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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Der technische Lhiliasmus in der neuern Dichtung

so unglaubliche Fortschritte in dieser und etliche Martier, die schöne La voran,
so beträchtliche im Deutschen, daß sowohl theoretische Verständigungen über
die Raumschiffe der Martier und über ihre wunderwirkende Entdeckung des
kondensirten Äthers, des Nepulsits (mit dem sie einem Geschoß die Geschwindig¬
keit von zehntausend Kilometern in der Sekunde geben können) als auch harm¬
losere aber sehr flüssige Unterhaltungen möglich werden. Nun aber erweist
sich bald, daß die Ruine nicht bloß aus Wißbegier zur Erde gekommen sind,
nicht bloß atmosphärische Luft und Strahlung von ihr nach dem Mars expor-
tiren wollen, sondern auch als Träger der Kultur des Sonnensystems die
Resultate ihrer hunderttausendjährigen Kulturarbeit den Menschen zugänglich
zu machen wünschen. Sie wollen, um sich für diesen edeln Zweck zu Herren
der Erde machen zu können, ihre beiden Gäste mit nach dem Mars führen und
dafür Sorge tragen, daß man in den Kulturstaaten nicht früher von der
Landung der Ruine auf der Erde erfährt, als bis sie all ihre Vorbereitungen
getroffen haben.

Schließlich wird Grunthe im neuen lenkbarem Luftboot der Martier (das
in sechs Stunden vom Nordpol bis Berlin fährt) nach Europa entlassen,
Saltner aber, deu die Liebe für Fräulein La fesselt, nach dem Mars entführt.
Und nun entwickelt sich anstatt des im Sinne der Friedensfreunde gewünschten
Verkehrs zwischen Menschen und Ruinen ein Verhängnis dadurch, daß ein
Luftboot der Marsbewohner, das nach dem geretteten und bei den Eskimos
weilenden Toren suchen soll, in Konflikt mit einem im Smithsund kreuzenden
kleinen englischen Kriegsschiff gerät. Dabei wird zwar der Engländer besiegt,
aber auch das numische Luftboot verletzt, sodaß der von einem Martier ab¬
stammende Ell und Torus Gattin Ihna, die sich bald nach Grunthes Rück¬
kehr auf dem märkischen Luftboot eingeschifft haben, jetzt gleichfalls gezwungen
sind, mit nach dem Mars zu gehen, wo die wunderbaren mechanischen Werk¬
stätten der Ruine sind. Ill, der Befehlshaber der Ruine beim Zusammenstoß
mit dem streitlustigen Briten, hat nicht umsonst pathetisch ausgerufen: "Das
ist also unser erstes Zusammentreffen mit den Menschen, das ist die Ver¬
brüderung der Planeten! Ich hatte es mir anders gedacht. Ich höre, die
Menschen haben unsre Planeten nach dem Gotte des Kriegs genannt; wir
wollten den Frieden bringen, aber es scheint, daß die Berührung mit diesem
wilden Geschlecht uns in die Barbarei zurückwirft. Gott gebe, daß diese Be¬
gegnung kein Vorzeichen ist." Sie wird aber in der That eins. Mit ihrer
Flotte von Luftschiffer und ihren furchtbaren Ausrüstungen, gegen die die
Waffen der Erdenbewohner sich so ziemlich als Erbsenkanonen und Kindcr-
flinten erweisen, besiegen die Martier zuerst die Engländer in einer großen
Seeschlacht bei Portsmouth, erzwingen sich das Protektorat über das ge-
demütigte England und nach und nach über die gesamte Erde. Sie unter¬
sagen von ihrem für die Erdbewohner unerreichbaren Planeten aus jede poli-


Der technische Lhiliasmus in der neuern Dichtung

so unglaubliche Fortschritte in dieser und etliche Martier, die schöne La voran,
so beträchtliche im Deutschen, daß sowohl theoretische Verständigungen über
die Raumschiffe der Martier und über ihre wunderwirkende Entdeckung des
kondensirten Äthers, des Nepulsits (mit dem sie einem Geschoß die Geschwindig¬
keit von zehntausend Kilometern in der Sekunde geben können) als auch harm¬
losere aber sehr flüssige Unterhaltungen möglich werden. Nun aber erweist
sich bald, daß die Ruine nicht bloß aus Wißbegier zur Erde gekommen sind,
nicht bloß atmosphärische Luft und Strahlung von ihr nach dem Mars expor-
tiren wollen, sondern auch als Träger der Kultur des Sonnensystems die
Resultate ihrer hunderttausendjährigen Kulturarbeit den Menschen zugänglich
zu machen wünschen. Sie wollen, um sich für diesen edeln Zweck zu Herren
der Erde machen zu können, ihre beiden Gäste mit nach dem Mars führen und
dafür Sorge tragen, daß man in den Kulturstaaten nicht früher von der
Landung der Ruine auf der Erde erfährt, als bis sie all ihre Vorbereitungen
getroffen haben.

