Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Lxoche der südafrikanischen Völkerwanderung

gebracht hat. Man hat auf dem Grenzgebiet zwischen Ugogo und Unicimwesi
Spuren ehemaliger Besiedlung gefunden und geglaubt, diese Trümmer auf
neuere Grenzkriege zurückführen zu sollen. Vielleicht lehrt eine eingehendere
Untersuchung, daß diese Ruinen die Zeugen der frühern Blüte des Zwischen-
seegebietes sind. Es würde eine solche Entdeckung zugleich den frohen Aus¬
blick auf eine neue segensreiche Entwicklung unsrer Kolonie gewähren in der
Erkenntnis, daß nicht in der Natur des Landes, sondern in seiner geschicht¬
lichen Vergangenheit der Grund für die jetzige Schwäche unsers kolonialen
Schmerzenskindes zu suchen ist.

Die Wanderung der Kernbantu über den Zambesi hat dem Süden des
schwarzen Kontinents dauernd unruhige Zeiten gebracht. Nach Norden war
ein Ausweichen unmöglich, denn im äquatorialen Afrika, im Sudan, sperrten
die sich schnell bildenden mohammedanischen Reiche den Weg. So zog die
Masse der schwarzen Ungläubigen, die Kaffern, nach Süden über den Zambesi,
sie brachen in die Reiche der Hottentotten und Zwerge ein, warfen sie aus¬
einander und drängten sie nach Nordosten. Die Wanderung der Kaffern
vollzieht sich nicht in steter Folge. Jahrzehntelang rasten sie in einem Lande,
das ihnen wohl gefällt. Dann taucht von Zeit zu Zeit ein kriegerisches,
ehrgeiziges Talent unter ihnen auf, das die aus einander geratnen Stämme
wieder zusammenschweißt und sein Volk zu kriegerischem Nomadenleben zwingt.
Fast immer giebt die despotische Grausamkeit dieser schwarzen Napoleone bald
den Anlaß zu Sezessionen. Größere oder kleinere Teile des Gesamtvolkes
sondern sich unter der Führung oppositioneller Häuptlinge ab, suchen sich
eigne Weidegründe und führen dadurch, daß sie friedfertige Völker aufstören,
eine allgemeine Völkerbewegung im südlichen Afrika herbei.

Napoleonische Episoden scheinen die Eigentümlichkeit der Geschichte der
schwarzen und gelben Raffen zu sein. Diese Nassen sind ja nicht fähig, aus
sich selbst heraus eine dauernde fortschreitende Entwicklung zu nehmen; sie sind
ein Haufen Nullen, an dessen Spitze das Schicksal von Zeit zu Zeit eine Eins
zu stellen beliebt. Die für den Despotismus wie geschaffne Natur der mon¬
golischen wie der Negervölker neigt sich willig dem Gebot des bisweilen aus
ihnen erstehenden Helden, sie nimmt in wunderbar vollkommner Weise den
Geist ihres Cüsaren in sich auf, und da dieser Geist durchweg ehrgeiziger und
kriegerischer Natur ist, so sehen wir bald nach dem Erscheinen des Stammes¬
helden eine gewaltige Völkerflut sich dem Willen eines Einzelnen zuliebe über die
Lande ergießen und Not und Tod weithin verbreiten. Stirbt der Cäsar, dann
erstirbt sein Geist im Volke, das wieder in den alten Stumpfsinn zurücksinke.
war es mit Dschingiskhans jetzt verkommnem Mongolenstamme, so war es
""t dem Volke Tschakas, des südafrikanischen Napoleon.

Die Episode der Herrschaft dieses Zulufürsten ist von bestimmenden Ein¬
riß auf die Geschicke Südafrikas gewesen. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts


Die Lxoche der südafrikanischen Völkerwanderung

gebracht hat. Man hat auf dem Grenzgebiet zwischen Ugogo und Unicimwesi
Spuren ehemaliger Besiedlung gefunden und geglaubt, diese Trümmer auf
neuere Grenzkriege zurückführen zu sollen. Vielleicht lehrt eine eingehendere
Untersuchung, daß diese Ruinen die Zeugen der frühern Blüte des Zwischen-
seegebietes sind. Es würde eine solche Entdeckung zugleich den frohen Aus¬
blick auf eine neue segensreiche Entwicklung unsrer Kolonie gewähren in der
Erkenntnis, daß nicht in der Natur des Landes, sondern in seiner geschicht¬
lichen Vergangenheit der Grund für die jetzige Schwäche unsers kolonialen
Schmerzenskindes zu suchen ist.

