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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Das Schönbrunner Attentat im Jahre ^309

Zukunft und erspart uns die traurige Notwendigkeit, schon jetzt Malthusianer
zu werden. Aber zur Abhilfe gegenwärtiger Notstände kann es nur wenig
beitragen, weil einerseits die unter Ur. 3 erwähnten Umstände, andrerseits
allerlei Staatseinrichtungen die augenblickliche Benutzung dieses Vorteils hindern.

(Schluß folgt)


Das schönbrunner Attentat im Jahre ^809
nach unveröffentlichten Quellen
v Lrnst Borkowsky on

in Jahre 1809 machte der junge Friedrich Staps, der Sohn
eines Naumburger Predigers, einen Anschlag auf das Leben
Napoleons I. Der Plan mißlang, und der Jüngling büßte sein
Unterfangen mit dem Tode. Interessanter noch als das psycho¬
logische Rätsel -- wie in einer leidenschaftfreien und kindlich
harmlosen Seele der Entschluß zu dieser That wachsen konnte -- bleibt das
überaus charakteristische Verhalten des Kaisers gegenüber einem Ereignis, das
sich ihm als bedenkliches Symptom eines fanatischen Völkerhasses zeigte. Aber
auch der Geist der Knechtschaft, der unter der französischen Herrschaft weite
Kreise, namentlich des sächsischen Landes erfüllte, findet in der Geschichte dieses
Attentats eine neue Beleuchtung. Der äußere Vorgang ist im allgemeinen
bekannt. Eine Schilderung, die bis in die Einzelheiten getreu bliebe, wird
durch die Art der Berichterstattung erschwert, die nur auf Memoiren des Napo¬
leonischen Kreises beruht. Über den Tod des unglücklichen Deutschen vollends
fehlte bis jetzt jede authentische Kunde. Der folgende Aufsatz vermag diese
Lücke aus Aktenstücken zu ergänzen, die im Archive des Naumburger Ober¬
landesgerichts liegen und bisher unbekannt geblieben sind.

Über den Mordversuch und über das Verhör des Delinquenten haben wir
einen Brief Napoleons I. selbst an den Polizeiminister Fouche in Paris
(Schönbrunn, den 12. Oktober, oorrssxonclaiioö Ah Mx. I-, ^vins XIX, 572).
Ausführlicher behandeln den Fall die Memoiren von Rapp, Bourienne, Savary,
Las Cases. Jean, Graf von Rapp, Napoleons Generaladjutant, war Zeuge
des Attentats und des Verhörs, und er als Mitwirkender war daher wie kein
zweiter zur Schilderung des kleinen Dramas berufen. Seine Denkwürdigkeiten
(Paris, 1823) verweilen auch mit Umständlichkeit und fast bedenklicher Genauig-


Das Schönbrunner Attentat im Jahre ^309

Zukunft und erspart uns die traurige Notwendigkeit, schon jetzt Malthusianer
zu werden. Aber zur Abhilfe gegenwärtiger Notstände kann es nur wenig
beitragen, weil einerseits die unter Ur. 3 erwähnten Umstände, andrerseits
allerlei Staatseinrichtungen die augenblickliche Benutzung dieses Vorteils hindern.

(Schluß folgt)


Das schönbrunner Attentat im Jahre ^809
nach unveröffentlichten Quellen
v Lrnst Borkowsky on

in Jahre 1809 machte der junge Friedrich Staps, der Sohn
eines Naumburger Predigers, einen Anschlag auf das Leben
Napoleons I. Der Plan mißlang, und der Jüngling büßte sein
Unterfangen mit dem Tode. Interessanter noch als das psycho¬
logische Rätsel — wie in einer leidenschaftfreien und kindlich
harmlosen Seele der Entschluß zu dieser That wachsen konnte — bleibt das
überaus charakteristische Verhalten des Kaisers gegenüber einem Ereignis, das
sich ihm als bedenkliches Symptom eines fanatischen Völkerhasses zeigte. Aber
auch der Geist der Knechtschaft, der unter der französischen Herrschaft weite
Kreise, namentlich des sächsischen Landes erfüllte, findet in der Geschichte dieses
Attentats eine neue Beleuchtung. Der äußere Vorgang ist im allgemeinen
bekannt. Eine Schilderung, die bis in die Einzelheiten getreu bliebe, wird
durch die Art der Berichterstattung erschwert, die nur auf Memoiren des Napo¬
leonischen Kreises beruht. Über den Tod des unglücklichen Deutschen vollends
fehlte bis jetzt jede authentische Kunde. Der folgende Aufsatz vermag diese
Lücke aus Aktenstücken zu ergänzen, die im Archive des Naumburger Ober¬
landesgerichts liegen und bisher unbekannt geblieben sind.

