Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Mistel und Wurzel

drei ersten Wurzeln erklärten, sie wollten die Tanne hören, wenn sie was Gutes
zu sagen habe; man könne ja nachher doch dem Rate der Mistel folgen. Dabei
rüttelten sie so kräftig hier die Ulme, dort den Holzapfel, d^sz endlich Ruhe wurde,
und die Tanne fortfahren konnte.

Man rät euch, wenig zu arbeiten und die Stämme über euch nur kärgüch
mit Nahrung zu versorgen. Ja, die Herren über euch werden es schlecht haben;
aber ihr selbst desgleichen. Denn es kann in der ganzen Natur, und so auch bei
uns, nun einmal nicht anders sein, als daß der Eine dies Geschäft verrichtet und
der Andre das, wozu sich jeder eignet; daß der Eine in der Erde, der Andre
über der Erde, der Eine viel und gut, der Andre wenig und schlecht arbeitet;
daß der Eine eines Herrn bedarf, der Andre eines Knechtes, dieser Kopf einer
fremden Hand, jene Hand eines fremden Kopfes. Nicht Gleichheit, sondern Un¬
gleichheit Ist das unüberwindliche ewige Grundgesetz der Natur, und Ungleichheit
heißt das Wesen alles Lebendigen. Nur im Stein, nein auch da nicht, sondern
nnr in deu Urelementen der Erde giebt es vielleicht absolute Gleichheit. Und wer
Ungleichheit sagt, der sagt Herrschaft und Knechtschaft. Ein weiser Gärtner aber
sorgt dafür, daß die Ungleichheit nicht zu groß werde, daß jeder an seinem rechten
Platz stehe, und er stützt den Ast, der den Saft des Baumes allzusehr für sich
allein fordert. Gerade über euch, die ihr Laubkronen tragt, wundre ich mich be¬
sonders, daß ihr mit euern Stämmen hadern wollt. Denn wer ist eifriger als
ihr, immer wieder neue Stämme zu treiben? Ich begnüge mich mit einem Stamme,
und bricht ihn der Sturm, fällt ihn der Mensch, so sterbe ich; ihr aber seid eilig,
neue Stämme, Äste und Laub zu erzeugen, sobald die alten Stämme gefällt werden.
Warum deun thut ihr das, wenn es nicht zu euerm Nutzen ist? Oder warum
wollt ihr zerstören, was euer eignes Werk ist. seit die Welt steht? Je fleißiger
ihr seid, um so emsiger treibt ihr eure Schößlinge, um so stolzer schmückt ihr eure
Stämme. Was sich da droben über euch seines Reichtums und Lebens freut, das
Schuft ihr selbst, das seid ihr selbst. -- Die Mistel sagt euch, ihr allein seiet die
Arbeiter, die Äste seien Nichtsthuer; ich sage euch, wenn sie nichts thäten, so ginget
ihr samt ihnen zu Grunde. Die Mistel sagt euch, Blätter und Blüten lebten von
eurer Mühe, seien Schmarotzer; ich aber sage euch, schaut euch diese Mistel selbst.. .

Ein wildes Geschrei unterbrach die Rede der Tnnnenwurzel. Selbst die drei
alten Wurzeln knarrten ärgerlich in der Tiefe, man vernahm Ausrufe wie Herr¬
schaft! Knechtschaft! Nichts da, keine Knechtschaft mehr! und immer dazwischen: Die
Mistel hat recht, hat recht! Das Geschrei war so stark, daß immer mehr Nachbarn
aufmerksam wurden, und bald ein allgemeines Gesumme durch den Wald ging.
Die Mistel aber schaffte sich endlich Gehör in der Versammlung, weil sie hoch stand,
und rief:

Da seht ihr, gute Leute, wer euer Freund und wer euer Feind ist! Diese
Taunenwurzel, diese hochmütige Tanne, die selbst dem Grase uicht Luft noch Wachs¬
tum günnt, wie recht habt ihr, ihr zu mißtrauen! Denn wißt, sie ist von jeher
euer Feind und auch meiner gewesen, und nie kehre ich bei ihr ein. Sie ist eitel
ohne Maßen, und weil in der Zeit, wo der Wald entlaubt ist und sie allein unter
den Bäumen ihr Nadelgewnnd behält, ich die einzige hier bin, die neben ihr
schöne grüne Blätter trägt, darum haßt sie mich und duldet mich nicht in ihren
Asten. Deshalb ist, was sie eben sagte, nichts wert, denn sie sagte es aus Haß
gegen mich, und weil sie weiß, daß ich ein Freund der Laubhölzer bin. Ihr seid
>"el zu kluge Leute, als daß ihr das nicht sofort begriffen hättet. Ich habe mich
nämlich sehr in euch geirrt, als ich euch vorhin dumm nannte. Nein, sondern ich


Grenzboten III 1898 43
Mistel und Wurzel

drei ersten Wurzeln erklärten, sie wollten die Tanne hören, wenn sie was Gutes
zu sagen habe; man könne ja nachher doch dem Rate der Mistel folgen. Dabei
rüttelten sie so kräftig hier die Ulme, dort den Holzapfel, d^sz endlich Ruhe wurde,
und die Tanne fortfahren konnte.

