Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.LvNLlltuki lolMVX Hinterpommern, obgleich es natürlich auch dort eine Schweiz giebt. In der That Aber derartige Vervollkommnungen Pflegen nicht lange auszubleiben. Als Ortsnamen legen vielfach Zeugnis dafür ab, daß das Land dereinst von LvNLlltuki lolMVX Hinterpommern, obgleich es natürlich auch dort eine Schweiz giebt. In der That Aber derartige Vervollkommnungen Pflegen nicht lange auszubleiben. Als Ortsnamen legen vielfach Zeugnis dafür ab, daß das Land dereinst von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0052" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228354"/> <fw type="header" place="top"> LvNLlltuki lolMVX</fw><lb/> <p xml:id="ID_134" prev="#ID_133"> Hinterpommern, obgleich es natürlich auch dort eine Schweiz giebt. In der That<lb/> hätte der Landrücken von der Oder zur Weichsel mit seinen Getreidefeldern, Heide¬<lb/> strecken und mäßigen Waldbeständen nicht viel verlockendes, wenn nicht wie meistens<lb/> in Niedersachsen, auch in Holland und Dänemark, die Küste Entschädigung gewährte.<lb/> Schon die Ostsee selbst verdient durchaus nicht die Geringschätzung, die ihr gemein¬<lb/> hin zuteil Wird. Sie entbehrt der Ebbe und Flut, ist zu salzarm, um noch Austern<lb/> ernähren zu können, wie laut Zeugnis der Kjökkenmöddinger zur Steinzeit; aber<lb/> ihr lichtes Blau verfügt über feinere Farbenwirkungen als der tiefe Atlasglanz des<lb/> Mittelmeers und vollends das Graugrün der Nordsee. Dazu ist ihre Düncnwelt<lb/> häufig sehr schön bewachsen, ans den Wiesen im Dünenschutze gedeiht die Parnassia<lb/> wie auf Alpentriften, die launa«», boro-üis, Schilfgewächse mit malerischen Blättern,<lb/> Blüten und Kolben, die vanilleartig duftenden braunen Lxixaetis, mannigfach ge¬<lb/> färbte Gnaphalien und Orchisarten, und die grüne, mit leuchtendem Blau schattirte<lb/> Stranddistel (die vielleicht in der Botanik einen andern Namen führt) habe ich<lb/> nirgends sonst so schön gesehen. Das ebne Hinterland mahnt mit seinen Wiesen<lb/> und Kornfeldern, Buchenwaldungen, roten Dächern und Windmühlen vielfach an<lb/> Holland; und wo einer von den Küstenflüssen einen Landsee gebildet hat, kann man<lb/> von höhern Dünen wohl nach einander die untergehende Sonne und den auf¬<lb/> gehenden Mond sich in den Fluten spiegeln sehen. Möchten die schlichten Fischer¬<lb/> dörfer noch recht lange vor der Art von Eleganz und Komfort behütet werden,<lb/> die das einst so liebliche Scheveningen und andre Badeplätze so ungemütlich gemacht<lb/> haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_135"> Aber derartige Vervollkommnungen Pflegen nicht lange auszubleiben. Als<lb/> uus Knaben ein gebürtiger Hamburger von einem Möbel „Theekumfor" erzählt<lb/> hatte, wußten die meisten Erwachsenen mit dem Nachwort noch so wenig anzu¬<lb/> fangen wie wir; doch wie schnell war Komfort in jedem Munde, selbstverständlich<lb/> in französischer Aussprache. Das gehört in das Kapitel von den Sprachdumm¬<lb/> heiten. Ein andres Beispiel, das schon dem alten Jahr Ärgernis bereitet hat,<lb/> mag hier angefügt werden. Die an halbwegs schiffbaren oder flößgerechten Wasser¬<lb/> lassen gelegnen Küstenstädte haben Hafenvorstädte, Münde geheißen. Aber zwischen<lb/> Travemünde, Warnemünde, Swinemünde, Weichselmüude schieben sich plötzlich<lb/> Namen dieser Art ein, die nicht von einem Flusse, sondern von einer Stadt ge¬<lb/> bildet sind: Kolbergermünde, Rügenwaldermünde haben ihren Platz auch in geo¬<lb/> graphischen Büchern erhalten. Wie der Mißbrauch entstanden ist, liegt auf der<lb/> Hand : das Flüßchen Stolpe läuft an der Stadt Stvlp vorüber, und der richtig gebildete<lb/> Name Stolpmünde hat dazu geführt, deu Flüssen Persante und Wipper ihr Recht<lb/> zu nehmen und auf Städte zu übertragen, die beim besten Willen nicht münden<lb/> können im wahren Sinne.</p><lb/> <p xml:id="ID_136" next="#ID_137"> Ortsnamen legen vielfach Zeugnis dafür ab, daß das Land dereinst von<lb/> Wenden bewohnt gewesen. Der bedentendste Hügel, dem mißgünstige Menschen<lb/> den Titel Berg versagen, heißt der Gollen; die Städte Kolberg, Gollnow, Kostin,<lb/> Stargard, Belgard, Kammin und unzählige andre, auch Familiennamen, haben nahe<lb/> Verwandte weichselaufwärts bis nach Böhmen und den früher türkisch-slawischen<lb/> Ländern; doch nur in dem Winkel des alten Pommercllen, wo die Provinzen<lb/> Pommern und Westpreußen zusammenstoßen, sitzen noch Abkömmlinge der Kassuben,<lb/> die aus Polnischer Zeit mancherlei Lebensgewohnheiten, vor allem jedoch ihre pol¬<lb/> nischen Adelstitel bewahrt haben. Ein Sachse, der zu Anfang der vierziger Jahre<lb/> eine Besitzung bei Blltow geerbt hatte, erzählte, er habe bei der Übernahme seines<lb/> Gutes nur einen Bürgerlichen vorgefunden, den deutschen Inspektor, wogegen ihm</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0052]
LvNLlltuki lolMVX
Hinterpommern, obgleich es natürlich auch dort eine Schweiz giebt. In der That
hätte der Landrücken von der Oder zur Weichsel mit seinen Getreidefeldern, Heide¬
strecken und mäßigen Waldbeständen nicht viel verlockendes, wenn nicht wie meistens
in Niedersachsen, auch in Holland und Dänemark, die Küste Entschädigung gewährte.
