Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
von Weißenburg bis Metz

eine Nebenstraße über Lichtenberg ein. Die Hauptetappenstraße ging von Jng-
weiler über Lützelstein nach Saarburg; ihr folgte auch das Hauptquartier des
Kronprinzen.

Es ist ein schönes, reizvolles Mittelgebirgsland, das damals der Schau¬
platz dieser Märsche und Kämpfe war, chcirakterisirt durch den Wechsel
zwischen breiten Hochflächen und tief eingesenkten Thälern, durch den überall
mauerartig hervortretenden roten Sandstein, der für Elsaß und Lothringen ein
so treffliches Baumaterial liefert, und durch prächtige, ausgedehnte Laubwälder
von Buchen und Eichen. Nur an den Ostründcrn gedeiht auch der Wein,
aber bis weit hinauf bezeugen Nußbäume und Edelkastanien die Milde des
Klimas, das den Getreidebau noch auf den Hochflächen erlaubt. Daher tragen
auch die Dörfer das Gepräge einer gewissen Wohlhabenheit. Am Ausgange
des tiefeingeschnittuen Zornthales breitet sich in reizender Lage Zabern aus,
einst die Residenz der Fürstbischöfe von Straßburg, die sich hier, der drohenden
Anzeichen der Zeit nicht achtend, noch kurz vor der französischen Revolution
ein großartiges Schloß in rotem Sandstein bauten und damit dem jetzt
hier liegenden deutschen Regiment ein prächtiges Offizierkasino. Mitten durch
die Stadt schneidet der Rhein-Marnekanal, und seine hier liegende Schleuse
hebt und senkt tagtäglich zahlreiche große, meist mit Kohlen aus dem Saar¬
becken und Sandstein aus dem Gebirge beladne Kähne; über ihr aber ragen
auf den Waldboden rechts und links von der Gebirgslücke die Trümmer einst
fester Burgen, die den Durchgang bewachten und beherrschten, auf der Nord¬
seite der Greifenstein, auf der Südseite Hoh-Barr, Groß- und Klein-Geroldseck.
Wer etwa an einem hellen Sommermorgen, wenn der Sonnenglanz auf der
elsässischen Ebne und der malerischen Ostseite des Gebirges liegt, vom Hoh-
Barr hinunterschaut, der muß das Land lieb gewinnen. Tief unten zieht sich
die Zaberner senke zwischen hohen bewaldeten Bergkulissen und roten Sand-
steinwünden dahin, gerade breit genug, der Zorn, dem Kanal, der Straße
und der Eisenbahn neben einander Platz zu lassen, und überraschend genug
nimmt es sich aus, wenn in der Bergenge plötzlich ansehnliche Schiffe auf¬
tauchen. An dem bewaldeten Osthange der nördlichen Paßwand klimmt in
steilen Windungen, kenntlich an den schlanken italienischen Pappeln, den Lieb¬
lingsstraßenbäumen Napoleons I., die "Zaberner Stiege" auf den Spuren der
alten Römerstraße nach der Hochfläche von Pfalzburg hinauf. Das Gebirge
aber umschließt in einspringenden Buchten wie schützend das ebnere Land, und
zwischen den Feldern und Wiesen, den Baum- und Rebengärten schimmern die
freundlichen Ortschaften mit ihren Kirchtürmen hervor, nordwärts Zabern.
Eckardsweiler, Se. Johann, Ernolsheim u. a. in., südwärts vor allem Maurs¬
münster mit seiner alten Benediktinerkirche und Wasselnheim; im Gebirge aber
schiebt sich ein bewaldeter Rücken über dem andern empor, bis weit im Süden
zum blauen Odilienbergc, und im Westen grüßen in der Ferne die langen


von Weißenburg bis Metz

eine Nebenstraße über Lichtenberg ein. Die Hauptetappenstraße ging von Jng-
weiler über Lützelstein nach Saarburg; ihr folgte auch das Hauptquartier des
Kronprinzen.

