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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Landwirtschaft im preußischen Vsten

Alle vier Ostprovinzen stehen sonach an Acker- und Gartenland über dem
Preußischen Durchschnitt, an Forsten dagegen darunter. Besonders tief stehen
sie in der Volksdichtigkcit. Dabei machte die landwirtschaftliche Bevölkerung im
Jahre 1895 in Ostpreußen 57,2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, in West-
Preußen 54,0 Prozent, in Pommern 47,5 Prozent und in Posen 58,2 Prozent,
während der preußische Durchschnitt 34.8 Prozent betrug und außer den ge¬
nannten vier Provinzen nur Hannover mehr als 40 Prozent (d. h. 41,6 Prozent)
aufwies.

Was die Preise der landwirtschaftlichen Produkte betrifft, so kommt die
Untersuchung zu dem Ergebnis, "daß in den Getreidepreisnvtirnngen durchaus
nicht permanente Verhältnisse zu Ungunsten des Ostens existiren." und daß
jedenfalls "die Differenzen zwischen den Preisen östlicher und westlicher Märkte
nicht den Eisenbahnfrachten entsprechend, sondern beträchtlich niedriger" sind.
Auch bezüglich der tierischen Produkte sind die Preise im Osten bei einzelnen
wichtigen Artikeln zeitweise nicht niedriger, sondern höher als im Westen. Im
ganzen wird festgestellt, "daß Differenzen zwischen Osten und Westen in den
Preisen der landwirtschaftlichen Produkte zu Ungunsten des Ostens vorhanden
sind, daß diese Unterschiede aber keineswegs einen bedenklichen Grad erreichen."

Des weitern haben aber die Untersuchungen zugleich ergeben, daß sich
diese Preisunterschiede zwischen Osten und Westen mit der Zeit und namentlich
in der jüngern Vergangenheit verringert haben, und dem Osten in Bezug auf
den weitern Preisausgleich mit dem Westen eine günstige Prognose zu stellen
ist- Der Verfasser bemerkt darüber wörtlich: "Die Erscheinung ist ja auch
begründet durch die Verbesserung des Verkehrswesens und die Vermehrung der
Bevölkerung. Eine weitere Entwicklung dieser beiden Momente wird unstreitig
den Preisausgleich beschleunigen und sollte daher von landwirtschaftlicher Seite
aus diesem Grunde nach Möglichkeit gefördert werden."

Die Verkehrs- und Absatzverhältnisse bieten nach den Untersuchungen ein
in gewissem Sinne überraschendes Bild. Was zunächst die Eisenbahnen be-
irifft, so kommen solche auf je

1000 bien Grundfläche 100000 Einwohner
in Ka Ka
Ostpreußen..... 51,1 "3,8
Westpreuszen , , , , 67,3 "7,
Pommern..... 56,5 ivo-
Posen...... "3,8 WS,0
Königreich Preußen , . 79,1 "'^

Wenn der Verfasser dazu bemerkt, daß ..darnach" das Eisenbahnwesen sür
die östlichen Provinzen als gering entwickelt bezeichnet werden müsse, und
seine Förderung eine wichtige Aufgabe sei. so ist das mit Einschränkung zu¬
zugeben, wenn man nicht zu den seltsamsten Folgerungen gelangen will.
Die Menschen spielen bei der Beurteilung des Bedürfnisses nach Eisenbahnen


Die Landwirtschaft im preußischen Vsten

Alle vier Ostprovinzen stehen sonach an Acker- und Gartenland über dem
Preußischen Durchschnitt, an Forsten dagegen darunter. Besonders tief stehen
sie in der Volksdichtigkcit. Dabei machte die landwirtschaftliche Bevölkerung im
Jahre 1895 in Ostpreußen 57,2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, in West-
Preußen 54,0 Prozent, in Pommern 47,5 Prozent und in Posen 58,2 Prozent,
während der preußische Durchschnitt 34.8 Prozent betrug und außer den ge¬
nannten vier Provinzen nur Hannover mehr als 40 Prozent (d. h. 41,6 Prozent)
aufwies.

Was die Preise der landwirtschaftlichen Produkte betrifft, so kommt die
Untersuchung zu dem Ergebnis, „daß in den Getreidepreisnvtirnngen durchaus
nicht permanente Verhältnisse zu Ungunsten des Ostens existiren." und daß
jedenfalls „die Differenzen zwischen den Preisen östlicher und westlicher Märkte
nicht den Eisenbahnfrachten entsprechend, sondern beträchtlich niedriger" sind.
Auch bezüglich der tierischen Produkte sind die Preise im Osten bei einzelnen
wichtigen Artikeln zeitweise nicht niedriger, sondern höher als im Westen. Im
ganzen wird festgestellt, „daß Differenzen zwischen Osten und Westen in den
Preisen der landwirtschaftlichen Produkte zu Ungunsten des Ostens vorhanden
sind, daß diese Unterschiede aber keineswegs einen bedenklichen Grad erreichen."