Die Wanderung der Kernbantu über den Zambesi hat dem Süden des
schwarzen Kontinents dauernd unruhige Zeiten gebracht. Nach Norden war
ein Ausweichen unmöglich, denn im äquatorialen Afrika, im Sudan, sperrten
die sich schnell bildenden mohammedanischen Reiche den Weg. So zog die
Masse der schwarzen Ungläubigen, die Kaffern, nach Süden über den Zambesi,
sie brachen in die Reiche der Hottentotten und Zwerge ein, warfen sie aus¬
einander und drängten sie nach Nordosten. Die Wanderung der Kaffern
vollzieht sich nicht in steter Folge. Jahrzehntelang rasten sie in einem Lande,
das ihnen wohl gefällt. Dann taucht von Zeit zu Zeit ein kriegerisches,
ehrgeiziges Talent unter ihnen auf, das die aus einander geratnen Stämme
wieder zusammenschweißt und sein Volk zu kriegerischem Nomadenleben zwingt.
Fast immer giebt die despotische Grausamkeit dieser schwarzen Napoleone bald
den Anlaß zu Sezessionen. Größere oder kleinere Teile des Gesamtvolkes
sondern sich unter der Führung oppositioneller Häuptlinge ab, suchen sich
eigne Weidegründe und führen dadurch, daß sie friedfertige Völker aufstören,
eine allgemeine Völkerbewegung im südlichen Afrika herbei.

Napoleonische Episoden scheinen die Eigentümlichkeit der Geschichte der
schwarzen und gelben Raffen zu sein. Diese Nassen sind ja nicht fähig, aus
sich selbst heraus eine dauernde fortschreitende Entwicklung zu nehmen; sie sind
ein Haufen Nullen, an dessen Spitze das Schicksal von Zeit zu Zeit eine Eins
zu stellen beliebt. Die für den Despotismus wie geschaffne Natur der mon¬
golischen wie der Negervölker neigt sich willig dem Gebot des bisweilen aus
ihnen erstehenden Helden, sie nimmt in wunderbar vollkommner Weise den
Geist ihres Cüsaren in sich auf, und da dieser Geist durchweg ehrgeiziger und
kriegerischer Natur ist, so sehen wir bald nach dem Erscheinen des Stammes¬
helden eine gewaltige Völkerflut sich dem Willen eines Einzelnen zuliebe über die
Lande ergießen und Not und Tod weithin verbreiten. Stirbt der Cäsar, dann
erstirbt sein Geist im Volke, das wieder in den alten Stumpfsinn zurücksinke.
war es mit Dschingiskhans jetzt verkommnem Mongolenstamme, so war es
""t dem Volke Tschakas, des südafrikanischen Napoleon.

