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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Theodor von Bernhard! als Nationalökonom

Preis, von Produktion und Erwerb, mit ihr ist aber die gemeinschaftliche
Grundlage sowohl der Manchesterlehre wie der sozialdemokratischen Doktrin
gegeben.

Bernhardi setzt dem prinzipiell entgegen, daß die Arbeit keineswegs als
das absolute Wertmaß aller Dinge gelten kann, daß vielmehr ihr eigner Wert
wie der jeder Produktionsquelle von ihrer Ergiebigkeit abhängt. Das Ergebnis
jeder Produktion gehört den zusammenwirkenden Mächten insgesamt an, daher
steigt und fällt der Wert und der Anteil aller und jedes einzelnen mit der
verhältnismäßigen Ergiebigkeit der Produktion, d. h. er hängt von ihrer
Ergiebigkeit im Vergleich mit den aufgebotnen Kräften ab. In welchem Ver¬
hältnis der Gewinn zu verteilen ist, welcher Teil namentlich der Arbeit zu¬
kommt, dafür fehlt es an einem festen Anhaltspunkt. Was den Wert der
Arbeit in der Anwendung bestimmt, das ist nächst ihrem Wert an sich die
Möglichkeit, sie auf die Benutzung reicher Naturfvnds zu verwenden. Es gilt
doch nur, Güter zu produziren, die einem wirklichen Bedürfnis entsprechen,
daher entscheiden über die Ergiebigkeit vornehmlich der Reichtum der Natur¬
fonds und günstige Absatzverhältnisse.

Anstatt also, wie die Engländer thun, die Naturschütze mit Stillschweigen
zu übergehen und nur von Kapital und Arbeitsteilung zu sprechen, darf man
dem Kapital nur uach dem Stammvermögen seinen Platz anweisen, das dem
Menschen in den aufgespeicherten Schätzen des Erdinnern und in den orga¬
nischen Kräften, die in der Erdrinde leben und weben, als Ausstattung gegeben
ist. Nur durch die Arbeit wird das Kapital belebt, nur in seiner Anwendung
auf die Natur wird es eine Macht. Erst aus dem, was die Natur gewährt,
was die Arbeit ihr ablockt, was dem Menschen über das unmittelbare Bedürfnis
hinaus zuteil wird, können Kapitale hervorgehen. Deshalb setzen Kapitale
allgemein reiche Naturfonds voraus. Nur in einem reich ausgestatteten Lande
gewährt die Natur einen Überschuß über das Bedürfnis, gegen den nicht nur
Gegenstände des unmittelbaren Genusses eingetauscht zu werden brauchen, für
den sich vielmehr Dinge eintauschen lassen, die künftiger Produktion dienen. An
die Unterstützung der Arbeit durch das Kapital reiht sich, ihre Macht steigernd,
eine entwickelte innere Organisation der Arbeit, ein Begriff, der zu eng gefaßt
erscheint, wenn man nur von Teilung der Arbeit spricht. So ergiebt sich aus
dem Überblick, daß auch bei einem und demselben Volke die Arbeit unter ver-
schiednen Verhältnissen einen sehr verschiednen Wert haben kann.

Höchst bezeichnend für die Betrachtungsweise Bernhardts ist es, wie er
bei seiner Polemik gegen die manchesterlichen Deduktionen immer den festen
Boden geschichtlicher Entwicklung unter den Füßen behält. Er wird dadurch
zum Vorläufer der deutschen positivistisch-historischen Schule, steht aber durch die
Festhaltung der allgemeinen staatswissenschaftlicher und zivilisatorischer Grund¬
sätze schon über ihr. Wir wollen mit dem Worte zivilisatorisch hier nach
Natzenhofers Vorgang das bezeichnen, was von unsern ersten Historikern bald


Theodor von Bernhard! als Nationalökonom

Preis, von Produktion und Erwerb, mit ihr ist aber die gemeinschaftliche
Grundlage sowohl der Manchesterlehre wie der sozialdemokratischen Doktrin
gegeben.

Bernhardi setzt dem prinzipiell entgegen, daß die Arbeit keineswegs als
das absolute Wertmaß aller Dinge gelten kann, daß vielmehr ihr eigner Wert
wie der jeder Produktionsquelle von ihrer Ergiebigkeit abhängt. Das Ergebnis
jeder Produktion gehört den zusammenwirkenden Mächten insgesamt an, daher
steigt und fällt der Wert und der Anteil aller und jedes einzelnen mit der
verhältnismäßigen Ergiebigkeit der Produktion, d. h. er hängt von ihrer
Ergiebigkeit im Vergleich mit den aufgebotnen Kräften ab. In welchem Ver¬
hältnis der Gewinn zu verteilen ist, welcher Teil namentlich der Arbeit zu¬
kommt, dafür fehlt es an einem festen Anhaltspunkt. Was den Wert der
Arbeit in der Anwendung bestimmt, das ist nächst ihrem Wert an sich die
Möglichkeit, sie auf die Benutzung reicher Naturfvnds zu verwenden. Es gilt
doch nur, Güter zu produziren, die einem wirklichen Bedürfnis entsprechen,
daher entscheiden über die Ergiebigkeit vornehmlich der Reichtum der Natur¬
fonds und günstige Absatzverhältnisse.