Schließlich wird Grunthe im neuen lenkbarem Luftboot der Martier (das
in sechs Stunden vom Nordpol bis Berlin fährt) nach Europa entlassen,
Saltner aber, deu die Liebe für Fräulein La fesselt, nach dem Mars entführt.
Und nun entwickelt sich anstatt des im Sinne der Friedensfreunde gewünschten
Verkehrs zwischen Menschen und Ruinen ein Verhängnis dadurch, daß ein
Luftboot der Marsbewohner, das nach dem geretteten und bei den Eskimos
weilenden Toren suchen soll, in Konflikt mit einem im Smithsund kreuzenden
kleinen englischen Kriegsschiff gerät. Dabei wird zwar der Engländer besiegt,
aber auch das numische Luftboot verletzt, sodaß der von einem Martier ab¬
stammende Ell und Torus Gattin Ihna, die sich bald nach Grunthes Rück¬
kehr auf dem märkischen Luftboot eingeschifft haben, jetzt gleichfalls gezwungen
sind, mit nach dem Mars zu gehen, wo die wunderbaren mechanischen Werk¬
stätten der Ruine sind. Ill, der Befehlshaber der Ruine beim Zusammenstoß
mit dem streitlustigen Briten, hat nicht umsonst pathetisch ausgerufen: „Das
ist also unser erstes Zusammentreffen mit den Menschen, das ist die Ver¬
brüderung der Planeten! Ich hatte es mir anders gedacht. Ich höre, die
Menschen haben unsre Planeten nach dem Gotte des Kriegs genannt; wir
wollten den Frieden bringen, aber es scheint, daß die Berührung mit diesem
wilden Geschlecht uns in die Barbarei zurückwirft. Gott gebe, daß diese Be¬
gegnung kein Vorzeichen ist." Sie wird aber in der That eins. Mit ihrer
Flotte von Luftschiffer und ihren furchtbaren Ausrüstungen, gegen die die
Waffen der Erdenbewohner sich so ziemlich als Erbsenkanonen und Kindcr-
flinten erweisen, besiegen die Martier zuerst die Engländer in einer großen
Seeschlacht bei Portsmouth, erzwingen sich das Protektorat über das ge-
demütigte England und nach und nach über die gesamte Erde. Sie unter¬
sagen von ihrem für die Erdbewohner unerreichbaren Planeten aus jede poli-


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[0512] Der technische Lhiliasmus in der neuern Dichtung so unglaubliche Fortschritte in dieser und etliche Martier, die schöne La voran, so beträchtliche im Deutschen, daß sowohl theoretische Verständigungen über die Raumschiffe der Martier und über ihre wunderwirkende Entdeckung des kondensirten Äthers, des Nepulsits (mit dem sie einem Geschoß die Geschwindig¬ keit von zehntausend Kilometern in der Sekunde geben können) als auch harm¬ losere aber sehr flüssige Unterhaltungen möglich werden. Nun aber erweist sich bald, daß die Ruine nicht bloß aus Wißbegier zur Erde gekommen sind, nicht bloß atmosphärische Luft und Strahlung von ihr nach dem Mars expor- tiren wollen, sondern auch als Träger der Kultur des Sonnensystems die Resultate ihrer hunderttausendjährigen Kulturarbeit den Menschen zugänglich zu machen wünschen. Sie wollen, um sich für diesen edeln Zweck zu Herren der Erde machen zu können, ihre beiden Gäste mit nach dem Mars führen und dafür Sorge tragen, daß man in den Kulturstaaten nicht früher von der Landung der Ruine auf der Erde erfährt, als bis sie all ihre Vorbereitungen getroffen haben. Schließlich wird Grunthe im neuen lenkbarem Luftboot der Martier (das in sechs Stunden vom Nordpol bis Berlin fährt) nach Europa entlassen, Saltner aber, deu die Liebe für Fräulein La fesselt, nach dem Mars entführt. Und nun entwickelt sich anstatt des im Sinne der Friedensfreunde gewünschten Verkehrs zwischen Menschen und Ruinen ein Verhängnis dadurch, daß ein Luftboot der Marsbewohner, das nach dem geretteten und bei den Eskimos weilenden Toren suchen soll, in Konflikt mit einem im Smithsund kreuzenden kleinen englischen Kriegsschiff gerät. Dabei wird zwar der Engländer besiegt, aber auch das numische Luftboot verletzt, sodaß der von einem Martier ab¬ stammende Ell und Torus Gattin Ihna, die sich bald nach Grunthes Rück¬ kehr auf dem märkischen Luftboot eingeschifft haben, jetzt gleichfalls gezwungen sind, mit nach dem Mars zu gehen, wo die wunderbaren mechanischen Werk¬ stätten der Ruine sind. Ill, der Befehlshaber der Ruine beim Zusammenstoß mit dem streitlustigen Briten, hat nicht umsonst pathetisch ausgerufen: „Das ist also unser erstes Zusammentreffen mit den Menschen, das ist die Ver¬ brüderung der Planeten! Ich hatte es mir anders gedacht. Ich höre, die Menschen haben unsre Planeten nach dem Gotte des Kriegs genannt; wir wollten den Frieden bringen, aber es scheint, daß die Berührung mit diesem wilden Geschlecht uns in die Barbarei zurückwirft. Gott gebe, daß diese Be¬ gegnung kein Vorzeichen ist." Sie wird aber in der That eins. Mit ihrer Flotte von Luftschiffer und ihren furchtbaren Ausrüstungen, gegen die die Waffen der Erdenbewohner sich so ziemlich als Erbsenkanonen und Kindcr- flinten erweisen, besiegen die Martier zuerst die Engländer in einer großen Seeschlacht bei Portsmouth, erzwingen sich das Protektorat über das ge- demütigte England und nach und nach über die gesamte Erde. Sie unter¬ sagen von ihrem für die Erdbewohner unerreichbaren Planeten aus jede poli-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/512>, abgerufen am 28.07.2024.