Es ist ein schönes, reizvolles Mittelgebirgsland, das damals der Schau¬
platz dieser Märsche und Kämpfe war, chcirakterisirt durch den Wechsel
zwischen breiten Hochflächen und tief eingesenkten Thälern, durch den überall
mauerartig hervortretenden roten Sandstein, der für Elsaß und Lothringen ein
so treffliches Baumaterial liefert, und durch prächtige, ausgedehnte Laubwälder
von Buchen und Eichen. Nur an den Ostründcrn gedeiht auch der Wein,
aber bis weit hinauf bezeugen Nußbäume und Edelkastanien die Milde des
Klimas, das den Getreidebau noch auf den Hochflächen erlaubt. Daher tragen
auch die Dörfer das Gepräge einer gewissen Wohlhabenheit. Am Ausgange
des tiefeingeschnittuen Zornthales breitet sich in reizender Lage Zabern aus,
einst die Residenz der Fürstbischöfe von Straßburg, die sich hier, der drohenden
Anzeichen der Zeit nicht achtend, noch kurz vor der französischen Revolution
ein großartiges Schloß in rotem Sandstein bauten und damit dem jetzt
hier liegenden deutschen Regiment ein prächtiges Offizierkasino. Mitten durch
die Stadt schneidet der Rhein-Marnekanal, und seine hier liegende Schleuse
hebt und senkt tagtäglich zahlreiche große, meist mit Kohlen aus dem Saar¬
becken und Sandstein aus dem Gebirge beladne Kähne; über ihr aber ragen
auf den Waldboden rechts und links von der Gebirgslücke die Trümmer einst
fester Burgen, die den Durchgang bewachten und beherrschten, auf der Nord¬
seite der Greifenstein, auf der Südseite Hoh-Barr, Groß- und Klein-Geroldseck.
Wer etwa an einem hellen Sommermorgen, wenn der Sonnenglanz auf der
elsässischen Ebne und der malerischen Ostseite des Gebirges liegt, vom Hoh-
Barr hinunterschaut, der muß das Land lieb gewinnen. Tief unten zieht sich
die Zaberner senke zwischen hohen bewaldeten Bergkulissen und roten Sand-
steinwünden dahin, gerade breit genug, der Zorn, dem Kanal, der Straße
und der Eisenbahn neben einander Platz zu lassen, und überraschend genug
nimmt es sich aus, wenn in der Bergenge plötzlich ansehnliche Schiffe auf¬
tauchen. An dem bewaldeten Osthange der nördlichen Paßwand klimmt in
steilen Windungen, kenntlich an den schlanken italienischen Pappeln, den Lieb¬
lingsstraßenbäumen Napoleons I., die „Zaberner Stiege" auf den Spuren der
alten Römerstraße nach der Hochfläche von Pfalzburg hinauf. Das Gebirge
aber umschließt in einspringenden Buchten wie schützend das ebnere Land, und
zwischen den Feldern und Wiesen, den Baum- und Rebengärten schimmern die
freundlichen Ortschaften mit ihren Kirchtürmen hervor, nordwärts Zabern.
Eckardsweiler, Se. Johann, Ernolsheim u. a. in., südwärts vor allem Maurs¬
münster mit seiner alten Benediktinerkirche und Wasselnheim; im Gebirge aber
schiebt sich ein bewaldeter Rücken über dem andern empor, bis weit im Süden
zum blauen Odilienbergc, und im Westen grüßen in der Ferne die langen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0294" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229243"/>
          <fw type="header" place="top"> von Weißenburg bis Metz</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_801" prev="#ID_800"> eine Nebenstraße über Lichtenberg ein. Die Hauptetappenstraße ging von Jng-<lb/>
weiler über Lützelstein nach Saarburg; ihr folgte auch das Hauptquartier des<lb/>
Kronprinzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_802" next="#ID_803"> Es ist ein schönes, reizvolles Mittelgebirgsland, das damals der Schau¬<lb/>
platz dieser Märsche und Kämpfe war, chcirakterisirt durch den Wechsel<lb/>
zwischen breiten Hochflächen und tief eingesenkten Thälern, durch den überall<lb/>
mauerartig hervortretenden roten Sandstein, der für Elsaß und Lothringen ein<lb/>
so treffliches Baumaterial liefert, und durch prächtige, ausgedehnte Laubwälder<lb/>
von Buchen und Eichen.  Nur an den Ostründcrn gedeiht auch der Wein,<lb/>
aber bis weit hinauf bezeugen Nußbäume und Edelkastanien die Milde des<lb/>
Klimas, das den Getreidebau noch auf den Hochflächen erlaubt. Daher tragen<lb/>
auch die Dörfer das Gepräge einer gewissen Wohlhabenheit.  Am Ausgange<lb/>
des tiefeingeschnittuen Zornthales breitet sich in reizender Lage Zabern aus,<lb/>
einst die Residenz der Fürstbischöfe von Straßburg, die sich hier, der drohenden<lb/>
Anzeichen der Zeit nicht achtend, noch kurz vor der französischen Revolution<lb/>
ein großartiges Schloß in rotem Sandstein bauten und damit dem jetzt<lb/>
hier liegenden deutschen Regiment ein prächtiges Offizierkasino. Mitten durch<lb/>
die Stadt schneidet der Rhein-Marnekanal, und seine hier liegende Schleuse<lb/>
hebt und senkt tagtäglich zahlreiche große, meist mit Kohlen aus dem Saar¬<lb/>
becken und Sandstein aus dem Gebirge beladne Kähne; über ihr aber ragen<lb/>
auf den Waldboden rechts und links von der Gebirgslücke die Trümmer einst<lb/>
