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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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von Weißenburg bis Metz

Wälle. Sie sind schon vor dem Kriege von 1870 aufgegeben worden, aber
noch zum allergrößten Teile erhalten, nur in friedliche Spaziergänge und
Trockenplätze verwandelt; auch die trotzigen mittelalterlichen Thorbauten stehen
meist noch anfrecht, vor allem das Landauer Thor, ein Turm mit spitzem
Dach und niedrigeren Vorbau.

Durch die zerschmetterten Flügel dieses Thors drangen am 4. August 1870
die Bayern in Weißenburg ein, die Vorstadt Bannacker herein und dann die gerade
breite Straße nach dem Markte hin. Denn dort hinaus steigt die Straße nach
dem großen Dorfe Schweigen hinauf, das am Berghange schon auf pfälzischem
Boden liegt; dort erhebt sich das Baherndenkmal, ein Löwe auf einer Säule,
um die Stelle zu bezeichnen, von der die Division Boehmer am nebligen
Morgen des 4. August den Angriff auf Weißenburg eröffnete, und der Kron¬
prinz von Preußen das erste Gefecht leitete. Aber der Hauptkampf war nicht
der um die Stadt. Wenn man vom Hagenauer Thore her am Bahnhöfe
vorüber die schnurgerade Pappelallee nach Osten geht, so liegt links von der
Straße ganz in der Ebne das ansehnliche Dorf Altenstadt, rechts aber, jenseits
der gleichlaufenden Eisenbahn erhebt sich ein langgestreckter, flach nach Osten
verlaufender, mit Feldern, Vaumgruppen und einzelnen Hopfenpflanzungen be¬
deckter Höhenzug, auf dessen westlichem Ende drei einsame Pappeln stehen.
Das ist der Geisberg, die Hauptstelluug der Franzosen am 4. August. Ihre
Stärke lag gar uicht in der Steilheit der Abhänge, sondern vielmehr in der
sehr allmählichen Senkung, die die deutschen Truppen zu einem langen,
schutzlosen Anlauf nötigte. Sie umfaßten den Geisberg im Halbkreis von
drei Seiten. Von Altenstadt und Schweighvfeu kamen über die offne
Wiesenebne der Lauter die Kolonnen des V. Armeekorps heran, von Osten
her, gedeckt durch den breitausgedehnten Niederwald, das XI. Armeekorps.
Doch die Hauptarbeit thaten hier die tapfern Niederschlesier. Wie viel Blut
sie schon der erste Anlauf noch in der Ebne am Bahnhofe und an der
Straße gekostet hat, bezeugen zwei Gräber dicht an der Straße gegenüber
Altenstadt. Das eine, mit einem kleinen Obelisken ausgezeichnet, ist die letzte
Ruhestätte von fünf Offizieren, vier Unteroffizieren und dreiundfünfzig Sol¬
daten des 3. Posenschen Infanterieregiments Ur. 58; weiter östlich trägt eine
hohe, mit dem Eisernen Kreuze geschmückte Spitzsäule auf der einen Seite die
bezeichnende Aufschrift: "Das erste Preußengrab für Deutschlands Einheit,"
auf der andern unter den Namen der Toten von demselben 58. Regiment die
Worte: "Der Schwur auf die Fahne führte sie alle zum Heldentode fürs Vater¬
land. Gott verleihe den Helden droben die Siegespalme." Nichts wirkt auf
allen diesen deutschen Schlachtfeldern so veranschaulichend zugleich und er¬
schütternd, als diese Grabstätten und Denkmäler, die weithin verstreut noch
heute die Richtungen des Angriffs, des Kampfes und der Verfolgung mit
furchtbarer Deutlichkeit zeigen. Wenige hundert Schritt von jenen beiden


von Weißenburg bis Metz

Wälle. Sie sind schon vor dem Kriege von 1870 aufgegeben worden, aber
noch zum allergrößten Teile erhalten, nur in friedliche Spaziergänge und
Trockenplätze verwandelt; auch die trotzigen mittelalterlichen Thorbauten stehen
meist noch anfrecht, vor allem das Landauer Thor, ein Turm mit spitzem
Dach und niedrigeren Vorbau.

