Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.Aus Württemberg einem Zustande des Zusammenwachsens der Bestandteile, aus denen 1803 Je länger die Debatte dauerte, desto sichrer wurde der Ausgang. Das Da die Ablehnung der Anträge unter den gegebnen Verhältniffen zum Aus Württemberg einem Zustande des Zusammenwachsens der Bestandteile, aus denen 1803 Je länger die Debatte dauerte, desto sichrer wurde der Ausgang. Das Da die Ablehnung der Anträge unter den gegebnen Verhältniffen zum <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228380"/> <fw type="header" place="top"> Aus Württemberg</fw><lb/> <p xml:id="ID_198" prev="#ID_197"> einem Zustande des Zusammenwachsens der Bestandteile, aus denen 1803<lb/> durch den Neichsdeputationshauptschluß das heutige Württemberg erwuchs;<lb/> die Orden würden, da sie eine ausgeprägt agitatorische Seite haben, diesen<lb/> notwendigen Verschmelzungsprozeß hemmen; wir können sie nicht brauchen.<lb/> Im Gegenteil, warf da der katholische Dekan Kollmann ein; der Zwiespalt<lb/> dauert bloß deshalb solange fort, weil man uns das Recht vorenthält; sobald<lb/> die Evangelischen uns gerecht und billig behandeln, so ist der Friede da; xax<lb/> 68t Mtitig., sagt die Schrift, osLul^of sunt; der Friede folgt auf die Ge¬<lb/> rechtigkeit. Wenn wir das gewiß wüßten, klang es von der evangelischen Seite<lb/> wieder hinüber, so wollten wir ja gern mit uns reden lassen; aber bisher hat<lb/> man niemals ein Ende der Ansprüche Roms erlebt; aus jeder Nachgiebigkeit<lb/> des Staates schöpft es nur den Antrieb zu höher gespannten Forderungen;<lb/> es handhabt eine Schraube ohne Ende — da gilt es von vornherein: ?rw<zixiis<lb/> vvstg,! Landgraf, werde hart! Und wenn schließlich die katholischen Pfarrer<lb/> in der Kammer mit der Behauptung auftraten, daß sie die Ordensleute zur<lb/> Aushilfe, namentlich zur Osterzeit, brauchten, so antwortete die Mehrheit: Bei<lb/> uns kommt ein katholischer Pfarrer auf 500 bis 600 Seelen, in Baden auf<lb/> 1200 bis 1300; wo soll da ein Notstand sein?</p><lb/> <p xml:id="ID_199"> Je länger die Debatte dauerte, desto sichrer wurde der Ausgang. Das<lb/> Ministerium erklärte gleich am 11. Mai durch den Mund des Freiherrn<lb/> von Mittnacht, daß es die Antrüge als Ganzes wie in allen ihren Teilen als<lb/> unannehmbar bezeichnen müsse; er reizte dadurch Grober, den eigentlichen Vater<lb/> der Anträge, so, daß er mit erhobner Stimme das Ministerium der Rechts-<lb/> verweigerung anklagte. Nun wohl, rief der Freiherr, die Anklage ist gestellt;<lb/> das Haus mag über sie befinden. Er gab so der Abstimmung das Gepräge<lb/> einer Vertrauens- oder Mißtrauenskundgebung, und mit achtundfunfzig gegen<lb/> zweiundzwanzig Stimmen wurden die Initiativanträge abgelehnt. Die demo¬<lb/> kratische Volkspartei bildete fast die volle Hälfte der Mehrheit; das Zentrum<lb/> stand völlig allein!</p><lb/> <p xml:id="ID_200" next="#ID_201"> Da die Ablehnung der Anträge unter den gegebnen Verhältniffen zum<lb/> voraus feststand, so fragt man sich unwillkürlich, weshalb denn das Zentrum<lb/> sie gerade unter diesen Umständen einbrachte und nicht lieber einen geeignetem<lb/> Zeitpunkt auswählte. Es mußte nämlich notwendig Erbitterung hervorrufen,<lb/> daß die Partei plötzlich in der zwölften Stunde der Verhandlungen über die<lb/> Verfaffungsdurchsicht mit der Erklärung hervortrat: Entweder gewährt ihr uns<lb/> die drei Forderungen, oder wir werden uns genötigt sehen zu prüfen, ob wir<lb/> das Verfassungswerk, das unsre parlamentarische Stellung verschlechtert und<lb/> die Rechte unsrer Kirche gefährdet, überhaupt noch gut heißen können. Ganz<lb/> mit demselben Recht hätte dann auch die nationale Partei gegen den Verzicht<lb/> auf die Bevorrechteten (die fast alle für sie sichere und treue Bundesgenossen<lb/> waren) Bürgschaften für die Behandlung nationaler Aufgaben verlangen können;</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
Aus Württemberg
einem Zustande des Zusammenwachsens der Bestandteile, aus denen 1803
durch den Neichsdeputationshauptschluß das heutige Württemberg erwuchs;
die Orden würden, da sie eine ausgeprägt agitatorische Seite haben, diesen
notwendigen Verschmelzungsprozeß hemmen; wir können sie nicht brauchen.