Über den Mordversuch und über das Verhör des Delinquenten haben wir
einen Brief Napoleons I. selbst an den Polizeiminister Fouche in Paris
(Schönbrunn, den 12. Oktober, oorrssxonclaiioö Ah Mx. I-, ^vins XIX, 572).
Ausführlicher behandeln den Fall die Memoiren von Rapp, Bourienne, Savary,
Las Cases. Jean, Graf von Rapp, Napoleons Generaladjutant, war Zeuge
des Attentats und des Verhörs, und er als Mitwirkender war daher wie kein
zweiter zur Schilderung des kleinen Dramas berufen. Seine Denkwürdigkeiten
(Paris, 1823) verweilen auch mit Umständlichkeit und fast bedenklicher Genauig-


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[0304] Das Schönbrunner Attentat im Jahre ^309 Zukunft und erspart uns die traurige Notwendigkeit, schon jetzt Malthusianer zu werden. Aber zur Abhilfe gegenwärtiger Notstände kann es nur wenig beitragen, weil einerseits die unter Ur. 3 erwähnten Umstände, andrerseits allerlei Staatseinrichtungen die augenblickliche Benutzung dieses Vorteils hindern. (Schluß folgt) Das schönbrunner Attentat im Jahre ^809 nach unveröffentlichten Quellen v Lrnst Borkowsky on in Jahre 1809 machte der junge Friedrich Staps, der Sohn eines Naumburger Predigers, einen Anschlag auf das Leben Napoleons I. Der Plan mißlang, und der Jüngling büßte sein Unterfangen mit dem Tode. Interessanter noch als das psycho¬ logische Rätsel — wie in einer leidenschaftfreien und kindlich harmlosen Seele der Entschluß zu dieser That wachsen konnte — bleibt das überaus charakteristische Verhalten des Kaisers gegenüber einem Ereignis, das sich ihm als bedenkliches Symptom eines fanatischen Völkerhasses zeigte. Aber auch der Geist der Knechtschaft, der unter der französischen Herrschaft weite Kreise, namentlich des sächsischen Landes erfüllte, findet in der Geschichte dieses Attentats eine neue Beleuchtung. Der äußere Vorgang ist im allgemeinen bekannt. Eine Schilderung, die bis in die Einzelheiten getreu bliebe, wird durch die Art der Berichterstattung erschwert, die nur auf Memoiren des Napo¬ leonischen Kreises beruht. Über den Tod des unglücklichen Deutschen vollends fehlte bis jetzt jede authentische Kunde. Der folgende Aufsatz vermag diese Lücke aus Aktenstücken zu ergänzen, die im Archive des Naumburger Ober¬ landesgerichts liegen und bisher unbekannt geblieben sind. Über den Mordversuch und über das Verhör des Delinquenten haben wir einen Brief Napoleons I. selbst an den Polizeiminister Fouche in Paris (Schönbrunn, den 12. Oktober, oorrssxonclaiioö Ah Mx. I-, ^vins XIX, 572). Ausführlicher behandeln den Fall die Memoiren von Rapp, Bourienne, Savary, Las Cases. Jean, Graf von Rapp, Napoleons Generaladjutant, war Zeuge des Attentats und des Verhörs, und er als Mitwirkender war daher wie kein zweiter zur Schilderung des kleinen Dramas berufen. Seine Denkwürdigkeiten (Paris, 1823) verweilen auch mit Umständlichkeit und fast bedenklicher Genauig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/304>, abgerufen am 12.12.2024.