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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die strategische Bedeutung der schweizerischen Festungswerke

Um die einzig mögliche militärische Aktionsfähigkeit des Landes, die
Defensive, am kräftigsten zu machen, sind Festungswerke erbaut, die die haupt¬
sächlichsten Verkehrsadern jederzeit unterbinden lassen und den mutmaßlichen
Anmarschlinien eines Feindes Hindernisse bereiten sollen. Wir sagen schon an
dieser Stelle "sollen." Es ist nicht nur für den Militär, sondern auch für
den Laien äußerst interessant, einiges nähere über diese Bauten zu erfahren.
.Hat der Reisende Göschenen erreicht, und fährt er von dort in siebzehn
Minuten durch den fünfzehn Kilometer langen Haupttunnel nach Airolo, oder
zieht er den änßerst lohnenden Weg zu Wagen oder zu Fuß über die Teufels¬
brücke, über Andermatt, Hospenthal und das weltberühmte Gotthardhospiz
vor, so ahnt er nicht, in welchem unentrinnbaren Gefängnisse er sich aufhält,
und wie ein einziger Druck ganzen Eisenbahnzügen Tod und Verderben bringen
kann. Der Wandrer ist im Rayon der Se. Gotthardbefestignug, der ersten
und größten der Schweiz, und wer mit der Gegend nicht vertraut ist, hält
den Geschützdonner übender Truppen mit seinem großartigen Echo für das
Getöse von Lawinenstürzen oder für ein herannahendes Gewitter. Nur der
Kundige wird hie und da an deu sich verflüchtendeu Wolken des Pulver¬
dampfes deu Standort der mit bloßem Auge kaum zu erkennenden Batterien
ungefähr vermuten.

Die Festungswerke auf dem Se. Gotthard sind ein imposantes Viereck
mit einem Umfange von rund sechzig Kilometern. Der ursprüngliche Kosten¬
voranschlag belief sich auf weniges über zweiuudeinehalbe Million Franken,
mußte jedoch in der Folge versechsfacht werden, obgleich er schon 1893 die Höhe
von nahezu fünfzehn Millionen erreicht hatte. Die Fachautoritüten erklären
aber, daß die Gotthardbefestignug allein ohne einen Aufwand von rund fünf-
undvierzig Millionen Franken gar nicht durchgeführt werden könnte. Im
Süden trotzen einem feindlichen Angriffe die Werke bei Airolo, im Westen
die auf der Furka, im Osten auf der Oberalp, im Norden und im Zentrum
bei Andermatt und die Anlagen auf der Paßhöhe. Die südlichen Werke bei
Airolo umfassen ein kasemcittirtes Fort auf Fondo del Vvseo, eine große
offne Batterie auf Motto Bartola, sowie eine Flankirgalerie bei Stuei. Die
Befestigungen des Westens auf der Furka bestehen aus einer kasemattirteu
Batterie auf Galenhütten, sowie dem Neduit sür die Paßverteidigung und den
erforderlichen Baracken. Im Osten auf der Oberalp ist ein Werk auf Stöckli
erbaut, ebenfalls mit zahlreichen Baracken und den notwendigen Verbindnugs-
straßen. Auf der Nordseite bei Andermatt bestehen die Werke ans einem
untern, in Felsen eingesprengten Fort mit Panzertürmen, "Buhl," den Ver¬
teidigungsanlagen des Defilees bei der berühmten Teufelsbrücke und dem
Urner Loch, sowie einer Flankirgalerie; ferner einem obern, ebenfalls in Felsen
eingesprengten Fort mit Panzertürmen, "Väzberg," und zahlreichen Baracken.
Ans der Höhe des Se. Gotthard ist ein offnes Werk mit Panzertürmen und


Die strategische Bedeutung der schweizerischen Festungswerke

Um die einzig mögliche militärische Aktionsfähigkeit des Landes, die
Defensive, am kräftigsten zu machen, sind Festungswerke erbaut, die die haupt¬
sächlichsten Verkehrsadern jederzeit unterbinden lassen und den mutmaßlichen
Anmarschlinien eines Feindes Hindernisse bereiten sollen. Wir sagen schon an
dieser Stelle „sollen." Es ist nicht nur für den Militär, sondern auch für
den Laien äußerst interessant, einiges nähere über diese Bauten zu erfahren.
.Hat der Reisende Göschenen erreicht, und fährt er von dort in siebzehn
Minuten durch den fünfzehn Kilometer langen Haupttunnel nach Airolo, oder
zieht er den änßerst lohnenden Weg zu Wagen oder zu Fuß über die Teufels¬
brücke, über Andermatt, Hospenthal und das weltberühmte Gotthardhospiz
vor, so ahnt er nicht, in welchem unentrinnbaren Gefängnisse er sich aufhält,
und wie ein einziger Druck ganzen Eisenbahnzügen Tod und Verderben bringen
kann. Der Wandrer ist im Rayon der Se. Gotthardbefestignug, der ersten
und größten der Schweiz, und wer mit der Gegend nicht vertraut ist, hält
den Geschützdonner übender Truppen mit seinem großartigen Echo für das
Getöse von Lawinenstürzen oder für ein herannahendes Gewitter. Nur der
Kundige wird hie und da an deu sich verflüchtendeu Wolken des Pulver¬
dampfes deu Standort der mit bloßem Auge kaum zu erkennenden Batterien
ungefähr vermuten.

