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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Epoche der südafrikanischen Völkerwanderung

sollte als die ihre, mit der der Buren. Die Ausbreitung der Buren vollzog
sich in zwei Richtungen, nach Norden und nach Nordosten, in völlig getrennter
Form. Nach Norden wanderten die Bastards. Die Buren waren vielfach mit
Hottentottenmädchen Verbindungen eingegangen, aus denen eine Mischrasse
entstand. Diese Bastards waren ihren weißen Vätern verhaßt, sie wurden
verstoßen und wanderten nach Norden über den Oranje in das Gebiet des
jetzigen Deutschsüdwestafrika. Christen geworden, eroberten sie sich in lang¬
jährigen, heißen Kämpfen gegen die Herero ihre neuen Wohnsitze; sie fühlten
sich als Herren des Landes und setzten sich in diesem Glauben auch späterhin
hartnäckig gegen die Deutschen zur Wehr, wie die Kämpfe der Witbois gegen
unsre Schutztruppe lehren. Einen Anstoß zu größern Wanderungen ein-
geborner Völkerschaften hat ihre Sezession nicht gegeben. Die Westküste Afrikas
in diesen Vreitegraden ist vor ernstern Völkerstörungeu bewahrt geblieben, auch
deshalb, weil sie schon in europäischen Händen war.

Weit ernstere Folgen hatte die Wanderung der Buren selbst. Aus politischen
Gründen unternahmen die Kaplandburen im Jahre 1836 ihren ersten großen
Treck nach Nordosten. Sehr bald stießen sie ans die Avantgarden der Bauen,
nämlich die Zulustämme, die sich dem Regimente Tschatas nicht hatten unter¬
werfen wollen, fondern sich vom Hauptstamme losgesagt und eigne Weidc-
gründe aufgesucht hatten. Unter diesen Unzufriednen ragte als gefährlichster
Zuluhäuptling der tapfre aber blutdürstige Mosilikatse hervor. Er unternahm
den ersten Vorstoß gegen die Burenzüge, wurde aber nach langen ernsten
Kämpfen besiegt. Sein Nachfolger, Lo Vengula, wurde mit seinen Horden
nordwärts gedrängt und eroberte bei dieser rückläufigen Bewegung das Mata-
beleland. Von seinein Stamme splitterten dann wieder einzelne Teile ab, die,
wie wir sehen werden, das Zwischenseegebiet beunruhigten. Das Schicksal,
das Lo Vengula den benachbarten Völkern bereitete, wurde ihm selbst zu teil:
seine Scharen erlagen dem Beutezug der englischen Chartered Company,
deren Maximgeschütze die Reihen der Zulukrieger furchtbar lichteten. Nun hat
Albion seine schwere Hand auf die Länder vom Kap bis zum Nyassa gelegt,
und damit dürfte eine erneute Wanderung der Zulu ausgeschlossen sein. Aber
es hat große Opfer gefordert, bis die Kernstämme der Kaffern zur Ruhe ge¬
bracht wurden. Diese kraftvollen Stämme betrachteten die weißen Eindring¬
linge als ihre geschwornen Feinde. Von dem Jahre 1838 an, in dem Tschatas
Nachfolger, Dingaan, eine Schar von Buren, die mit ihm Vertrage schließen
wollten, meuchlings ermorden ließ, bis auf die jüngste Zeit hat die Zuluflut
die Burenstaaten so manchesmal an den Rand des Verderbens gebracht, und
Englands Kaffernkriege sind mit blutigen Ziffern in der Geschichte verzeichnet.
Gebrochen ist die Kraft des kriegerischen Volkes noch immer nicht, dieser Tage
"och kam die Meldung, daß die beiden Burenstaaten ernste Rüstungen gegen
die schwarzen Erbfeinde betreiben müßten. Aber wenn die Zulustämme wieder


Die Epoche der südafrikanischen Völkerwanderung

sollte als die ihre, mit der der Buren. Die Ausbreitung der Buren vollzog
sich in zwei Richtungen, nach Norden und nach Nordosten, in völlig getrennter
Form. Nach Norden wanderten die Bastards. Die Buren waren vielfach mit
Hottentottenmädchen Verbindungen eingegangen, aus denen eine Mischrasse
entstand. Diese Bastards waren ihren weißen Vätern verhaßt, sie wurden
verstoßen und wanderten nach Norden über den Oranje in das Gebiet des
jetzigen Deutschsüdwestafrika. Christen geworden, eroberten sie sich in lang¬
jährigen, heißen Kämpfen gegen die Herero ihre neuen Wohnsitze; sie fühlten
sich als Herren des Landes und setzten sich in diesem Glauben auch späterhin
hartnäckig gegen die Deutschen zur Wehr, wie die Kämpfe der Witbois gegen
unsre Schutztruppe lehren. Einen Anstoß zu größern Wanderungen ein-
geborner Völkerschaften hat ihre Sezession nicht gegeben. Die Westküste Afrikas
in diesen Vreitegraden ist vor ernstern Völkerstörungeu bewahrt geblieben, auch
deshalb, weil sie schon in europäischen Händen war.