Des weitern haben aber die Untersuchungen zugleich ergeben, daß sich
diese Preisunterschiede zwischen Osten und Westen mit der Zeit und namentlich
in der jüngern Vergangenheit verringert haben, und dem Osten in Bezug auf
den weitern Preisausgleich mit dem Westen eine günstige Prognose zu stellen
ist- Der Verfasser bemerkt darüber wörtlich: „Die Erscheinung ist ja auch
begründet durch die Verbesserung des Verkehrswesens und die Vermehrung der
Bevölkerung. Eine weitere Entwicklung dieser beiden Momente wird unstreitig
den Preisausgleich beschleunigen und sollte daher von landwirtschaftlicher Seite
aus diesem Grunde nach Möglichkeit gefördert werden."

Die Verkehrs- und Absatzverhältnisse bieten nach den Untersuchungen ein
in gewissem Sinne überraschendes Bild. Was zunächst die Eisenbahnen be-
irifft, so kommen solche auf je

1000 bien Grundfläche 100000 Einwohner
in Ka Ka
Ostpreußen..... 51,1 "3,8
Westpreuszen , , , , 67,3 »7,
Pommern..... 56,5 ivo-
Posen...... «3,8 WS,0
Königreich Preußen , . 79,1 »'^

Wenn der Verfasser dazu bemerkt, daß ..darnach" das Eisenbahnwesen sür
die östlichen Provinzen als gering entwickelt bezeichnet werden müsse, und
seine Förderung eine wichtige Aufgabe sei. so ist das mit Einschränkung zu¬
zugeben, wenn man nicht zu den seltsamsten Folgerungen gelangen will.
Die Menschen spielen bei der Beurteilung des Bedürfnisses nach Eisenbahnen


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[0137] Die Landwirtschaft im preußischen Vsten Alle vier Ostprovinzen stehen sonach an Acker- und Gartenland über dem Preußischen Durchschnitt, an Forsten dagegen darunter. Besonders tief stehen sie in der Volksdichtigkcit. Dabei machte die landwirtschaftliche Bevölkerung im Jahre 1895 in Ostpreußen 57,2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, in West- Preußen 54,0 Prozent, in Pommern 47,5 Prozent und in Posen 58,2 Prozent, während der preußische Durchschnitt 34.8 Prozent betrug und außer den ge¬ nannten vier Provinzen nur Hannover mehr als 40 Prozent (d. h. 41,6 Prozent) aufwies. Was die Preise der landwirtschaftlichen Produkte betrifft, so kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, „daß in den Getreidepreisnvtirnngen durchaus nicht permanente Verhältnisse zu Ungunsten des Ostens existiren." und daß jedenfalls „die Differenzen zwischen den Preisen östlicher und westlicher Märkte nicht den Eisenbahnfrachten entsprechend, sondern beträchtlich niedriger" sind. Auch bezüglich der tierischen Produkte sind die Preise im Osten bei einzelnen wichtigen Artikeln zeitweise nicht niedriger, sondern höher als im Westen. Im ganzen wird festgestellt, „daß Differenzen zwischen Osten und Westen in den Preisen der landwirtschaftlichen Produkte zu Ungunsten des Ostens vorhanden sind, daß diese Unterschiede aber keineswegs einen bedenklichen Grad erreichen." Des weitern haben aber die Untersuchungen zugleich ergeben, daß sich diese Preisunterschiede zwischen Osten und Westen mit der Zeit und namentlich in der jüngern Vergangenheit verringert haben, und dem Osten in Bezug auf den weitern Preisausgleich mit dem Westen eine günstige Prognose zu stellen ist- Der Verfasser bemerkt darüber wörtlich: „Die Erscheinung ist ja auch begründet durch die Verbesserung des Verkehrswesens und die Vermehrung der Bevölkerung. Eine weitere Entwicklung dieser beiden Momente wird unstreitig den Preisausgleich beschleunigen und sollte daher von landwirtschaftlicher Seite aus diesem Grunde nach Möglichkeit gefördert werden." Die Verkehrs- und Absatzverhältnisse bieten nach den Untersuchungen ein in gewissem Sinne überraschendes Bild. Was zunächst die Eisenbahnen be- irifft, so kommen solche auf je 1000 bien Grundfläche 100000 Einwohner in Ka Ka Ostpreußen..... 51,1 "3,8 Westpreuszen , , , , 67,3 »7, Pommern..... 56,5 ivo- Posen...... «3,8 WS,0 Königreich Preußen , . 79,1 »'^ Wenn der Verfasser dazu bemerkt, daß ..darnach" das Eisenbahnwesen sür die östlichen Provinzen als gering entwickelt bezeichnet werden müsse, und seine Förderung eine wichtige Aufgabe sei. so ist das mit Einschränkung zu¬ zugeben, wenn man nicht zu den seltsamsten Folgerungen gelangen will. Die Menschen spielen bei der Beurteilung des Bedürfnisses nach Eisenbahnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/137>, abgerufen am 24.07.2024.