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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Awei Zuschriften über die Kriegervereine

und zeitigt die verderblichsten Auswüchse. Es ist auch vielfach der Glaube
verbreitet, alles Heil müsse von oben kommen, der Staat müsse helfen; dabei
bedenkt man nicht, daß zunächst jeder auf sich selbst angewiesen ist und vor
allem durch sich selbst seine Lage verbessern kann; und so kommt es, daß die Leute
sagen: Geht es im Reichstage nicht mit dem einen, so versuchen wir es einmal
mit dem andern. Hier setzen dann die Hetzer den Hebel ein und erzeugen die
Begriffsverwirrungen, wie sie bei den Wahlen zum Ausdruck kamen.

Das Tischtuch zwischen den Sozialdemokraten und dem monarchischen
Volk muß freilich zerschnitten werden, die Scheidung muß reinlich sein. Das
schließt aber nicht aus, daß man die Irregeleiteter durch entsprechende Ein¬
wirkung wieder auf den richtigen Weg bringen kann. In dieser Beziehung
können wir noch viel von der katholischen Volkspartei und den Sozialdemo-
kraten lernen. Die Welsen und Polen sind Wohl kau n ernst zu nehmen, denn
kein vernünftiger Mensch glaubt heutzutage noch an die Wiedererstehuug des
hannoverschen oder des polnischen Königreiches, ebenso wenig wie an die Aus¬
lieferung Elsaß-Lothringens an Frankreich.

In den Kriegervereinssatzungen steht obenan die Liebe für Kaiser, Fürst
und Vaterland. Demnächst soll treue Kameradschaft gepflegt und das An¬
denken an die großen Thaten unsers Heeres lebendig erhalten werden. In
Zeiten der Gefahr soll der Verein ein fester Kern sein mit dem Wahlspruch:
Mit Gott für Kaiser und Reich. Endlich finden hilfsbedürftige Kameraden
materielle Unterstützung. Diese Grundsätze dürfen aber nicht bloß auf dem
Papier stehen, die Vereine müssen auch in diesem Sinne geleitet werden. Dazu
gehört die umsichtige Kraft eines energischen, charakterfester Mannes. Von
gewisser Seite wird ferner versucht, die Kriegervereine in die Enge zu treiben
und in falsche Bahnen zu drängen, indem gesagt wird, sie dürften keine Politik
treiben. Dies ist grundfalsch, was auch General von Spitz in seiner Rede
betont hat. Die Kriegervereine treiben zwar keine Parteipolitik, wohl aber
nationale kaiserliche Politik. Für die nationalen Aufgaben des Reiches treten sie
ein, denn in nationalen Fragen giebt es keine Parteien. Auf diesem Gebiete
hat der Kriegerverein wesentliche Aufgaben zu erfüllen.

Um nun bei den Mitgliedern der Kriegervereine das Interesse für ihre
ideale Aufgabe rege zu erhalten und zu fördern, müssen Männer, die als be¬
rufne Träger des militärischen Geistes und königstreuer Gesinnung ganz be¬
sonders geeignet sind, die Vereine in ihren Bestrebungen stützen. Es ist daher
notwendig, daß Offiziere, Ärzte und Beamte des Beurlaubtenstandes den Vereinen
beitreten. Es wird hierbei oaranf ankommen, kameradschaftlich mit Männern
zu verkehren, die früher vielleicht Untergebne waren, und dabei doch immer
das Ansehen zu wahren, das man als Offizier zu fordern berechtigt ist. Die
Mitgliedschaft darf keine leere Form sein, sondern es muß die Neigung durch¬
leuchten, sich um die Angelegenheiten des Vereins zu kümmern. In den Ve-


Awei Zuschriften über die Kriegervereine

und zeitigt die verderblichsten Auswüchse. Es ist auch vielfach der Glaube
verbreitet, alles Heil müsse von oben kommen, der Staat müsse helfen; dabei
bedenkt man nicht, daß zunächst jeder auf sich selbst angewiesen ist und vor
allem durch sich selbst seine Lage verbessern kann; und so kommt es, daß die Leute
sagen: Geht es im Reichstage nicht mit dem einen, so versuchen wir es einmal
mit dem andern. Hier setzen dann die Hetzer den Hebel ein und erzeugen die
Begriffsverwirrungen, wie sie bei den Wahlen zum Ausdruck kamen.

Das Tischtuch zwischen den Sozialdemokraten und dem monarchischen
Volk muß freilich zerschnitten werden, die Scheidung muß reinlich sein. Das
schließt aber nicht aus, daß man die Irregeleiteter durch entsprechende Ein¬
wirkung wieder auf den richtigen Weg bringen kann. In dieser Beziehung
können wir noch viel von der katholischen Volkspartei und den Sozialdemo-
kraten lernen. Die Welsen und Polen sind Wohl kau n ernst zu nehmen, denn
kein vernünftiger Mensch glaubt heutzutage noch an die Wiedererstehuug des
hannoverschen oder des polnischen Königreiches, ebenso wenig wie an die Aus¬
lieferung Elsaß-Lothringens an Frankreich.

In den Kriegervereinssatzungen steht obenan die Liebe für Kaiser, Fürst
und Vaterland. Demnächst soll treue Kameradschaft gepflegt und das An¬
denken an die großen Thaten unsers Heeres lebendig erhalten werden. In
Zeiten der Gefahr soll der Verein ein fester Kern sein mit dem Wahlspruch:
Mit Gott für Kaiser und Reich. Endlich finden hilfsbedürftige Kameraden
materielle Unterstützung. Diese Grundsätze dürfen aber nicht bloß auf dem
Papier stehen, die Vereine müssen auch in diesem Sinne geleitet werden. Dazu
gehört die umsichtige Kraft eines energischen, charakterfester Mannes. Von
gewisser Seite wird ferner versucht, die Kriegervereine in die Enge zu treiben
und in falsche Bahnen zu drängen, indem gesagt wird, sie dürften keine Politik
treiben. Dies ist grundfalsch, was auch General von Spitz in seiner Rede
betont hat. Die Kriegervereine treiben zwar keine Parteipolitik, wohl aber
nationale kaiserliche Politik. Für die nationalen Aufgaben des Reiches treten sie
ein, denn in nationalen Fragen giebt es keine Parteien. Auf diesem Gebiete
hat der Kriegerverein wesentliche Aufgaben zu erfüllen.

Um nun bei den Mitgliedern der Kriegervereine das Interesse für ihre
ideale Aufgabe rege zu erhalten und zu fördern, müssen Männer, die als be¬
rufne Träger des militärischen Geistes und königstreuer Gesinnung ganz be¬
sonders geeignet sind, die Vereine in ihren Bestrebungen stützen. Es ist daher
notwendig, daß Offiziere, Ärzte und Beamte des Beurlaubtenstandes den Vereinen
beitreten. Es wird hierbei oaranf ankommen, kameradschaftlich mit Männern
zu verkehren, die früher vielleicht Untergebne waren, und dabei doch immer
das Ansehen zu wahren, das man als Offizier zu fordern berechtigt ist. Die
Mitgliedschaft darf keine leere Form sein, sondern es muß die Neigung durch¬
leuchten, sich um die Angelegenheiten des Vereins zu kümmern. In den Ve-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/145>, abgerufen am 24.07.2024.