Anstatt also, wie die Engländer thun, die Naturschütze mit Stillschweigen
zu übergehen und nur von Kapital und Arbeitsteilung zu sprechen, darf man
dem Kapital nur uach dem Stammvermögen seinen Platz anweisen, das dem
Menschen in den aufgespeicherten Schätzen des Erdinnern und in den orga¬
nischen Kräften, die in der Erdrinde leben und weben, als Ausstattung gegeben
ist. Nur durch die Arbeit wird das Kapital belebt, nur in seiner Anwendung
auf die Natur wird es eine Macht. Erst aus dem, was die Natur gewährt,
was die Arbeit ihr ablockt, was dem Menschen über das unmittelbare Bedürfnis
hinaus zuteil wird, können Kapitale hervorgehen. Deshalb setzen Kapitale
allgemein reiche Naturfonds voraus. Nur in einem reich ausgestatteten Lande
gewährt die Natur einen Überschuß über das Bedürfnis, gegen den nicht nur
Gegenstände des unmittelbaren Genusses eingetauscht zu werden brauchen, für
den sich vielmehr Dinge eintauschen lassen, die künftiger Produktion dienen. An
die Unterstützung der Arbeit durch das Kapital reiht sich, ihre Macht steigernd,
eine entwickelte innere Organisation der Arbeit, ein Begriff, der zu eng gefaßt
erscheint, wenn man nur von Teilung der Arbeit spricht. So ergiebt sich aus
dem Überblick, daß auch bei einem und demselben Volke die Arbeit unter ver-
schiednen Verhältnissen einen sehr verschiednen Wert haben kann.

Höchst bezeichnend für die Betrachtungsweise Bernhardts ist es, wie er
bei seiner Polemik gegen die manchesterlichen Deduktionen immer den festen
Boden geschichtlicher Entwicklung unter den Füßen behält. Er wird dadurch
zum Vorläufer der deutschen positivistisch-historischen Schule, steht aber durch die
Festhaltung der allgemeinen staatswissenschaftlicher und zivilisatorischer Grund¬
sätze schon über ihr. Wir wollen mit dem Worte zivilisatorisch hier nach
Natzenhofers Vorgang das bezeichnen, was von unsern ersten Historikern bald


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[0241] Theodor von Bernhard! als Nationalökonom Preis, von Produktion und Erwerb, mit ihr ist aber die gemeinschaftliche Grundlage sowohl der Manchesterlehre wie der sozialdemokratischen Doktrin gegeben. Bernhardi setzt dem prinzipiell entgegen, daß die Arbeit keineswegs als das absolute Wertmaß aller Dinge gelten kann, daß vielmehr ihr eigner Wert wie der jeder Produktionsquelle von ihrer Ergiebigkeit abhängt. Das Ergebnis jeder Produktion gehört den zusammenwirkenden Mächten insgesamt an, daher steigt und fällt der Wert und der Anteil aller und jedes einzelnen mit der verhältnismäßigen Ergiebigkeit der Produktion, d. h. er hängt von ihrer Ergiebigkeit im Vergleich mit den aufgebotnen Kräften ab. In welchem Ver¬ hältnis der Gewinn zu verteilen ist, welcher Teil namentlich der Arbeit zu¬ kommt, dafür fehlt es an einem festen Anhaltspunkt. Was den Wert der Arbeit in der Anwendung bestimmt, das ist nächst ihrem Wert an sich die Möglichkeit, sie auf die Benutzung reicher Naturfvnds zu verwenden. Es gilt doch nur, Güter zu produziren, die einem wirklichen Bedürfnis entsprechen, daher entscheiden über die Ergiebigkeit vornehmlich der Reichtum der Natur¬ fonds und günstige Absatzverhältnisse. Anstatt also, wie die Engländer thun, die Naturschütze mit Stillschweigen zu übergehen und nur von Kapital und Arbeitsteilung zu sprechen, darf man dem Kapital nur uach dem Stammvermögen seinen Platz anweisen, das dem Menschen in den aufgespeicherten Schätzen des Erdinnern und in den orga¬ nischen Kräften, die in der Erdrinde leben und weben, als Ausstattung gegeben ist. Nur durch die Arbeit wird das Kapital belebt, nur in seiner Anwendung auf die Natur wird es eine Macht. Erst aus dem, was die Natur gewährt, was die Arbeit ihr ablockt, was dem Menschen über das unmittelbare Bedürfnis hinaus zuteil wird, können Kapitale hervorgehen. Deshalb setzen Kapitale allgemein reiche Naturfonds voraus. Nur in einem reich ausgestatteten Lande gewährt die Natur einen Überschuß über das Bedürfnis, gegen den nicht nur Gegenstände des unmittelbaren Genusses eingetauscht zu werden brauchen, für den sich vielmehr Dinge eintauschen lassen, die künftiger Produktion dienen. An die Unterstützung der Arbeit durch das Kapital reiht sich, ihre Macht steigernd, eine entwickelte innere Organisation der Arbeit, ein Begriff, der zu eng gefaßt erscheint, wenn man nur von Teilung der Arbeit spricht. So ergiebt sich aus dem Überblick, daß auch bei einem und demselben Volke die Arbeit unter ver- schiednen Verhältnissen einen sehr verschiednen Wert haben kann. Höchst bezeichnend für die Betrachtungsweise Bernhardts ist es, wie er bei seiner Polemik gegen die manchesterlichen Deduktionen immer den festen Boden geschichtlicher Entwicklung unter den Füßen behält. Er wird dadurch zum Vorläufer der deutschen positivistisch-historischen Schule, steht aber durch die Festhaltung der allgemeinen staatswissenschaftlicher und zivilisatorischer Grund¬ sätze schon über ihr. Wir wollen mit dem Worte zivilisatorisch hier nach Natzenhofers Vorgang das bezeichnen, was von unsern ersten Historikern bald

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/241>, abgerufen am 04.07.2024.