fester Burgen, die den Durchgang bewachten und beherrschten, auf der Nord¬<lb/>
seite der Greifenstein, auf der Südseite Hoh-Barr, Groß- und Klein-Geroldseck.<lb/>
Wer etwa an einem hellen Sommermorgen, wenn der Sonnenglanz auf der<lb/>
elsässischen Ebne und der malerischen Ostseite des Gebirges liegt, vom Hoh-<lb/>
Barr hinunterschaut, der muß das Land lieb gewinnen. Tief unten zieht sich<lb/>
die Zaberner senke zwischen hohen bewaldeten Bergkulissen und roten Sand-<lb/>
steinwünden dahin, gerade breit genug, der Zorn, dem Kanal, der Straße<lb/>
und der Eisenbahn neben einander Platz zu lassen, und überraschend genug<lb/>
nimmt es sich aus, wenn in der Bergenge plötzlich ansehnliche Schiffe auf¬<lb/>
tauchen.  An dem bewaldeten Osthange der nördlichen Paßwand klimmt in<lb/>
steilen Windungen, kenntlich an den schlanken italienischen Pappeln, den Lieb¬<lb/>
lingsstraßenbäumen Napoleons I., die &#x201E;Zaberner Stiege" auf den Spuren der<lb/>
alten Römerstraße nach der Hochfläche von Pfalzburg hinauf.  Das Gebirge<lb/>
aber umschließt in einspringenden Buchten wie schützend das ebnere Land, und<lb/>
zwischen den Feldern und Wiesen, den Baum- und Rebengärten schimmern die<lb/>
freundlichen Ortschaften mit ihren Kirchtürmen hervor, nordwärts Zabern.<lb/>
Eckardsweiler, Se. Johann, Ernolsheim u. a. in., südwärts vor allem Maurs¬<lb/>
münster mit seiner alten Benediktinerkirche und Wasselnheim; im Gebirge aber<lb/>
schiebt sich ein bewaldeter Rücken über dem andern empor, bis weit im Süden<lb/>
zum blauen Odilienbergc, und im Westen grüßen in der Ferne die langen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0294] von Weißenburg bis Metz eine Nebenstraße über Lichtenberg ein. Die Hauptetappenstraße ging von Jng- weiler über Lützelstein nach Saarburg; ihr folgte auch das Hauptquartier des Kronprinzen. Es ist ein schönes, reizvolles Mittelgebirgsland, das damals der Schau¬ platz dieser Märsche und Kämpfe war, chcirakterisirt durch den Wechsel zwischen breiten Hochflächen und tief eingesenkten Thälern, durch den überall mauerartig hervortretenden roten Sandstein, der für Elsaß und Lothringen ein so treffliches Baumaterial liefert, und durch prächtige, ausgedehnte Laubwälder von Buchen und Eichen. Nur an den Ostründcrn gedeiht auch der Wein, aber bis weit hinauf bezeugen Nußbäume und Edelkastanien die Milde des Klimas, das den Getreidebau noch auf den Hochflächen erlaubt. Daher tragen auch die Dörfer das Gepräge einer gewissen Wohlhabenheit. Am Ausgange des tiefeingeschnittuen Zornthales breitet sich in reizender Lage Zabern aus, einst die Residenz der Fürstbischöfe von Straßburg, die sich hier, der drohenden Anzeichen der Zeit nicht achtend, noch kurz vor der französischen Revolution ein großartiges Schloß in rotem Sandstein bauten und damit dem jetzt hier liegenden deutschen Regiment ein prächtiges Offizierkasino. Mitten durch die Stadt schneidet der Rhein-Marnekanal, und seine hier liegende Schleuse hebt und senkt tagtäglich zahlreiche große, meist mit Kohlen aus dem Saar¬ becken und Sandstein aus dem Gebirge beladne Kähne; über ihr aber ragen auf den Waldboden rechts und links von der Gebirgslücke die Trümmer einst fester Burgen, die den Durchgang bewachten und beherrschten, auf der Nord¬ seite der Greifenstein, auf der Südseite Hoh-Barr, Groß- und Klein-Geroldseck. Wer etwa an einem hellen Sommermorgen, wenn der Sonnenglanz auf der elsässischen Ebne und der malerischen Ostseite des Gebirges liegt, vom Hoh- Barr hinunterschaut, der muß das Land lieb gewinnen. Tief unten zieht sich die Zaberner senke zwischen hohen bewaldeten Bergkulissen und roten Sand- steinwünden dahin, gerade breit genug, der Zorn, dem Kanal, der Straße und der Eisenbahn neben einander Platz zu lassen, und überraschend genug nimmt es sich aus, wenn in der Bergenge plötzlich ansehnliche Schiffe auf¬ tauchen. An dem bewaldeten Osthange der nördlichen Paßwand klimmt in steilen Windungen, kenntlich an den schlanken italienischen Pappeln, den Lieb¬ lingsstraßenbäumen Napoleons I., die „Zaberner Stiege" auf den Spuren der alten Römerstraße nach der Hochfläche von Pfalzburg hinauf. Das Gebirge aber umschließt in einspringenden Buchten wie schützend das ebnere Land, und zwischen den Feldern und Wiesen, den Baum- und Rebengärten schimmern die freundlichen Ortschaften mit ihren Kirchtürmen hervor, nordwärts Zabern. Eckardsweiler, Se. Johann, Ernolsheim u. a. in., südwärts vor allem Maurs¬ münster mit seiner alten Benediktinerkirche und Wasselnheim; im Gebirge aber schiebt sich ein bewaldeter Rücken über dem andern empor, bis weit im Süden zum blauen Odilienbergc, und im Westen grüßen in der Ferne die langen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/294
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/294>, abgerufen am 24.07.2024.