Schon die Ostsee selbst verdient durchaus nicht die Geringschätzung, die ihr gemein¬
hin zuteil Wird. Sie entbehrt der Ebbe und Flut, ist zu salzarm, um noch Austern
ernähren zu können, wie laut Zeugnis der Kjökkenmöddinger zur Steinzeit; aber
ihr lichtes Blau verfügt über feinere Farbenwirkungen als der tiefe Atlasglanz des
Mittelmeers und vollends das Graugrün der Nordsee. Dazu ist ihre Düncnwelt
häufig sehr schön bewachsen, ans den Wiesen im Dünenschutze gedeiht die Parnassia
wie auf Alpentriften, die launa«», boro-üis, Schilfgewächse mit malerischen Blättern,
Blüten und Kolben, die vanilleartig duftenden braunen Lxixaetis, mannigfach ge¬
färbte Gnaphalien und Orchisarten, und die grüne, mit leuchtendem Blau schattirte
Stranddistel (die vielleicht in der Botanik einen andern Namen führt) habe ich
nirgends sonst so schön gesehen. Das ebne Hinterland mahnt mit seinen Wiesen
und Kornfeldern, Buchenwaldungen, roten Dächern und Windmühlen vielfach an
Holland; und wo einer von den Küstenflüssen einen Landsee gebildet hat, kann man
von höhern Dünen wohl nach einander die untergehende Sonne und den auf¬
gehenden Mond sich in den Fluten spiegeln sehen. Möchten die schlichten Fischer¬
dörfer noch recht lange vor der Art von Eleganz und Komfort behütet werden,
die das einst so liebliche Scheveningen und andre Badeplätze so ungemütlich gemacht
haben.
Aber derartige Vervollkommnungen Pflegen nicht lange auszubleiben. Als
uus Knaben ein gebürtiger Hamburger von einem Möbel „Theekumfor" erzählt
hatte, wußten die meisten Erwachsenen mit dem Nachwort noch so wenig anzu¬
fangen wie wir; doch wie schnell war Komfort in jedem Munde, selbstverständlich
in französischer Aussprache. Das gehört in das Kapitel von den Sprachdumm¬
heiten. Ein andres Beispiel, das schon dem alten Jahr Ärgernis bereitet hat,
mag hier angefügt werden. Die an halbwegs schiffbaren oder flößgerechten Wasser¬
lassen gelegnen Küstenstädte haben Hafenvorstädte, Münde geheißen. Aber zwischen
Travemünde, Warnemünde, Swinemünde, Weichselmüude schieben sich plötzlich
Namen dieser Art ein, die nicht von einem Flusse, sondern von einer Stadt ge¬
bildet sind: Kolbergermünde, Rügenwaldermünde haben ihren Platz auch in geo¬
graphischen Büchern erhalten. Wie der Mißbrauch entstanden ist, liegt auf der
Hand : das Flüßchen Stolpe läuft an der Stadt Stvlp vorüber, und der richtig gebildete
Name Stolpmünde hat dazu geführt, deu Flüssen Persante und Wipper ihr Recht
zu nehmen und auf Städte zu übertragen, die beim besten Willen nicht münden
können im wahren Sinne.
Ortsnamen legen vielfach Zeugnis dafür ab, daß das Land dereinst von
Wenden bewohnt gewesen. Der bedentendste Hügel, dem mißgünstige Menschen
den Titel Berg versagen, heißt der Gollen; die Städte Kolberg, Gollnow, Kostin,
Stargard, Belgard, Kammin und unzählige andre, auch Familiennamen, haben nahe
Verwandte weichselaufwärts bis nach Böhmen und den früher türkisch-slawischen
Ländern; doch nur in dem Winkel des alten Pommercllen, wo die Provinzen
Pommern und Westpreußen zusammenstoßen, sitzen noch Abkömmlinge der Kassuben,
die aus Polnischer Zeit mancherlei Lebensgewohnheiten, vor allem jedoch ihre pol¬
nischen Adelstitel bewahrt haben. Ein Sachse, der zu Anfang der vierziger Jahre
eine Besitzung bei Blltow geerbt hatte, erzählte, er habe bei der Übernahme seines
Gutes nur einen Bürgerlichen vorgefunden, den deutschen Inspektor, wogegen ihm
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |