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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Ebenbürtigkeit

offenbar die Ansicht hervorleuchtet, daß es wegen der Verwandtschaftsehen nicht
gut sei, die regierenden Familien auf das Heiraten unter sich zu beschränken,
sodann, weil Röscher an die Erwünschtheit einer laxern Ebenbürtigkeitspraxis,
d. h. einer solchen, die auch den niedern Adel für ebenbürtig ansieht, offenbar
gar nicht denkt-

Wenn man nun die Geschichte der Ebenbürtigkeit rückschauend unparteiisch
und unbefangen betrachtet, so scheint, was zunächst Deutschland betrifft, das Eben¬
bürtigkeitsrecht im Laufe der Jahrhunderte immer engere Grenzen anzunehmen.
Daß gegenwärtig die Rechtsüberzeugung weitaus der größten Mehrzahl der
regierenden Familien Deutschlands dahin geht, daß ihre männlichen Mitglieder
nur mit Damen aus regierenden oder mediatisirten Häusern ebenbürtige Ehen
eingehen können, unterliegt keinem Zweifel. Es ist ferner heute schon ganz
offenbar, daß die Entwicklung dahin drängt, die regierenden Familien auf
Heiraten unter sich zu beschränken, d. h. auch die mediatisirten Häuser von
der Ebenbürtigkeit mit den regierenden Familien auszuscheiden. Das zeigt vor
allem die Eheschließnngspraxis der regierenden Häuser Deutschlands im weitern
Verlaufe des neunzehnten Jahrhunderts. Das hat auch Röscher richtig er¬
kannt, da er in der mitgeteilten Stelle ausspricht, daß nach seiner Ansicht zu
wenig, d. h. in Wirklichkeit sehr wenig Ehen zwischen Herren aus regierenden
und Damen ans mediatisirten Hünsern geschlossen werden. Daß dem so ist,
ist auch gar nicht zu verwundern, denn: "der thatsächliche Unterschied zwischen
den regierenden und den mediatisirten Familien ist zu groß, als daß er nicht
auch in der Ebenbürtigkeitslehre sich bemerkbar machen würde. Die einen
isolire" sich in ihrer Herrscherstellung, während die andern immer mehr in der
allgemeinen Klasse der Staatsbürger und Unterthanen verschwinden." (Boll-
mcmn in einer von der Universität Göttingen gekrönten Preisschrift.)

Einen bezeichnenden Ausdruck findet dieses sehr strenge Rechtsbewußtsein
der regierenden Familien Deutschlands darin, daß z. B. das neue Oldenburgische
Hausgesetz vom 1. September 1872 schon die Einschränkung für die media¬
tisirten Häuser enthält, daß Damen aus solchen Häusern nur dünn den Prinzen
des Hauses Oldenburg ebenbürtig sind, wenn auch in dem betreffenden media¬
tisirten Hause strenge Ebenbürtigkeitsgrundsätze gelten. Bezeichnend ist es auch,
daß das Württembergische Hausgesetz vom 1. Januar 1808 schon bestimmte,
daß als standesmäßige und ebenbürtige Ehen mir solche anzusehen sind,
"welche mit Prinzen und Prinzessinnen, die zu Kaiserlichen, Königlichen,
Großherzoglichen oder souveränen Herzoglichen Häusern gehören, geschloffen
werden."

Um nun auch die außerdeutschen regierenden Häuser in den Kreis der
Betrachtung zu ziehen, so sieht man in diesen im Verlaufe des neunzehnten
Jahrhunderts ganz unverkennbar eine Annäherung an das Rechtsbewußtsein
der regierenden Familien Deutschlands. Das zeigt sich einmal darin, daß auch


Grenzboten III 1898 69
Ebenbürtigkeit

offenbar die Ansicht hervorleuchtet, daß es wegen der Verwandtschaftsehen nicht
gut sei, die regierenden Familien auf das Heiraten unter sich zu beschränken,
sodann, weil Röscher an die Erwünschtheit einer laxern Ebenbürtigkeitspraxis,
d. h. einer solchen, die auch den niedern Adel für ebenbürtig ansieht, offenbar
gar nicht denkt-

Wenn man nun die Geschichte der Ebenbürtigkeit rückschauend unparteiisch
und unbefangen betrachtet, so scheint, was zunächst Deutschland betrifft, das Eben¬
bürtigkeitsrecht im Laufe der Jahrhunderte immer engere Grenzen anzunehmen.
Daß gegenwärtig die Rechtsüberzeugung weitaus der größten Mehrzahl der
regierenden Familien Deutschlands dahin geht, daß ihre männlichen Mitglieder
nur mit Damen aus regierenden oder mediatisirten Häusern ebenbürtige Ehen
eingehen können, unterliegt keinem Zweifel. Es ist ferner heute schon ganz
offenbar, daß die Entwicklung dahin drängt, die regierenden Familien auf
Heiraten unter sich zu beschränken, d. h. auch die mediatisirten Häuser von
der Ebenbürtigkeit mit den regierenden Familien auszuscheiden. Das zeigt vor
allem die Eheschließnngspraxis der regierenden Häuser Deutschlands im weitern
Verlaufe des neunzehnten Jahrhunderts. Das hat auch Röscher richtig er¬
kannt, da er in der mitgeteilten Stelle ausspricht, daß nach seiner Ansicht zu
wenig, d. h. in Wirklichkeit sehr wenig Ehen zwischen Herren aus regierenden
und Damen ans mediatisirten Hünsern geschlossen werden. Daß dem so ist,
ist auch gar nicht zu verwundern, denn: „der thatsächliche Unterschied zwischen
den regierenden und den mediatisirten Familien ist zu groß, als daß er nicht
auch in der Ebenbürtigkeitslehre sich bemerkbar machen würde. Die einen
isolire» sich in ihrer Herrscherstellung, während die andern immer mehr in der
allgemeinen Klasse der Staatsbürger und Unterthanen verschwinden." (Boll-
mcmn in einer von der Universität Göttingen gekrönten Preisschrift.)

Einen bezeichnenden Ausdruck findet dieses sehr strenge Rechtsbewußtsein
der regierenden Familien Deutschlands darin, daß z. B. das neue Oldenburgische
Hausgesetz vom 1. September 1872 schon die Einschränkung für die media¬
tisirten Häuser enthält, daß Damen aus solchen Häusern nur dünn den Prinzen
des Hauses Oldenburg ebenbürtig sind, wenn auch in dem betreffenden media¬
tisirten Hause strenge Ebenbürtigkeitsgrundsätze gelten. Bezeichnend ist es auch,
daß das Württembergische Hausgesetz vom 1. Januar 1808 schon bestimmte,
daß als standesmäßige und ebenbürtige Ehen mir solche anzusehen sind,
„welche mit Prinzen und Prinzessinnen, die zu Kaiserlichen, Königlichen,
Großherzoglichen oder souveränen Herzoglichen Häusern gehören, geschloffen
werden."

Um nun auch die außerdeutschen regierenden Häuser in den Kreis der
Betrachtung zu ziehen, so sieht man in diesen im Verlaufe des neunzehnten
Jahrhunderts ganz unverkennbar eine Annäherung an das Rechtsbewußtsein
der regierenden Familien Deutschlands. Das zeigt sich einmal darin, daß auch


Grenzboten III 1898 69
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[0553] Ebenbürtigkeit offenbar die Ansicht hervorleuchtet, daß es wegen der Verwandtschaftsehen nicht gut sei, die regierenden Familien auf das Heiraten unter sich zu beschränken, sodann, weil Röscher an die Erwünschtheit einer laxern Ebenbürtigkeitspraxis, d. h. einer solchen, die auch den niedern Adel für ebenbürtig ansieht, offenbar gar nicht denkt- Wenn man nun die Geschichte der Ebenbürtigkeit rückschauend unparteiisch und unbefangen betrachtet, so scheint, was zunächst Deutschland betrifft, das Eben¬ bürtigkeitsrecht im Laufe der Jahrhunderte immer engere Grenzen anzunehmen. Daß gegenwärtig die Rechtsüberzeugung weitaus der größten Mehrzahl der regierenden Familien Deutschlands dahin geht, daß ihre männlichen Mitglieder nur mit Damen aus regierenden oder mediatisirten Häusern ebenbürtige Ehen eingehen können, unterliegt keinem Zweifel. Es ist ferner heute schon ganz offenbar, daß die Entwicklung dahin drängt, die regierenden Familien auf Heiraten unter sich zu beschränken, d. h. auch die mediatisirten Häuser von der Ebenbürtigkeit mit den regierenden Familien auszuscheiden. Das zeigt vor allem die Eheschließnngspraxis der regierenden Häuser Deutschlands im weitern Verlaufe des neunzehnten Jahrhunderts. Das hat auch Röscher richtig er¬ kannt, da er in der mitgeteilten Stelle ausspricht, daß nach seiner Ansicht zu wenig, d. h. in Wirklichkeit sehr wenig Ehen zwischen Herren aus regierenden und Damen ans mediatisirten Hünsern geschlossen werden. Daß dem so ist, ist auch gar nicht zu verwundern, denn: „der thatsächliche Unterschied zwischen den regierenden und den mediatisirten Familien ist zu groß, als daß er nicht auch in der Ebenbürtigkeitslehre sich bemerkbar machen würde. Die einen isolire» sich in ihrer Herrscherstellung, während die andern immer mehr in der allgemeinen Klasse der Staatsbürger und Unterthanen verschwinden." (Boll- mcmn in einer von der Universität Göttingen gekrönten Preisschrift.) Einen bezeichnenden Ausdruck findet dieses sehr strenge Rechtsbewußtsein der regierenden Familien Deutschlands darin, daß z. B. das neue Oldenburgische Hausgesetz vom 1. September 1872 schon die Einschränkung für die media¬ tisirten Häuser enthält, daß Damen aus solchen Häusern nur dünn den Prinzen des Hauses Oldenburg ebenbürtig sind, wenn auch in dem betreffenden media¬ tisirten Hause strenge Ebenbürtigkeitsgrundsätze gelten. Bezeichnend ist es auch, daß das Württembergische Hausgesetz vom 1. Januar 1808 schon bestimmte, daß als standesmäßige und ebenbürtige Ehen mir solche anzusehen sind, „welche mit Prinzen und Prinzessinnen, die zu Kaiserlichen, Königlichen, Großherzoglichen oder souveränen Herzoglichen Häusern gehören, geschloffen werden." Um nun auch die außerdeutschen regierenden Häuser in den Kreis der Betrachtung zu ziehen, so sieht man in diesen im Verlaufe des neunzehnten Jahrhunderts ganz unverkennbar eine Annäherung an das Rechtsbewußtsein der regierenden Familien Deutschlands. Das zeigt sich einmal darin, daß auch Grenzboten III 1898 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/553>, abgerufen am 01.09.2024.