Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Ichbiicher Schwiegersohn unerwünscht war, als Gast und Tischgenosse ruhig weiterlebte. Ein überaus seltsames Büchlein hat den Titel Wandlungen, deutsche Ein Heft Essais und Skizzen von Karl Strecker (Berlin, Th. Schoen Ichbiicher Schwiegersohn unerwünscht war, als Gast und Tischgenosse ruhig weiterlebte. Ein überaus seltsames Büchlein hat den Titel Wandlungen, deutsche Ein Heft Essais und Skizzen von Karl Strecker (Berlin, Th. Schoen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229222"/> <fw type="header" place="top"> Ichbiicher</fw><lb/> <p xml:id="ID_750" prev="#ID_749"> Schwiegersohn unerwünscht war, als Gast und Tischgenosse ruhig weiterlebte.<lb/> Ich habe nicht geglaubt, daß sich um dieses süßliche Machwerk noch jemand<lb/> gekümmert Hütte, hatte auch nicht daraus geachtet, als ich vor zwei Jahren<lb/> Billroths Briefe las, bis ich nun hier „Lasters von Billroth hochgchaltne<lb/> Erlebnisse einer Mannesseele" ausgegraben wiederfinde, neben Rosegger und<lb/> Turgenjew gestellt und zum Beweis der „eigenrichtigsten Geschmacksurteile"<lb/> des großen Wiener Chirurgen angeführt. Das nennt man freilich alllauLs<lb/> isrgMts! Ein andresmal verdrießt es den Verfasser, daß zwei so verschiedne<lb/> Männer, wie Nietzsche und Treitschke, David Strauß einen Philister genannt<lb/> haben, insonderheit mit Rücksicht auf das platte Buch vom alten und neuen<lb/> Glauben, das Vettelheim in beinahe herausfordernder Weise erhebt. „Beide-<lb/> male traf der Furchtlose buchstäblich ins Schwarze. Beidemale büßte er seine<lb/> Weltbeichte durch maßlose Gehässigkeit schonungsloser Gegner" usw. Dies<lb/> sollte er lieber den Christen unter einander auszumachen überlassen. Ein<lb/> Gebiet seiner besondern Neigung berührt er in „Fragen der Volksbildung,"<lb/> nämlich Volksbibliotheken und billige Konzerte, und in demselben Sinne spricht<lb/> er sehr unterrichtend über Reelams Universalbibliothek. — Aus Zeitungsartikeln<lb/> hat auch sein Landsmann Ludwig Hevesi sein Buntes Buch zusammen¬<lb/> gestellt, Humoresken aus Zeit und Leben, Litteratur und Kunst (Stuttgart,<lb/> Bonz u. Komp.). Es enthält geistreiche Plaudereien über alles mögliche,<lb/> kleine Novellen, Reisegeschichten und Satiren. Alles ist scherzhaft behandelt,<lb/> und der Scherz wirkt. — Ein ähnlicher Ton, wie hier, wird in Richard<lb/> von Wilperts Sprachheiterkeiten (Leipzig, Oswald Mütze) angeschlagen,<lb/> aber nicht mit dem gleichen Erfolg. Der Verfasser hat mit dem, was er will,<lb/> meistens Recht, nur sind seine Heiterkeiten alles andre als heiter, wenn sie<lb/> ihm selbst auch so erschienen sein mögen. Selbst jüngere Jahrgänge dürften<lb/> in dieser Hinsicht mehr beanspruchen. Wir meinen, er würde seine Absicht in<lb/> einer einfachen, ernstgehaltnen Abhandlung besser erreicht haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_751"> Ein überaus seltsames Büchlein hat den Titel Wandlungen, deutsche<lb/> Ausgabe, von Cesare Augusto Levi (Leipzig, August Schultze). In einem<lb/> vorgedruckten Briefe an den Verfasser sagt Max Nordau unter anderm: „Sie<lb/> sind einer vom großen Schlage jüdischer Dichter und Seher; Ihre Vorfahren<lb/> heißen Jesaias, Jehuda ben Halevy. Spinoza, Heine. Dank für die hohen<lb/> Geistesfreuden, die Sie mir geboten haben, und zählen Sie mich zu Ihren auf¬<lb/> richtigen Bewunderern." Ein Vorwort belehrt uns weiter, daß Cesare Augusto<lb/> Levi, Archäolog, Dichter und Schriftsteller, Inspektor der Ausgrabungen,<lb/> Direktor des Landesmuseums usw., Verfasser vieler aufgeführter wissenschaft¬<lb/> licher und schöngeistiger Schriften, den Palazzo Marino Falieri am Canal<lb/> Grande in Venedig und ein Landhaus in Monastier ti Treviso erd- und<lb/> eigentümlich besitzt, und daß diesem Werke des von dem Gotte der Juden so<lb/> hoch Begnadeten demnächst einige andre in gleicher zierlicher Ausstattung folgen<lb/> sollen. Wir haben alle diese kleinen Skizzen mit ihren wunderlichen, gesuchten<lb/> Überschriften: Das Weinen der Dinge, Das männliche Schicksal, Die Rache des<lb/> Schattens, Das schwarze Wasser usw. aufmerksam gelesen und uns bei jeder ver¬<lb/> gebens gefragt, was sie bedeuten sollen. Wir müssen uns zur Abgabe eines<lb/> Urteils für unzuständig erklären und haben uns ebenso vergeblich bemüht, in<lb/> dem „Einbegleiter" dieser seltsamen Nichtigkeiten, Max Nordau, deu scharf¬<lb/> sinnigen Kritiker so mancher litterarischen Modethorheiten wiederzuerkennen.-</p><lb/> <p xml:id="ID_752" next="#ID_753"> Ein Heft Essais und Skizzen von Karl Strecker (Berlin, Th. Schoen<lb/> feldt) nennt sich „Frühtau." Was das bedeuten soll, wissen wir nicht zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
Ichbiicher
Schwiegersohn unerwünscht war, als Gast und Tischgenosse ruhig weiterlebte.
