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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Landwirtschaft im preußischen Vsten

als Posen (13,8). und selbst die intensiv wirtschaftende Provinz Sachsen hat
nur wenig mehr als die östlichen Provinzen." Die Gegenden mit vor¬
herrschendem Kleinbetrieb, wie z. B. Hessen-Nassau und Rheinland, hätten
allerdings etwa doppelten Personalbedarf (besser: Personalbestand) als der
Osten. Es werde damit erwiesen, "daß im bäuerlichen Betriebe jedenfalls eine
gewisse Verschwendung an Leuten geübt wird." Umso mehr müßten die öst¬
lichen Provinzen mit vorwiegenden Großbetriebe weit geringere Zahlen auf¬
weisen, als z. B. Sachsen, Hannover. Westfalen, wo doch der Mittel- und
Kleinbetrieb verbreiteter sei. Man müsse hieraus den Schlich ziehen, daß die
Zahl der menschlichen Arbeitskräfte in der östlichen Landwirtschaft im Vergleich
zur Intensität durchaus nicht zu gering sei. und daß bei einer steigenden
Intensität es zunächst darauf ankommen müsse, sie mit denselben oder nur
wenig vermehrten Arbeitskräften zu erreichen. "Wir meinen andrerseits -- so
schließen diese interessanten Ausführungen, die mit unsern wiederholt geäußerten
Ansichten ganz übereinstimmen --, daß, wenn der Jntensitcitsgrad in der öst¬
lichen Landwirtschaft der richtige ist, in vielen Fällen ein gewisses Übermaß
von Arbeitern vorhanden sein muß."

Auch von den Antworten auf die Umfrage des Verfassers, die im all¬
gemeinen sehr auseinandergehen, giebt, wie berichtet wird, fast die Hülste an,
..daß die Arbeiterverhältnisse keineswegs zu ungünstig seien, daß ein Mangel
an stündigen Arbeitern noch nicht zu stark hervortrete." In der Hauptsache
werde der Eindruck hervorgehoben, daß überall da, wo vom Arbeitgeber Ge¬
wicht auf gute Behandlung, gute Wohnungen, ausreichenden Lohn, gute
Qualität des Deputatgetreides und ähnliche eigentlich selbstverständliche Er¬
füllungen gelegt werde, auch selten oder fast nie ein drückender Mangel vor¬
komme. Der Verfasser spricht sich in der Erkenntnis dieser Sachlage denn auch
entschieden gegen die Heranziehung polnischer und russischer Arbeiter aus. und
nicht weniger scharf weist er die von landwirtschaftlicher Seite gewünschten
Beschränkungen der Freizügigkeit, sowie die Einführung andrer Repressivma߬
regeln zurück. Er vertritt dabei die Ansicht, daß die Hebung der Industrie
durch verbesserte Absatzverhältnisse gerade der Landwirtschaft in den Ostprovinzcn
so viele Vorteile bringen müsse, daß die Nachteile, die man in den ungünstigen
Arbeiterverhültnissen suche, nicht in Betracht kommen könnten.

Über die Arbeitslöhne in der östlichen Landwirtschaft herrsche -- meint
der Verfasser -- zur Zeit im allgemeinen die Ansicht, daß sie im Vergleich
zum Westen und Süden Deutschlands wesentlich niedriger stünden und der
Großbetrieb im Osten dadurch einen Vorteil habe. In den letzten Jahrzehnten
hätten sich aber doch die Lohnverhältnisse zu Gunsten der östlichen Landarbeiter
sehr geändert. Thatsächlich stellt sich das Arbeitslohnkonto in der östlichen
Landwirtschaft verhältnismäßig hoch. Der Verfasser hält trotzdem ein höheres
Einkommen der ländlichen Arbeiter für unumgänglich, mahnt aber dabei eiu-


Grenzboten IV 1M8 17
Die Landwirtschaft im preußischen Vsten

als Posen (13,8). und selbst die intensiv wirtschaftende Provinz Sachsen hat
nur wenig mehr als die östlichen Provinzen." Die Gegenden mit vor¬
herrschendem Kleinbetrieb, wie z. B. Hessen-Nassau und Rheinland, hätten
allerdings etwa doppelten Personalbedarf (besser: Personalbestand) als der
Osten. Es werde damit erwiesen, „daß im bäuerlichen Betriebe jedenfalls eine
gewisse Verschwendung an Leuten geübt wird." Umso mehr müßten die öst¬
lichen Provinzen mit vorwiegenden Großbetriebe weit geringere Zahlen auf¬
weisen, als z. B. Sachsen, Hannover. Westfalen, wo doch der Mittel- und
Kleinbetrieb verbreiteter sei. Man müsse hieraus den Schlich ziehen, daß die
Zahl der menschlichen Arbeitskräfte in der östlichen Landwirtschaft im Vergleich
zur Intensität durchaus nicht zu gering sei. und daß bei einer steigenden
Intensität es zunächst darauf ankommen müsse, sie mit denselben oder nur
wenig vermehrten Arbeitskräften zu erreichen. „Wir meinen andrerseits — so
schließen diese interessanten Ausführungen, die mit unsern wiederholt geäußerten
Ansichten ganz übereinstimmen —, daß, wenn der Jntensitcitsgrad in der öst¬
lichen Landwirtschaft der richtige ist, in vielen Fällen ein gewisses Übermaß
von Arbeitern vorhanden sein muß."