Die Episode der Herrschaft dieses Zulufürsten ist von bestimmenden Ein¬
riß auf die Geschicke Südafrikas gewesen. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229291"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Lxoche der südafrikanischen Völkerwanderung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_934" prev="#ID_933"> gebracht hat. Man hat auf dem Grenzgebiet zwischen Ugogo und Unicimwesi<lb/>
Spuren ehemaliger Besiedlung gefunden und geglaubt, diese Trümmer auf<lb/>
neuere Grenzkriege zurückführen zu sollen. Vielleicht lehrt eine eingehendere<lb/>
Untersuchung, daß diese Ruinen die Zeugen der frühern Blüte des Zwischen-<lb/>
seegebietes sind. Es würde eine solche Entdeckung zugleich den frohen Aus¬<lb/>
blick auf eine neue segensreiche Entwicklung unsrer Kolonie gewähren in der<lb/>
Erkenntnis, daß nicht in der Natur des Landes, sondern in seiner geschicht¬<lb/>
lichen Vergangenheit der Grund für die jetzige Schwäche unsers kolonialen<lb/>
Schmerzenskindes zu suchen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_935"> Die Wanderung der Kernbantu über den Zambesi hat dem Süden des<lb/>
schwarzen Kontinents dauernd unruhige Zeiten gebracht. Nach Norden war<lb/>
ein Ausweichen unmöglich, denn im äquatorialen Afrika, im Sudan, sperrten<lb/>
die sich schnell bildenden mohammedanischen Reiche den Weg. So zog die<lb/>
Masse der schwarzen Ungläubigen, die Kaffern, nach Süden über den Zambesi,<lb/>
sie brachen in die Reiche der Hottentotten und Zwerge ein, warfen sie aus¬<lb/>
einander und drängten sie nach Nordosten. Die Wanderung der Kaffern<lb/>
vollzieht sich nicht in steter Folge. Jahrzehntelang rasten sie in einem Lande,<lb/>
das ihnen wohl gefällt. Dann taucht von Zeit zu Zeit ein kriegerisches,<lb/>
ehrgeiziges Talent unter ihnen auf, das die aus einander geratnen Stämme<lb/>
wieder zusammenschweißt und sein Volk zu kriegerischem Nomadenleben zwingt.<lb/>
Fast immer giebt die despotische Grausamkeit dieser schwarzen Napoleone bald<lb/>
den Anlaß zu Sezessionen. Größere oder kleinere Teile des Gesamtvolkes<lb/>
sondern sich unter der Führung oppositioneller Häuptlinge ab, suchen sich<lb/>
eigne Weidegründe und führen dadurch, daß sie friedfertige Völker aufstören,<lb/>
eine allgemeine Völkerbewegung im südlichen Afrika herbei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_936"> Napoleonische Episoden scheinen die Eigentümlichkeit der Geschichte der<lb/>
schwarzen und gelben Raffen zu sein. Diese Nassen sind ja nicht fähig, aus<lb/>
sich selbst heraus eine dauernde fortschreitende Entwicklung zu nehmen; sie sind<lb/>
ein Haufen Nullen, an dessen Spitze das Schicksal von Zeit zu Zeit eine Eins<lb/>
zu stellen beliebt. Die für den Despotismus wie geschaffne Natur der mon¬<lb/>
golischen wie der Negervölker neigt sich willig dem Gebot des bisweilen aus<lb/>
ihnen erstehenden Helden, sie nimmt in wunderbar vollkommner Weise den<lb/>
Geist ihres Cüsaren in sich auf, und da dieser Geist durchweg ehrgeiziger und<lb/>
kriegerischer Natur ist, so sehen wir bald nach dem Erscheinen des Stammes¬<lb/>
helden eine gewaltige Völkerflut sich dem Willen eines Einzelnen zuliebe über die<lb/>
Lande ergießen und Not und Tod weithin verbreiten. Stirbt der Cäsar, dann<lb/>
erstirbt sein Geist im Volke, das wieder in den alten Stumpfsinn zurücksinke.<lb/>
war es mit Dschingiskhans jetzt verkommnem Mongolenstamme, so war es<lb/>
""t dem Volke Tschakas, des südafrikanischen Napoleon.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_937" next="#ID_938"> Die Episode der Herrschaft dieses Zulufürsten ist von bestimmenden Ein¬<lb/>
riß auf die Geschicke Südafrikas gewesen. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0342] Die Lxoche der südafrikanischen Völkerwanderung gebracht hat. Man hat auf dem Grenzgebiet zwischen Ugogo und Unicimwesi Spuren ehemaliger Besiedlung gefunden und geglaubt, diese Trümmer auf neuere Grenzkriege zurückführen zu sollen. Vielleicht lehrt eine eingehendere Untersuchung, daß diese Ruinen die Zeugen der frühern Blüte des Zwischen- seegebietes sind. Es würde eine solche Entdeckung zugleich den frohen Aus¬ blick auf eine neue segensreiche Entwicklung unsrer Kolonie gewähren in der Erkenntnis, daß nicht in der Natur des Landes, sondern in seiner geschicht¬ lichen Vergangenheit der Grund für die jetzige Schwäche unsers kolonialen Schmerzenskindes zu suchen ist. Die Wanderung der Kernbantu über den Zambesi hat dem Süden des schwarzen Kontinents dauernd unruhige Zeiten gebracht. Nach Norden war ein Ausweichen unmöglich, denn im äquatorialen Afrika, im Sudan, sperrten die sich schnell bildenden mohammedanischen Reiche den Weg. So zog die Masse der schwarzen Ungläubigen, die Kaffern, nach Süden über den Zambesi, sie brachen in die Reiche der Hottentotten und Zwerge ein, warfen sie aus¬ einander und drängten sie nach Nordosten. Die Wanderung der Kaffern vollzieht sich nicht in steter Folge. Jahrzehntelang rasten sie in einem Lande, das ihnen wohl gefällt. Dann taucht von Zeit zu Zeit ein kriegerisches, ehrgeiziges Talent unter ihnen auf, das die aus einander geratnen Stämme wieder zusammenschweißt und sein Volk zu kriegerischem Nomadenleben zwingt. Fast immer giebt die despotische Grausamkeit dieser schwarzen Napoleone bald den Anlaß zu Sezessionen. Größere oder kleinere Teile des Gesamtvolkes sondern sich unter der Führung oppositioneller Häuptlinge ab, suchen sich eigne Weidegründe und führen dadurch, daß sie friedfertige Völker aufstören, eine allgemeine Völkerbewegung im südlichen Afrika herbei. Napoleonische Episoden scheinen die Eigentümlichkeit der Geschichte der schwarzen und gelben Raffen zu sein. Diese Nassen sind ja nicht fähig, aus sich selbst heraus eine dauernde fortschreitende Entwicklung zu nehmen; sie sind ein Haufen Nullen, an dessen Spitze das Schicksal von Zeit zu Zeit eine Eins zu stellen beliebt. Die für den Despotismus wie geschaffne Natur der mon¬ golischen wie der Negervölker neigt sich willig dem Gebot des bisweilen aus ihnen erstehenden Helden, sie nimmt in wunderbar vollkommner Weise den Geist ihres Cüsaren in sich auf, und da dieser Geist durchweg ehrgeiziger und kriegerischer Natur ist, so sehen wir bald nach dem Erscheinen des Stammes¬ helden eine gewaltige Völkerflut sich dem Willen eines Einzelnen zuliebe über die Lande ergießen und Not und Tod weithin verbreiten. Stirbt der Cäsar, dann erstirbt sein Geist im Volke, das wieder in den alten Stumpfsinn zurücksinke. war es mit Dschingiskhans jetzt verkommnem Mongolenstamme, so war es ""t dem Volke Tschakas, des südafrikanischen Napoleon. Die Episode der Herrschaft dieses Zulufürsten ist von bestimmenden Ein¬ riß auf die Geschicke Südafrikas gewesen. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/342
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/342>, abgerufen am 12.12.2024.