Ich habe nicht geglaubt, daß sich um dieses süßliche Machwerk noch jemand
gekümmert Hütte, hatte auch nicht daraus geachtet, als ich vor zwei Jahren
Billroths Briefe las, bis ich nun hier „Lasters von Billroth hochgchaltne
Erlebnisse einer Mannesseele" ausgegraben wiederfinde, neben Rosegger und
Turgenjew gestellt und zum Beweis der „eigenrichtigsten Geschmacksurteile"
des großen Wiener Chirurgen angeführt. Das nennt man freilich alllauLs
isrgMts! Ein andresmal verdrießt es den Verfasser, daß zwei so verschiedne
Männer, wie Nietzsche und Treitschke, David Strauß einen Philister genannt
haben, insonderheit mit Rücksicht auf das platte Buch vom alten und neuen
Glauben, das Vettelheim in beinahe herausfordernder Weise erhebt. „Beide-
male traf der Furchtlose buchstäblich ins Schwarze. Beidemale büßte er seine
Weltbeichte durch maßlose Gehässigkeit schonungsloser Gegner" usw. Dies
sollte er lieber den Christen unter einander auszumachen überlassen. Ein
Gebiet seiner besondern Neigung berührt er in „Fragen der Volksbildung,"
nämlich Volksbibliotheken und billige Konzerte, und in demselben Sinne spricht
er sehr unterrichtend über Reelams Universalbibliothek. — Aus Zeitungsartikeln
hat auch sein Landsmann Ludwig Hevesi sein Buntes Buch zusammen¬
gestellt, Humoresken aus Zeit und Leben, Litteratur und Kunst (Stuttgart,
Bonz u. Komp.). Es enthält geistreiche Plaudereien über alles mögliche,
kleine Novellen, Reisegeschichten und Satiren. Alles ist scherzhaft behandelt,
und der Scherz wirkt. — Ein ähnlicher Ton, wie hier, wird in Richard
von Wilperts Sprachheiterkeiten (Leipzig, Oswald Mütze) angeschlagen,
aber nicht mit dem gleichen Erfolg. Der Verfasser hat mit dem, was er will,
meistens Recht, nur sind seine Heiterkeiten alles andre als heiter, wenn sie
ihm selbst auch so erschienen sein mögen. Selbst jüngere Jahrgänge dürften
in dieser Hinsicht mehr beanspruchen. Wir meinen, er würde seine Absicht in
einer einfachen, ernstgehaltnen Abhandlung besser erreicht haben.
Ein überaus seltsames Büchlein hat den Titel Wandlungen, deutsche
Ausgabe, von Cesare Augusto Levi (Leipzig, August Schultze). In einem
vorgedruckten Briefe an den Verfasser sagt Max Nordau unter anderm: „Sie
sind einer vom großen Schlage jüdischer Dichter und Seher; Ihre Vorfahren
heißen Jesaias, Jehuda ben Halevy. Spinoza, Heine. Dank für die hohen
Geistesfreuden, die Sie mir geboten haben, und zählen Sie mich zu Ihren auf¬
richtigen Bewunderern." Ein Vorwort belehrt uns weiter, daß Cesare Augusto
Levi, Archäolog, Dichter und Schriftsteller, Inspektor der Ausgrabungen,
Direktor des Landesmuseums usw., Verfasser vieler aufgeführter wissenschaft¬
licher und schöngeistiger Schriften, den Palazzo Marino Falieri am Canal
Grande in Venedig und ein Landhaus in Monastier ti Treviso erd- und
eigentümlich besitzt, und daß diesem Werke des von dem Gotte der Juden so
hoch Begnadeten demnächst einige andre in gleicher zierlicher Ausstattung folgen
sollen. Wir haben alle diese kleinen Skizzen mit ihren wunderlichen, gesuchten
Überschriften: Das Weinen der Dinge, Das männliche Schicksal, Die Rache des
Schattens, Das schwarze Wasser usw. aufmerksam gelesen und uns bei jeder ver¬
gebens gefragt, was sie bedeuten sollen. Wir müssen uns zur Abgabe eines
Urteils für unzuständig erklären und haben uns ebenso vergeblich bemüht, in
dem „Einbegleiter" dieser seltsamen Nichtigkeiten, Max Nordau, deu scharf¬
sinnigen Kritiker so mancher litterarischen Modethorheiten wiederzuerkennen.-
Ein Heft Essais und Skizzen von Karl Strecker (Berlin, Th. Schoen
feldt) nennt sich „Frühtau." Was das bedeuten soll, wissen wir nicht zu
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