Im Gegenteil, warf da der katholische Dekan Kollmann ein; der Zwiespalt
dauert bloß deshalb solange fort, weil man uns das Recht vorenthält; sobald
die Evangelischen uns gerecht und billig behandeln, so ist der Friede da; xax
68t Mtitig., sagt die Schrift, osLul^of sunt; der Friede folgt auf die Ge¬
rechtigkeit. Wenn wir das gewiß wüßten, klang es von der evangelischen Seite
wieder hinüber, so wollten wir ja gern mit uns reden lassen; aber bisher hat
man niemals ein Ende der Ansprüche Roms erlebt; aus jeder Nachgiebigkeit
des Staates schöpft es nur den Antrieb zu höher gespannten Forderungen;
es handhabt eine Schraube ohne Ende — da gilt es von vornherein: ?rw<zixiis
vvstg,! Landgraf, werde hart! Und wenn schließlich die katholischen Pfarrer
in der Kammer mit der Behauptung auftraten, daß sie die Ordensleute zur
Aushilfe, namentlich zur Osterzeit, brauchten, so antwortete die Mehrheit: Bei
uns kommt ein katholischer Pfarrer auf 500 bis 600 Seelen, in Baden auf
1200 bis 1300; wo soll da ein Notstand sein?
Je länger die Debatte dauerte, desto sichrer wurde der Ausgang. Das
Ministerium erklärte gleich am 11. Mai durch den Mund des Freiherrn
von Mittnacht, daß es die Antrüge als Ganzes wie in allen ihren Teilen als
unannehmbar bezeichnen müsse; er reizte dadurch Grober, den eigentlichen Vater
der Anträge, so, daß er mit erhobner Stimme das Ministerium der Rechts-
verweigerung anklagte. Nun wohl, rief der Freiherr, die Anklage ist gestellt;
das Haus mag über sie befinden. Er gab so der Abstimmung das Gepräge
einer Vertrauens- oder Mißtrauenskundgebung, und mit achtundfunfzig gegen
zweiundzwanzig Stimmen wurden die Initiativanträge abgelehnt. Die demo¬
kratische Volkspartei bildete fast die volle Hälfte der Mehrheit; das Zentrum
stand völlig allein!
Da die Ablehnung der Anträge unter den gegebnen Verhältniffen zum
voraus feststand, so fragt man sich unwillkürlich, weshalb denn das Zentrum
sie gerade unter diesen Umständen einbrachte und nicht lieber einen geeignetem
Zeitpunkt auswählte. Es mußte nämlich notwendig Erbitterung hervorrufen,
daß die Partei plötzlich in der zwölften Stunde der Verhandlungen über die
Verfaffungsdurchsicht mit der Erklärung hervortrat: Entweder gewährt ihr uns
die drei Forderungen, oder wir werden uns genötigt sehen zu prüfen, ob wir
das Verfassungswerk, das unsre parlamentarische Stellung verschlechtert und
die Rechte unsrer Kirche gefährdet, überhaupt noch gut heißen können. Ganz
mit demselben Recht hätte dann auch die nationale Partei gegen den Verzicht
auf die Bevorrechteten (die fast alle für sie sichere und treue Bundesgenossen
waren) Bürgschaften für die Behandlung nationaler Aufgaben verlangen können;
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