Weit ernstere Folgen hatte die Wanderung der Buren selbst. Aus politischen
Gründen unternahmen die Kaplandburen im Jahre 1836 ihren ersten großen
Treck nach Nordosten. Sehr bald stießen sie ans die Avantgarden der Bauen,
nämlich die Zulustämme, die sich dem Regimente Tschatas nicht hatten unter¬
werfen wollen, fondern sich vom Hauptstamme losgesagt und eigne Weidc-
gründe aufgesucht hatten. Unter diesen Unzufriednen ragte als gefährlichster
Zuluhäuptling der tapfre aber blutdürstige Mosilikatse hervor. Er unternahm
den ersten Vorstoß gegen die Burenzüge, wurde aber nach langen ernsten
Kämpfen besiegt. Sein Nachfolger, Lo Vengula, wurde mit seinen Horden
nordwärts gedrängt und eroberte bei dieser rückläufigen Bewegung das Mata-
beleland. Von seinein Stamme splitterten dann wieder einzelne Teile ab, die,
wie wir sehen werden, das Zwischenseegebiet beunruhigten. Das Schicksal,
das Lo Vengula den benachbarten Völkern bereitete, wurde ihm selbst zu teil:
seine Scharen erlagen dem Beutezug der englischen Chartered Company,
deren Maximgeschütze die Reihen der Zulukrieger furchtbar lichteten. Nun hat
Albion seine schwere Hand auf die Länder vom Kap bis zum Nyassa gelegt,
und damit dürfte eine erneute Wanderung der Zulu ausgeschlossen sein. Aber
es hat große Opfer gefordert, bis die Kernstämme der Kaffern zur Ruhe ge¬
bracht wurden. Diese kraftvollen Stämme betrachteten die weißen Eindring¬
linge als ihre geschwornen Feinde. Von dem Jahre 1838 an, in dem Tschatas
Nachfolger, Dingaan, eine Schar von Buren, die mit ihm Vertrage schließen
wollten, meuchlings ermorden ließ, bis auf die jüngste Zeit hat die Zuluflut
die Burenstaaten so manchesmal an den Rand des Verderbens gebracht, und
Englands Kaffernkriege sind mit blutigen Ziffern in der Geschichte verzeichnet.
Gebrochen ist die Kraft des kriegerischen Volkes noch immer nicht, dieser Tage
"och kam die Meldung, daß die beiden Burenstaaten ernste Rüstungen gegen
die schwarzen Erbfeinde betreiben müßten. Aber wenn die Zulustämme wieder


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[0344] Die Epoche der südafrikanischen Völkerwanderung sollte als die ihre, mit der der Buren. Die Ausbreitung der Buren vollzog sich in zwei Richtungen, nach Norden und nach Nordosten, in völlig getrennter Form. Nach Norden wanderten die Bastards. Die Buren waren vielfach mit Hottentottenmädchen Verbindungen eingegangen, aus denen eine Mischrasse entstand. Diese Bastards waren ihren weißen Vätern verhaßt, sie wurden verstoßen und wanderten nach Norden über den Oranje in das Gebiet des jetzigen Deutschsüdwestafrika. Christen geworden, eroberten sie sich in lang¬ jährigen, heißen Kämpfen gegen die Herero ihre neuen Wohnsitze; sie fühlten sich als Herren des Landes und setzten sich in diesem Glauben auch späterhin hartnäckig gegen die Deutschen zur Wehr, wie die Kämpfe der Witbois gegen unsre Schutztruppe lehren. Einen Anstoß zu größern Wanderungen ein- geborner Völkerschaften hat ihre Sezession nicht gegeben. Die Westküste Afrikas in diesen Vreitegraden ist vor ernstern Völkerstörungeu bewahrt geblieben, auch deshalb, weil sie schon in europäischen Händen war. Weit ernstere Folgen hatte die Wanderung der Buren selbst. Aus politischen Gründen unternahmen die Kaplandburen im Jahre 1836 ihren ersten großen Treck nach Nordosten. Sehr bald stießen sie ans die Avantgarden der Bauen, nämlich die Zulustämme, die sich dem Regimente Tschatas nicht hatten unter¬ werfen wollen, fondern sich vom Hauptstamme losgesagt und eigne Weidc- gründe aufgesucht hatten. Unter diesen Unzufriednen ragte als gefährlichster Zuluhäuptling der tapfre aber blutdürstige Mosilikatse hervor. Er unternahm den ersten Vorstoß gegen die Burenzüge, wurde aber nach langen ernsten Kämpfen besiegt. Sein Nachfolger, Lo Vengula, wurde mit seinen Horden nordwärts gedrängt und eroberte bei dieser rückläufigen Bewegung das Mata- beleland. Von seinein Stamme splitterten dann wieder einzelne Teile ab, die, wie wir sehen werden, das Zwischenseegebiet beunruhigten. Das Schicksal, das Lo Vengula den benachbarten Völkern bereitete, wurde ihm selbst zu teil: seine Scharen erlagen dem Beutezug der englischen Chartered Company, deren Maximgeschütze die Reihen der Zulukrieger furchtbar lichteten. Nun hat Albion seine schwere Hand auf die Länder vom Kap bis zum Nyassa gelegt, und damit dürfte eine erneute Wanderung der Zulu ausgeschlossen sein. Aber es hat große Opfer gefordert, bis die Kernstämme der Kaffern zur Ruhe ge¬ bracht wurden. Diese kraftvollen Stämme betrachteten die weißen Eindring¬ linge als ihre geschwornen Feinde. Von dem Jahre 1838 an, in dem Tschatas Nachfolger, Dingaan, eine Schar von Buren, die mit ihm Vertrage schließen wollten, meuchlings ermorden ließ, bis auf die jüngste Zeit hat die Zuluflut die Burenstaaten so manchesmal an den Rand des Verderbens gebracht, und Englands Kaffernkriege sind mit blutigen Ziffern in der Geschichte verzeichnet. Gebrochen ist die Kraft des kriegerischen Volkes noch immer nicht, dieser Tage "och kam die Meldung, daß die beiden Burenstaaten ernste Rüstungen gegen die schwarzen Erbfeinde betreiben müßten. Aber wenn die Zulustämme wieder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/344>, abgerufen am 12.12.2024.