Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.von Weiszeiiburg bis Metz Freilich kann dies Wachstum kein grenzenloses sein, weil die Natur der Dinge Uns Deutschen bieten natürlich die Schlachtfelder unsrer Einheitskriege Wer diese Schlachtfelder in der geschichtlichen Reihenfolge und zugleich von Weiszeiiburg bis Metz Freilich kann dies Wachstum kein grenzenloses sein, weil die Natur der Dinge Uns Deutschen bieten natürlich die Schlachtfelder unsrer Einheitskriege Wer diese Schlachtfelder in der geschichtlichen Reihenfolge und zugleich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0285" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229234"/> <fw type="header" place="top"> von Weiszeiiburg bis Metz</fw><lb/> <p xml:id="ID_784" prev="#ID_783"> Freilich kann dies Wachstum kein grenzenloses sein, weil die Natur der Dinge<lb/> die Lenkbarkeit großer Heeresmassen trotz aller technischen Verbesserungen be¬<lb/> schränkt: eine halbe Million Streiter kann ein Feldherr weder auf einem Punkt<lb/> zur Schlacht vereinigen noch leiten, denn sie kann weder verpflegt noch über¬<lb/> sehen werden. Daher ist die Schlacht bei Leipzig auch durch die großen<lb/> Schlachten der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in der Größe der<lb/> verwandten Truppenmassen und in der Ausdehnung des Gefechtsfeldes nur sehr<lb/> selten erreicht und kaum jemals überboten worden. Auch die deutsch-französischen<lb/> Kämpfe bleiben dahinter zurück; nur die Schlacht bei Königgrätz kam in<lb/> der Truppenzahl der Leipziger fast gleich und ist die nächst größte des ganzen<lb/> Jahrhunderts.</p><lb/> <p xml:id="ID_785"> Uns Deutschen bieten natürlich die Schlachtfelder unsrer Einheitskriege<lb/> das größte Interesse, schon deshalb, weil die beständigen Veränderungen, die<lb/> ein Schlachtfeld durch die Bodenkultur und die wachsende Bebauung erleidet,<lb/> das ursprüngliche Bild noch nicht so wesentlich verändert haben, wie die<lb/> Schauplätze weiter zurückliegender Kriege. Verhältnismäßig am wenigsten ist<lb/> dies bei denen des deutsch-französische» Krieges der Fall, und außerdem hat<lb/> hier die Pietät für die möglichste Erhaltung des Zustandes und für Erinne¬<lb/> rungszeichen gesorgt, am meisten natürlich bei den Schlachtfeldern, die auf<lb/> jetzt deutschem Boden liegen. Dies aber sind zugleich die, aus denen der<lb/> Krieg thatsächlich entschieden wurde, denn diese Entscheidung fiel zeitlich in<lb/> den Tagen zwischen dem 4. und dem 18. August 1870, räumlich zwischen<lb/> Weißenburg und Metz.</p><lb/> <p xml:id="ID_786"> Wer diese Schlachtfelder in der geschichtlichen Reihenfolge und zugleich<lb/> mit sich steigernden Eindrücken besuchen will, der muß mit Weißenburg be¬<lb/> ginnen, also von der bayrischen Pfalz herüberkommen. Dort kann er auch noch<lb/> etwas von dem Nachhall der Stimmung finden, die im Juli 1870 unmittelbar<lb/> nach dem Ausbruche des Krieges vorhanden war. Im altehrwürdigen Speier,<lb/> wo der Kronprinz im Regierungsgebäude an der Maximilianstraße gegenüber<lb/> dem alten Kaiserdome sein Hauptquartier hatte, erzählte mir der Wirt des<lb/> Rheinischen Hofes, vom 16. bis zum 23. Juli hätten sie angstvolle Tage<lb/> verlebt. Das Land war offen und schwach besetzt, denn es standen zunächst<lb/> nur ein Infanterie-, ein Reiter- und ein Artillerieregiment da, meist in<lb/> Germersheim. „Wenn die Franzosen sofort einrückten und zwei Regimenter<lb/> vor die Festung legten, dann war die Sache erledigt." Und gerade in dieser<lb/> vielgeplagten Landschaft stieg die Erinnerung an die Schandthaten der Fran¬<lb/> zosen im Jahre 1639 drohend auf; täglich brachten die Zeitungen Artikel<lb/> darüber, denn wer bürgte angesichts der rohen Drohungen und des Turlo-<lb/> gesindels drüben dafür, daß sich ähnliches nicht wiederholte? Die Angst legte<lb/> sich erst, als seit dem 23. Juli die ersten norddeutschen Truppen eintrafen,<lb/> von unendlichem Jubel begrüßt, denn sie erschienen als Retter.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0285]