Auch von den Antworten auf die Umfrage des Verfassers, die im all¬
gemeinen sehr auseinandergehen, giebt, wie berichtet wird, fast die Hülste an,
..daß die Arbeiterverhältnisse keineswegs zu ungünstig seien, daß ein Mangel
an stündigen Arbeitern noch nicht zu stark hervortrete." In der Hauptsache
werde der Eindruck hervorgehoben, daß überall da, wo vom Arbeitgeber Ge¬
wicht auf gute Behandlung, gute Wohnungen, ausreichenden Lohn, gute
Qualität des Deputatgetreides und ähnliche eigentlich selbstverständliche Er¬
füllungen gelegt werde, auch selten oder fast nie ein drückender Mangel vor¬
komme. Der Verfasser spricht sich in der Erkenntnis dieser Sachlage denn auch
entschieden gegen die Heranziehung polnischer und russischer Arbeiter aus. und
nicht weniger scharf weist er die von landwirtschaftlicher Seite gewünschten
Beschränkungen der Freizügigkeit, sowie die Einführung andrer Repressivma߬
regeln zurück. Er vertritt dabei die Ansicht, daß die Hebung der Industrie
durch verbesserte Absatzverhältnisse gerade der Landwirtschaft in den Ostprovinzcn
so viele Vorteile bringen müsse, daß die Nachteile, die man in den ungünstigen
Arbeiterverhültnissen suche, nicht in Betracht kommen könnten.

Über die Arbeitslöhne in der östlichen Landwirtschaft herrsche — meint
der Verfasser — zur Zeit im allgemeinen die Ansicht, daß sie im Vergleich
zum Westen und Süden Deutschlands wesentlich niedriger stünden und der
Großbetrieb im Osten dadurch einen Vorteil habe. In den letzten Jahrzehnten
hätten sich aber doch die Lohnverhältnisse zu Gunsten der östlichen Landarbeiter
sehr geändert. Thatsächlich stellt sich das Arbeitslohnkonto in der östlichen
Landwirtschaft verhältnismäßig hoch. Der Verfasser hält trotzdem ein höheres
Einkommen der ländlichen Arbeiter für unumgänglich, mahnt aber dabei eiu-


Grenzboten IV 1M8 17
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[0141] Die Landwirtschaft im preußischen Vsten als Posen (13,8). und selbst die intensiv wirtschaftende Provinz Sachsen hat nur wenig mehr als die östlichen Provinzen." Die Gegenden mit vor¬ herrschendem Kleinbetrieb, wie z. B. Hessen-Nassau und Rheinland, hätten allerdings etwa doppelten Personalbedarf (besser: Personalbestand) als der Osten. Es werde damit erwiesen, „daß im bäuerlichen Betriebe jedenfalls eine gewisse Verschwendung an Leuten geübt wird." Umso mehr müßten die öst¬ lichen Provinzen mit vorwiegenden Großbetriebe weit geringere Zahlen auf¬ weisen, als z. B. Sachsen, Hannover. Westfalen, wo doch der Mittel- und Kleinbetrieb verbreiteter sei. Man müsse hieraus den Schlich ziehen, daß die Zahl der menschlichen Arbeitskräfte in der östlichen Landwirtschaft im Vergleich zur Intensität durchaus nicht zu gering sei. und daß bei einer steigenden Intensität es zunächst darauf ankommen müsse, sie mit denselben oder nur wenig vermehrten Arbeitskräften zu erreichen. „Wir meinen andrerseits — so schließen diese interessanten Ausführungen, die mit unsern wiederholt geäußerten Ansichten ganz übereinstimmen —, daß, wenn der Jntensitcitsgrad in der öst¬ lichen Landwirtschaft der richtige ist, in vielen Fällen ein gewisses Übermaß von Arbeitern vorhanden sein muß." Auch von den Antworten auf die Umfrage des Verfassers, die im all¬ gemeinen sehr auseinandergehen, giebt, wie berichtet wird, fast die Hülste an, ..daß die Arbeiterverhältnisse keineswegs zu ungünstig seien, daß ein Mangel an stündigen Arbeitern noch nicht zu stark hervortrete." In der Hauptsache werde der Eindruck hervorgehoben, daß überall da, wo vom Arbeitgeber Ge¬ wicht auf gute Behandlung, gute Wohnungen, ausreichenden Lohn, gute Qualität des Deputatgetreides und ähnliche eigentlich selbstverständliche Er¬ füllungen gelegt werde, auch selten oder fast nie ein drückender Mangel vor¬ komme. Der Verfasser spricht sich in der Erkenntnis dieser Sachlage denn auch entschieden gegen die Heranziehung polnischer und russischer Arbeiter aus. und nicht weniger scharf weist er die von landwirtschaftlicher Seite gewünschten Beschränkungen der Freizügigkeit, sowie die Einführung andrer Repressivma߬ regeln zurück. Er vertritt dabei die Ansicht, daß die Hebung der Industrie durch verbesserte Absatzverhältnisse gerade der Landwirtschaft in den Ostprovinzcn so viele Vorteile bringen müsse, daß die Nachteile, die man in den ungünstigen Arbeiterverhültnissen suche, nicht in Betracht kommen könnten. Über die Arbeitslöhne in der östlichen Landwirtschaft herrsche — meint der Verfasser — zur Zeit im allgemeinen die Ansicht, daß sie im Vergleich zum Westen und Süden Deutschlands wesentlich niedriger stünden und der Großbetrieb im Osten dadurch einen Vorteil habe. In den letzten Jahrzehnten hätten sich aber doch die Lohnverhältnisse zu Gunsten der östlichen Landarbeiter sehr geändert. Thatsächlich stellt sich das Arbeitslohnkonto in der östlichen Landwirtschaft verhältnismäßig hoch. Der Verfasser hält trotzdem ein höheres Einkommen der ländlichen Arbeiter für unumgänglich, mahnt aber dabei eiu- Grenzboten IV 1M8 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/141>, abgerufen am 12.12.2024.