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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Der japanische Farlienholzschnitt

deutsche Kunst einzudringen beginnt, kein Erzeugnis des deutschen Geistes,
sondern vom Ausland zu uus gekommen. Seine Heimat ist Paris, der große
Kessel, worin alle Moden, Kleidermoden wie Kunstmoden, von geschickten Köchen
zusammengerührt werden. Die Ursachen seiner Entstehung sind zwiefacher Art,
teils liegen sie auf dem Gebiete des Kunstgewerbes, teils auf dem der Malerei.

Die Pariser Weltausstellung des Jahres 1867 war ein großer Triumph
des japanischen Kunstgewerbes. Da konnte man Bronzesachen, Porzellanvasen,
seidengestickte Wandschirme und Gewänder sehen, die die ungelenke Bewundrung
aller Kenner hervorriefen und auch in der That wegen ihrer vollendeten
Technik und ihrer schönen Farbenzusammenstellung unsern Künstlern nur als
Muster vorgehalten werden konnten.

Anfangs blieb die Bewundrung dieser Dinge auf einen kleinen Kreis von
Liebhabern beschränkt. Man gründete eine Gesellschaft, die soeiötv ein ^of'1g.r,
die allmonatlich einmal in Sevres zusammenkam und den Kampf für die japa¬
nische Kunst auf ihre Fahne geschrieben hatte. Die Mitglieder der Gesellschaft
und einige andre künstlerische Feinschmecker sammelten japanische Kunsterzeug¬
nisse, sowohl kunstgewerbliche Gegenstände als auch Farbenholzschnitte. Diese
waren schon früher, nämlich seit der Londoner Weltausstellung von 1862,
gleichzeitig in London und in Paris bekannt geworden. Der Kunsthandel, der
wenig nach dem thatsächlichen Wert der Dinge fragt, sondern die Mode aus¬
nutzt, wie sie sich ihm bietet, bemächtigte sich der neuen Liebhaberei. Die Preise
der wertvollen ältern Kunsterzeugnisse stiegen alsbald zu schwindelhafter Höhe
empor. Damit war der Erfolg der Bewegung entschieden. Das Kapital, das
ja immer erst hinter ein paar Leithämmeln hertrottet, nahm sich der Sache
an: Dinge, die so unmenschlich teuer waren, mußten ja einen kolossalen Kunst¬
wert haben. Und diese dekorativen Werke waren auch in ihrer Art ersten Ranges.
Der Aufschwung des modernen Kunstgewerbes, der gerade damals einsetzte,
kam der Liebhaberei zu Hilfe. Einer schob den andern, keiner wollte zurück¬
bleiben. Wie eine Lawine wälzte sich der Japanismus durch Paris und die
andern europäischen Metropolen. Auch Deutschland wurde von ihm ergriffen.
Von den teuern alten Kunstwerken ging man zu den billigen modernen über.
Große Gebiete der japanischen Fabrikation eroberten den deutschen Markt; bis
in die kleinsten Städte hinein drangen die japanischen Schirme, die japanischen
Lackarbeiten, die japanischen Fächer. Das "Villig und Schlecht" spielte hier
bald dieselbe Rolle wie in andern Gebieten der dekorativen Kunst.

Alles das ist bekannt und soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Man
weiß ja, wodurch diese Bewegung besonders in Deutschland unterstützt wurde.
In den achtziger Jahren, als man übersättigt war von alten Stilarten,
nachdem man zuerst von der deutschen Renaissance, dann vom Barock, zuletzt
vom Rokoko gelernt, binnen der denkbar kürzesten Zeit drei Stile der Ver¬
gangenheit wieder neu durchgemacht hatte und nun vor der Alternative stand,
entweder mit der Reihe von vorn zu beginnen oder -- den allgemein für


Der japanische Farlienholzschnitt

deutsche Kunst einzudringen beginnt, kein Erzeugnis des deutschen Geistes,
sondern vom Ausland zu uus gekommen. Seine Heimat ist Paris, der große
Kessel, worin alle Moden, Kleidermoden wie Kunstmoden, von geschickten Köchen
zusammengerührt werden. Die Ursachen seiner Entstehung sind zwiefacher Art,
teils liegen sie auf dem Gebiete des Kunstgewerbes, teils auf dem der Malerei.

Die Pariser Weltausstellung des Jahres 1867 war ein großer Triumph
des japanischen Kunstgewerbes. Da konnte man Bronzesachen, Porzellanvasen,
seidengestickte Wandschirme und Gewänder sehen, die die ungelenke Bewundrung
aller Kenner hervorriefen und auch in der That wegen ihrer vollendeten
Technik und ihrer schönen Farbenzusammenstellung unsern Künstlern nur als
Muster vorgehalten werden konnten.