von Weiszeiiburg bis Metz
Freilich kann dies Wachstum kein grenzenloses sein, weil die Natur der Dinge
die Lenkbarkeit großer Heeresmassen trotz aller technischen Verbesserungen be¬
schränkt: eine halbe Million Streiter kann ein Feldherr weder auf einem Punkt
zur Schlacht vereinigen noch leiten, denn sie kann weder verpflegt noch über¬
sehen werden. Daher ist die Schlacht bei Leipzig auch durch die großen
Schlachten der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in der Größe der
verwandten Truppenmassen und in der Ausdehnung des Gefechtsfeldes nur sehr
selten erreicht und kaum jemals überboten worden. Auch die deutsch-französischen
Kämpfe bleiben dahinter zurück; nur die Schlacht bei Königgrätz kam in
der Truppenzahl der Leipziger fast gleich und ist die nächst größte des ganzen
Jahrhunderts.
Uns Deutschen bieten natürlich die Schlachtfelder unsrer Einheitskriege
das größte Interesse, schon deshalb, weil die beständigen Veränderungen, die
ein Schlachtfeld durch die Bodenkultur und die wachsende Bebauung erleidet,
das ursprüngliche Bild noch nicht so wesentlich verändert haben, wie die
Schauplätze weiter zurückliegender Kriege. Verhältnismäßig am wenigsten ist
dies bei denen des deutsch-französische» Krieges der Fall, und außerdem hat
hier die Pietät für die möglichste Erhaltung des Zustandes und für Erinne¬
rungszeichen gesorgt, am meisten natürlich bei den Schlachtfeldern, die auf
jetzt deutschem Boden liegen. Dies aber sind zugleich die, aus denen der
Krieg thatsächlich entschieden wurde, denn diese Entscheidung fiel zeitlich in
den Tagen zwischen dem 4. und dem 18. August 1870, räumlich zwischen
Weißenburg und Metz.
Wer diese Schlachtfelder in der geschichtlichen Reihenfolge und zugleich
mit sich steigernden Eindrücken besuchen will, der muß mit Weißenburg be¬
ginnen, also von der bayrischen Pfalz herüberkommen. Dort kann er auch noch
etwas von dem Nachhall der Stimmung finden, die im Juli 1870 unmittelbar
nach dem Ausbruche des Krieges vorhanden war. Im altehrwürdigen Speier,
wo der Kronprinz im Regierungsgebäude an der Maximilianstraße gegenüber
dem alten Kaiserdome sein Hauptquartier hatte, erzählte mir der Wirt des
Rheinischen Hofes, vom 16. bis zum 23. Juli hätten sie angstvolle Tage
verlebt. Das Land war offen und schwach besetzt, denn es standen zunächst
nur ein Infanterie-, ein Reiter- und ein Artillerieregiment da, meist in
Germersheim. „Wenn die Franzosen sofort einrückten und zwei Regimenter
vor die Festung legten, dann war die Sache erledigt." Und gerade in dieser
vielgeplagten Landschaft stieg die Erinnerung an die Schandthaten der Fran¬
zosen im Jahre 1639 drohend auf; täglich brachten die Zeitungen Artikel
darüber, denn wer bürgte angesichts der rohen Drohungen und des Turlo-
gesindels drüben dafür, daß sich ähnliches nicht wiederholte? Die Angst legte
sich erst, als seit dem 23. Juli die ersten norddeutschen Truppen eintrafen,
von unendlichem Jubel begrüßt, denn sie erschienen als Retter.
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