Durch die zerschmetterten Flügel dieses Thors drangen am 4. August 1870
die Bayern in Weißenburg ein, die Vorstadt Bannacker herein und dann die gerade
breite Straße nach dem Markte hin. Denn dort hinaus steigt die Straße nach
dem großen Dorfe Schweigen hinauf, das am Berghange schon auf pfälzischem
Boden liegt; dort erhebt sich das Baherndenkmal, ein Löwe auf einer Säule,
um die Stelle zu bezeichnen, von der die Division Boehmer am nebligen
Morgen des 4. August den Angriff auf Weißenburg eröffnete, und der Kron¬
prinz von Preußen das erste Gefecht leitete. Aber der Hauptkampf war nicht
der um die Stadt. Wenn man vom Hagenauer Thore her am Bahnhöfe
vorüber die schnurgerade Pappelallee nach Osten geht, so liegt links von der
Straße ganz in der Ebne das ansehnliche Dorf Altenstadt, rechts aber, jenseits
der gleichlaufenden Eisenbahn erhebt sich ein langgestreckter, flach nach Osten
verlaufender, mit Feldern, Vaumgruppen und einzelnen Hopfenpflanzungen be¬
deckter Höhenzug, auf dessen westlichem Ende drei einsame Pappeln stehen.
Das ist der Geisberg, die Hauptstelluug der Franzosen am 4. August. Ihre
Stärke lag gar uicht in der Steilheit der Abhänge, sondern vielmehr in der
sehr allmählichen Senkung, die die deutschen Truppen zu einem langen,
schutzlosen Anlauf nötigte. Sie umfaßten den Geisberg im Halbkreis von
drei Seiten. Von Altenstadt und Schweighvfeu kamen über die offne
Wiesenebne der Lauter die Kolonnen des V. Armeekorps heran, von Osten
her, gedeckt durch den breitausgedehnten Niederwald, das XI. Armeekorps.
Doch die Hauptarbeit thaten hier die tapfern Niederschlesier. Wie viel Blut
sie schon der erste Anlauf noch in der Ebne am Bahnhofe und an der
Straße gekostet hat, bezeugen zwei Gräber dicht an der Straße gegenüber
Altenstadt. Das eine, mit einem kleinen Obelisken ausgezeichnet, ist die letzte
Ruhestätte von fünf Offizieren, vier Unteroffizieren und dreiundfünfzig Sol¬
daten des 3. Posenschen Infanterieregiments Ur. 58; weiter östlich trägt eine
hohe, mit dem Eisernen Kreuze geschmückte Spitzsäule auf der einen Seite die
bezeichnende Aufschrift: „Das erste Preußengrab für Deutschlands Einheit,"
auf der andern unter den Namen der Toten von demselben 58. Regiment die
Worte: „Der Schwur auf die Fahne führte sie alle zum Heldentode fürs Vater¬
land. Gott verleihe den Helden droben die Siegespalme." Nichts wirkt auf
allen diesen deutschen Schlachtfeldern so veranschaulichend zugleich und er¬
schütternd, als diese Grabstätten und Denkmäler, die weithin verstreut noch
heute die Richtungen des Angriffs, des Kampfes und der Verfolgung mit
furchtbarer Deutlichkeit zeigen. Wenige hundert Schritt von jenen beiden


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[0287] von Weißenburg bis Metz Wälle. Sie sind schon vor dem Kriege von 1870 aufgegeben worden, aber noch zum allergrößten Teile erhalten, nur in friedliche Spaziergänge und Trockenplätze verwandelt; auch die trotzigen mittelalterlichen Thorbauten stehen meist noch anfrecht, vor allem das Landauer Thor, ein Turm mit spitzem Dach und niedrigeren Vorbau. Durch die zerschmetterten Flügel dieses Thors drangen am 4. August 1870 die Bayern in Weißenburg ein, die Vorstadt Bannacker herein und dann die gerade breite Straße nach dem Markte hin. Denn dort hinaus steigt die Straße nach dem großen Dorfe Schweigen hinauf, das am Berghange schon auf pfälzischem Boden liegt; dort erhebt sich das Baherndenkmal, ein Löwe auf einer Säule, um die Stelle zu bezeichnen, von der die Division Boehmer am nebligen Morgen des 4. August den Angriff auf Weißenburg eröffnete, und der Kron¬ prinz von Preußen das erste Gefecht leitete. Aber der Hauptkampf war nicht der um die Stadt. Wenn man vom Hagenauer Thore her am Bahnhöfe vorüber die schnurgerade Pappelallee nach Osten geht, so liegt links von der Straße ganz in der Ebne das ansehnliche Dorf Altenstadt, rechts aber, jenseits der gleichlaufenden Eisenbahn erhebt sich ein langgestreckter, flach nach Osten verlaufender, mit Feldern, Vaumgruppen und einzelnen Hopfenpflanzungen be¬ deckter Höhenzug, auf dessen westlichem Ende drei einsame Pappeln stehen. Das ist der Geisberg, die Hauptstelluug der Franzosen am 4. August. Ihre Stärke lag gar uicht in der Steilheit der Abhänge, sondern vielmehr in der sehr allmählichen Senkung, die die deutschen Truppen zu einem langen, schutzlosen Anlauf nötigte. Sie umfaßten den Geisberg im Halbkreis von drei Seiten. Von Altenstadt und Schweighvfeu kamen über die offne Wiesenebne der Lauter die Kolonnen des V. Armeekorps heran, von Osten her, gedeckt durch den breitausgedehnten Niederwald, das XI. Armeekorps. Doch die Hauptarbeit thaten hier die tapfern Niederschlesier. Wie viel Blut sie schon der erste Anlauf noch in der Ebne am Bahnhofe und an der Straße gekostet hat, bezeugen zwei Gräber dicht an der Straße gegenüber Altenstadt. Das eine, mit einem kleinen Obelisken ausgezeichnet, ist die letzte Ruhestätte von fünf Offizieren, vier Unteroffizieren und dreiundfünfzig Sol¬ daten des 3. Posenschen Infanterieregiments Ur. 58; weiter östlich trägt eine hohe, mit dem Eisernen Kreuze geschmückte Spitzsäule auf der einen Seite die bezeichnende Aufschrift: „Das erste Preußengrab für Deutschlands Einheit," auf der andern unter den Namen der Toten von demselben 58. Regiment die Worte: „Der Schwur auf die Fahne führte sie alle zum Heldentode fürs Vater¬ land. Gott verleihe den Helden droben die Siegespalme." Nichts wirkt auf allen diesen deutschen Schlachtfeldern so veranschaulichend zugleich und er¬ schütternd, als diese Grabstätten und Denkmäler, die weithin verstreut noch heute die Richtungen des Angriffs, des Kampfes und der Verfolgung mit furchtbarer Deutlichkeit zeigen. Wenige hundert Schritt von jenen beiden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/287>, abgerufen am 04.07.2024.