Die Festungswerke auf dem Se. Gotthard sind ein imposantes Viereck
mit einem Umfange von rund sechzig Kilometern. Der ursprüngliche Kosten¬
voranschlag belief sich auf weniges über zweiuudeinehalbe Million Franken,
mußte jedoch in der Folge versechsfacht werden, obgleich er schon 1893 die Höhe
von nahezu fünfzehn Millionen erreicht hatte. Die Fachautoritüten erklären
aber, daß die Gotthardbefestignug allein ohne einen Aufwand von rund fünf-
undvierzig Millionen Franken gar nicht durchgeführt werden könnte. Im
Süden trotzen einem feindlichen Angriffe die Werke bei Airolo, im Westen
die auf der Furka, im Osten auf der Oberalp, im Norden und im Zentrum
bei Andermatt und die Anlagen auf der Paßhöhe. Die südlichen Werke bei
Airolo umfassen ein kasemcittirtes Fort auf Fondo del Vvseo, eine große
offne Batterie auf Motto Bartola, sowie eine Flankirgalerie bei Stuei. Die
Befestigungen des Westens auf der Furka bestehen aus einer kasemattirteu
Batterie auf Galenhütten, sowie dem Neduit sür die Paßverteidigung und den
erforderlichen Baracken. Im Osten auf der Oberalp ist ein Werk auf Stöckli
erbaut, ebenfalls mit zahlreichen Baracken und den notwendigen Verbindnugs-
straßen. Auf der Nordseite bei Andermatt bestehen die Werke ans einem
untern, in Felsen eingesprengten Fort mit Panzertürmen, „Buhl," den Ver¬
teidigungsanlagen des Defilees bei der berühmten Teufelsbrücke und dem
Urner Loch, sowie einer Flankirgalerie; ferner einem obern, ebenfalls in Felsen
eingesprengten Fort mit Panzertürmen, „Väzberg," und zahlreichen Baracken.
Ans der Höhe des Se. Gotthard ist ein offnes Werk mit Panzertürmen und


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[0189] Die strategische Bedeutung der schweizerischen Festungswerke Um die einzig mögliche militärische Aktionsfähigkeit des Landes, die Defensive, am kräftigsten zu machen, sind Festungswerke erbaut, die die haupt¬ sächlichsten Verkehrsadern jederzeit unterbinden lassen und den mutmaßlichen Anmarschlinien eines Feindes Hindernisse bereiten sollen. Wir sagen schon an dieser Stelle „sollen." Es ist nicht nur für den Militär, sondern auch für den Laien äußerst interessant, einiges nähere über diese Bauten zu erfahren. .Hat der Reisende Göschenen erreicht, und fährt er von dort in siebzehn Minuten durch den fünfzehn Kilometer langen Haupttunnel nach Airolo, oder zieht er den änßerst lohnenden Weg zu Wagen oder zu Fuß über die Teufels¬ brücke, über Andermatt, Hospenthal und das weltberühmte Gotthardhospiz vor, so ahnt er nicht, in welchem unentrinnbaren Gefängnisse er sich aufhält, und wie ein einziger Druck ganzen Eisenbahnzügen Tod und Verderben bringen kann. Der Wandrer ist im Rayon der Se. Gotthardbefestignug, der ersten und größten der Schweiz, und wer mit der Gegend nicht vertraut ist, hält den Geschützdonner übender Truppen mit seinem großartigen Echo für das Getöse von Lawinenstürzen oder für ein herannahendes Gewitter. Nur der Kundige wird hie und da an deu sich verflüchtendeu Wolken des Pulver¬ dampfes deu Standort der mit bloßem Auge kaum zu erkennenden Batterien ungefähr vermuten. Die Festungswerke auf dem Se. Gotthard sind ein imposantes Viereck mit einem Umfange von rund sechzig Kilometern. Der ursprüngliche Kosten¬ voranschlag belief sich auf weniges über zweiuudeinehalbe Million Franken, mußte jedoch in der Folge versechsfacht werden, obgleich er schon 1893 die Höhe von nahezu fünfzehn Millionen erreicht hatte. Die Fachautoritüten erklären aber, daß die Gotthardbefestignug allein ohne einen Aufwand von rund fünf- undvierzig Millionen Franken gar nicht durchgeführt werden könnte. Im Süden trotzen einem feindlichen Angriffe die Werke bei Airolo, im Westen die auf der Furka, im Osten auf der Oberalp, im Norden und im Zentrum bei Andermatt und die Anlagen auf der Paßhöhe. Die südlichen Werke bei Airolo umfassen ein kasemcittirtes Fort auf Fondo del Vvseo, eine große offne Batterie auf Motto Bartola, sowie eine Flankirgalerie bei Stuei. Die Befestigungen des Westens auf der Furka bestehen aus einer kasemattirteu Batterie auf Galenhütten, sowie dem Neduit sür die Paßverteidigung und den erforderlichen Baracken. Im Osten auf der Oberalp ist ein Werk auf Stöckli erbaut, ebenfalls mit zahlreichen Baracken und den notwendigen Verbindnugs- straßen. Auf der Nordseite bei Andermatt bestehen die Werke ans einem untern, in Felsen eingesprengten Fort mit Panzertürmen, „Buhl," den Ver¬ teidigungsanlagen des Defilees bei der berühmten Teufelsbrücke und dem Urner Loch, sowie einer Flankirgalerie; ferner einem obern, ebenfalls in Felsen eingesprengten Fort mit Panzertürmen, „Väzberg," und zahlreichen Baracken. Ans der Höhe des Se. Gotthard ist ein offnes Werk mit Panzertürmen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/189>, abgerufen am 04.07.2024.