginnt
indes erst wenige Meilen östlich von Metz, und hier zeigt auch die Bauart der
Dörfer sofort ein andres Volkstum: die breite Dorfgasse, die stadtartig ge¬
schlossene Häuserreihe, das getünchte einstöckige Steinhaus mit der Langseite
nach der Straße und nur wenigen großen Fenstern unter breitem, flachem
Ziegeldach, davor der Düngerhaufen, aber selten ein Garten, das Ganze oft
schadhaft, unfreundlich, wenig einladend. Metz selbst verrät sich dem von Osten
kommenden zuerst durch die grünen Wälle des Forts Goben (Quenten) auf
flacher Anhöhe; dann senkt sich die Eisenbahn in das breite Moselthal hinunter,
und plötzlich entfaltet sich in ganzer Ausdehnung ein imposantes Stadtbild:
ewe langgestreckte helle Häusermasse, darüber, alles hoch überragend, der mächtige
Dom. Ein großartiger Bahnhof vor den Wällen nimmt hen Ankömmling in


Grenzboten IV18K84I
von rveißenburg bis Metz

Toten aber, namentlich solche, die später ihren Wunden erlegen sind, haben
ihre Ruhestätte auf einem besondern Friedhofe gefunden, im „Ehrenthal" am
Fuße des Exerzierplatzes westlich von der Straße. Es ist eine ansehnliche
Anlage am Höhenrande, überragt von einer Germania, die inmitten einer Nosen-
flur den Siegeskranz über die Grabstätten unter ihr hält. Denkmäler für ganze
Truppenteile (z. B. das 53. Regiment) und für einzelne Mitkämpfer, auch für
solche, die erst jahrelang nach der Schlacht gestorben und inmitten ihrer ehe¬
maligen Kameraden beigesetzt worden sind, wechseln mit einander und mit namen¬
losen Massengräbern ab. Unter ihnen ruht auch Katharina Weißgerber, das
tapfere Dienstmädchen, das im Sonnenbrande des 6. August den fechtenden
Landsleuten bis ins Granatfeuer hinein Erquickungen zutrug und Verwundete
zurückbringen half. Sie starb am Jahrestage der Schlacht, am 6. August 1886,
und wurde auf Kosten der Stadtgemeinde Saarbrücken im Ehrenthal beigesetzt.
In ihr ehrte sich die Stadt selbst, denn ihre Bevölkerung hatte dicht vor dem
Feinde in den schweren Wochen seit dem 19. Juli und dann am blutigen
6. August dieselbe aufopfernde Vaterlandsliebe bewiesen, und es war eine ver¬
diente Anerkennung, daß ihr Kaiser Wilhelm I. die schönen Gemälde in ihren
Rathaussaal und den preußischen Adler in ihr Wappen schenkte.

Die Schlacht bei Saarbrücken öffnete den deutschen Heeren Lothringen.
Schon am 9. August zog König Wilhelm in Saarbrücken ein, am 11. über¬
schritt er die Grenze, und in ununterbrochnem Zügen wälzten sich tagelang die
deutschen Heeresmassen nach Lothringen hinein. Es ist ein grünes, frucht¬
bares Flachland, von einzelnen Waldparzellen und zahlreichen Ortschaften besetzt.
Hier hat die deutsche Verwaltung auch darin scharf durchgegriffen, daß sie im
deutschen Sprachgebiet die alten deutschen Ortsnamen überall an Stelle der
verwelschten wiederhergestellt hat und nur diese amtlich braucht. Es heißt
also Hertingen für Herry, Falkenberg statt Faucqnemont, Finstingen statt
Fenetrcmge, Groß-Tännchen für Grand-Tenqnin, Saargemünd für Sarre-
guemines u. a. in. Dagegen hat sie im französischen Sprachgebiet die fran¬
zösischen Ortsnamen fast immer unverändert gelassen. Dieses Gebiet beginnt
indes erst wenige Meilen östlich von Metz, und hier zeigt auch die Bauart der
Dörfer sofort ein andres Volkstum: die breite Dorfgasse, die stadtartig ge¬
schlossene Häuserreihe, das getünchte einstöckige Steinhaus mit der Langseite
nach der Straße und nur wenigen großen Fenstern unter breitem, flachem
Ziegeldach, davor der Düngerhaufen, aber selten ein Garten, das Ganze oft
schadhaft, unfreundlich, wenig einladend. Metz selbst verrät sich dem von Osten
kommenden zuerst durch die grünen Wälle des Forts Goben (Quenten) auf
flacher Anhöhe; dann senkt sich die Eisenbahn in das breite Moselthal hinunter,
und plötzlich entfaltet sich in ganzer Ausdehnung ein imposantes Stadtbild:
ewe langgestreckte helle Häusermasse, darüber, alles hoch überragend, der mächtige
Dom. Ein großartiger Bahnhof vor den Wällen nimmt hen Ankömmling in