Anfangs blieb die Bewundrung dieser Dinge auf einen kleinen Kreis von
Liebhabern beschränkt. Man gründete eine Gesellschaft, die soeiötv ein ^of'1g.r,
die allmonatlich einmal in Sevres zusammenkam und den Kampf für die japa¬
nische Kunst auf ihre Fahne geschrieben hatte. Die Mitglieder der Gesellschaft
und einige andre künstlerische Feinschmecker sammelten japanische Kunsterzeug¬
nisse, sowohl kunstgewerbliche Gegenstände als auch Farbenholzschnitte. Diese
waren schon früher, nämlich seit der Londoner Weltausstellung von 1862,
gleichzeitig in London und in Paris bekannt geworden. Der Kunsthandel, der
wenig nach dem thatsächlichen Wert der Dinge fragt, sondern die Mode aus¬
nutzt, wie sie sich ihm bietet, bemächtigte sich der neuen Liebhaberei. Die Preise
der wertvollen ältern Kunsterzeugnisse stiegen alsbald zu schwindelhafter Höhe
empor. Damit war der Erfolg der Bewegung entschieden. Das Kapital, das
ja immer erst hinter ein paar Leithämmeln hertrottet, nahm sich der Sache
an: Dinge, die so unmenschlich teuer waren, mußten ja einen kolossalen Kunst¬
wert haben. Und diese dekorativen Werke waren auch in ihrer Art ersten Ranges.
Der Aufschwung des modernen Kunstgewerbes, der gerade damals einsetzte,
kam der Liebhaberei zu Hilfe. Einer schob den andern, keiner wollte zurück¬
bleiben. Wie eine Lawine wälzte sich der Japanismus durch Paris und die
andern europäischen Metropolen. Auch Deutschland wurde von ihm ergriffen.
Von den teuern alten Kunstwerken ging man zu den billigen modernen über.
Große Gebiete der japanischen Fabrikation eroberten den deutschen Markt; bis
in die kleinsten Städte hinein drangen die japanischen Schirme, die japanischen
Lackarbeiten, die japanischen Fächer. Das „Villig und Schlecht" spielte hier
bald dieselbe Rolle wie in andern Gebieten der dekorativen Kunst.

Alles das ist bekannt und soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Man
weiß ja, wodurch diese Bewegung besonders in Deutschland unterstützt wurde.
In den achtziger Jahren, als man übersättigt war von alten Stilarten,
nachdem man zuerst von der deutschen Renaissance, dann vom Barock, zuletzt
vom Rokoko gelernt, binnen der denkbar kürzesten Zeit drei Stile der Ver¬
gangenheit wieder neu durchgemacht hatte und nun vor der Alternative stand,
entweder mit der Reihe von vorn zu beginnen oder — den allgemein für


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[0092] Der japanische Farlienholzschnitt deutsche Kunst einzudringen beginnt, kein Erzeugnis des deutschen Geistes, sondern vom Ausland zu uus gekommen. Seine Heimat ist Paris, der große Kessel, worin alle Moden, Kleidermoden wie Kunstmoden, von geschickten Köchen zusammengerührt werden. Die Ursachen seiner Entstehung sind zwiefacher Art, teils liegen sie auf dem Gebiete des Kunstgewerbes, teils auf dem der Malerei. Die Pariser Weltausstellung des Jahres 1867 war ein großer Triumph des japanischen Kunstgewerbes. Da konnte man Bronzesachen, Porzellanvasen, seidengestickte Wandschirme und Gewänder sehen, die die ungelenke Bewundrung aller Kenner hervorriefen und auch in der That wegen ihrer vollendeten Technik und ihrer schönen Farbenzusammenstellung unsern Künstlern nur als Muster vorgehalten werden konnten. Anfangs blieb die Bewundrung dieser Dinge auf einen kleinen Kreis von Liebhabern beschränkt. Man gründete eine Gesellschaft, die soeiötv ein ^of'1g.r, die allmonatlich einmal in Sevres zusammenkam und den Kampf für die japa¬ nische Kunst auf ihre Fahne geschrieben hatte. Die Mitglieder der Gesellschaft und einige andre künstlerische Feinschmecker sammelten japanische Kunsterzeug¬ nisse, sowohl kunstgewerbliche Gegenstände als auch Farbenholzschnitte. Diese waren schon früher, nämlich seit der Londoner Weltausstellung von 1862, gleichzeitig in London und in Paris bekannt geworden. Der Kunsthandel, der wenig nach dem thatsächlichen Wert der Dinge fragt, sondern die Mode aus¬ nutzt, wie sie sich ihm bietet, bemächtigte sich der neuen Liebhaberei. Die Preise der wertvollen ältern Kunsterzeugnisse stiegen alsbald zu schwindelhafter Höhe empor. Damit war der Erfolg der Bewegung entschieden. Das Kapital, das ja immer erst hinter ein paar Leithämmeln hertrottet, nahm sich der Sache an: Dinge, die so unmenschlich teuer waren, mußten ja einen kolossalen Kunst¬ wert haben. Und diese dekorativen Werke waren auch in ihrer Art ersten Ranges. Der Aufschwung des modernen Kunstgewerbes, der gerade damals einsetzte, kam der Liebhaberei zu Hilfe. Einer schob den andern, keiner wollte zurück¬ bleiben. Wie eine Lawine wälzte sich der Japanismus durch Paris und die andern europäischen Metropolen. Auch Deutschland wurde von ihm ergriffen. Von den teuern alten Kunstwerken ging man zu den billigen modernen über. Große Gebiete der japanischen Fabrikation eroberten den deutschen Markt; bis in die kleinsten Städte hinein drangen die japanischen Schirme, die japanischen Lackarbeiten, die japanischen Fächer. Das „Villig und Schlecht" spielte hier bald dieselbe Rolle wie in andern Gebieten der dekorativen Kunst. Alles das ist bekannt und soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Man weiß ja, wodurch diese Bewegung besonders in Deutschland unterstützt wurde. In den achtziger Jahren, als man übersättigt war von alten Stilarten, nachdem man zuerst von der deutschen Renaissance, dann vom Barock, zuletzt vom Rokoko gelernt, binnen der denkbar kürzesten Zeit drei Stile der Ver¬ gangenheit wieder neu durchgemacht hatte und nun vor der Alternative stand, entweder mit der Reihe von vorn zu beginnen oder — den allgemein für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/92>, abgerufen am 01.09.2024.