Grenzboten IV18K84I
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[0348] von rveißenburg bis Metz Toten aber, namentlich solche, die später ihren Wunden erlegen sind, haben ihre Ruhestätte auf einem besondern Friedhofe gefunden, im „Ehrenthal" am Fuße des Exerzierplatzes westlich von der Straße. Es ist eine ansehnliche Anlage am Höhenrande, überragt von einer Germania, die inmitten einer Nosen- flur den Siegeskranz über die Grabstätten unter ihr hält. Denkmäler für ganze Truppenteile (z. B. das 53. Regiment) und für einzelne Mitkämpfer, auch für solche, die erst jahrelang nach der Schlacht gestorben und inmitten ihrer ehe¬ maligen Kameraden beigesetzt worden sind, wechseln mit einander und mit namen¬ losen Massengräbern ab. Unter ihnen ruht auch Katharina Weißgerber, das tapfere Dienstmädchen, das im Sonnenbrande des 6. August den fechtenden Landsleuten bis ins Granatfeuer hinein Erquickungen zutrug und Verwundete zurückbringen half. Sie starb am Jahrestage der Schlacht, am 6. August 1886, und wurde auf Kosten der Stadtgemeinde Saarbrücken im Ehrenthal beigesetzt. In ihr ehrte sich die Stadt selbst, denn ihre Bevölkerung hatte dicht vor dem Feinde in den schweren Wochen seit dem 19. Juli und dann am blutigen 6. August dieselbe aufopfernde Vaterlandsliebe bewiesen, und es war eine ver¬ diente Anerkennung, daß ihr Kaiser Wilhelm I. die schönen Gemälde in ihren Rathaussaal und den preußischen Adler in ihr Wappen schenkte. Die Schlacht bei Saarbrücken öffnete den deutschen Heeren Lothringen. Schon am 9. August zog König Wilhelm in Saarbrücken ein, am 11. über¬ schritt er die Grenze, und in ununterbrochnem Zügen wälzten sich tagelang die deutschen Heeresmassen nach Lothringen hinein. Es ist ein grünes, frucht¬ bares Flachland, von einzelnen Waldparzellen und zahlreichen Ortschaften besetzt. Hier hat die deutsche Verwaltung auch darin scharf durchgegriffen, daß sie im deutschen Sprachgebiet die alten deutschen Ortsnamen überall an Stelle der verwelschten wiederhergestellt hat und nur diese amtlich braucht. Es heißt also Hertingen für Herry, Falkenberg statt Faucqnemont, Finstingen statt Fenetrcmge, Groß-Tännchen für Grand-Tenqnin, Saargemünd für Sarre- guemines u. a. in. Dagegen hat sie im französischen Sprachgebiet die fran¬ zösischen Ortsnamen fast immer unverändert gelassen. Dieses Gebiet beginnt indes erst wenige Meilen östlich von Metz, und hier zeigt auch die Bauart der Dörfer sofort ein andres Volkstum: die breite Dorfgasse, die stadtartig ge¬ schlossene Häuserreihe, das getünchte einstöckige Steinhaus mit der Langseite nach der Straße und nur wenigen großen Fenstern unter breitem, flachem Ziegeldach, davor der Düngerhaufen, aber selten ein Garten, das Ganze oft schadhaft, unfreundlich, wenig einladend. Metz selbst verrät sich dem von Osten kommenden zuerst durch die grünen Wälle des Forts Goben (Quenten) auf flacher Anhöhe; dann senkt sich die Eisenbahn in das breite Moselthal hinunter, und plötzlich entfaltet sich in ganzer Ausdehnung ein imposantes Stadtbild: ewe langgestreckte helle Häusermasse, darüber, alles hoch überragend, der mächtige Dom. Ein großartiger Bahnhof vor den Wällen nimmt hen Ankömmling in Grenzboten IV18K84I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/348>, abgerufen am 24.07.2024.