Man rät euch, wenig zu arbeiten und die Stämme über euch nur kärgüch
mit Nahrung zu versorgen. Ja, die Herren über euch werden es schlecht haben;
aber ihr selbst desgleichen. Denn es kann in der ganzen Natur, und so auch bei
uns, nun einmal nicht anders sein, als daß der Eine dies Geschäft verrichtet und
der Andre das, wozu sich jeder eignet; daß der Eine in der Erde, der Andre
über der Erde, der Eine viel und gut, der Andre wenig und schlecht arbeitet;
daß der Eine eines Herrn bedarf, der Andre eines Knechtes, dieser Kopf einer
fremden Hand, jene Hand eines fremden Kopfes. Nicht Gleichheit, sondern Un¬
gleichheit Ist das unüberwindliche ewige Grundgesetz der Natur, und Ungleichheit
heißt das Wesen alles Lebendigen. Nur im Stein, nein auch da nicht, sondern
nnr in deu Urelementen der Erde giebt es vielleicht absolute Gleichheit. Und wer
Ungleichheit sagt, der sagt Herrschaft und Knechtschaft. Ein weiser Gärtner aber
sorgt dafür, daß die Ungleichheit nicht zu groß werde, daß jeder an seinem rechten
Platz stehe, und er stützt den Ast, der den Saft des Baumes allzusehr für sich
allein fordert. Gerade über euch, die ihr Laubkronen tragt, wundre ich mich be¬
sonders, daß ihr mit euern Stämmen hadern wollt. Denn wer ist eifriger als
ihr, immer wieder neue Stämme zu treiben? Ich begnüge mich mit einem Stamme,
und bricht ihn der Sturm, fällt ihn der Mensch, so sterbe ich; ihr aber seid eilig,
neue Stämme, Äste und Laub zu erzeugen, sobald die alten Stämme gefällt werden.
Warum deun thut ihr das, wenn es nicht zu euerm Nutzen ist? Oder warum
wollt ihr zerstören, was euer eignes Werk ist. seit die Welt steht? Je fleißiger
ihr seid, um so emsiger treibt ihr eure Schößlinge, um so stolzer schmückt ihr eure
Stämme. Was sich da droben über euch seines Reichtums und Lebens freut, das
Schuft ihr selbst, das seid ihr selbst. — Die Mistel sagt euch, ihr allein seiet die
Arbeiter, die Äste seien Nichtsthuer; ich sage euch, wenn sie nichts thäten, so ginget
ihr samt ihnen zu Grunde. Die Mistel sagt euch, Blätter und Blüten lebten von
eurer Mühe, seien Schmarotzer; ich aber sage euch, schaut euch diese Mistel selbst.. .

Ein wildes Geschrei unterbrach die Rede der Tnnnenwurzel. Selbst die drei
alten Wurzeln knarrten ärgerlich in der Tiefe, man vernahm Ausrufe wie Herr¬
schaft! Knechtschaft! Nichts da, keine Knechtschaft mehr! und immer dazwischen: Die
Mistel hat recht, hat recht! Das Geschrei war so stark, daß immer mehr Nachbarn
aufmerksam wurden, und bald ein allgemeines Gesumme durch den Wald ging.
Die Mistel aber schaffte sich endlich Gehör in der Versammlung, weil sie hoch stand,
und rief:

Da seht ihr, gute Leute, wer euer Freund und wer euer Feind ist! Diese
Taunenwurzel, diese hochmütige Tanne, die selbst dem Grase uicht Luft noch Wachs¬
tum günnt, wie recht habt ihr, ihr zu mißtrauen! Denn wißt, sie ist von jeher
euer Feind und auch meiner gewesen, und nie kehre ich bei ihr ein. Sie ist eitel
ohne Maßen, und weil in der Zeit, wo der Wald entlaubt ist und sie allein unter
den Bäumen ihr Nadelgewnnd behält, ich die einzige hier bin, die neben ihr
schöne grüne Blätter trägt, darum haßt sie mich und duldet mich nicht in ihren
Asten. Deshalb ist, was sie eben sagte, nichts wert, denn sie sagte es aus Haß
gegen mich, und weil sie weiß, daß ich ein Freund der Laubhölzer bin. Ihr seid
>"el zu kluge Leute, als daß ihr das nicht sofort begriffen hättet. Ich habe mich
nämlich sehr in euch geirrt, als ich euch vorhin dumm nannte. Nein, sondern ich


Grenzboten III 1898 43
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228687"/>
          <fw type="header" place="top"> Mistel und Wurzel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1377" prev="#ID_1376"> drei ersten Wurzeln erklärten, sie wollten die Tanne hören, wenn sie was Gutes<lb/>
zu sagen habe; man könne ja nachher doch dem Rate der Mistel folgen. Dabei<lb/>
rüttelten sie so kräftig hier die Ulme, dort den Holzapfel, d^sz endlich Ruhe wurde,<lb/>
und die Tanne fortfahren konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1378"> Man rät euch, wenig zu arbeiten und die Stämme über euch nur kärgüch<lb/>
mit Nahrung zu versorgen. Ja, die Herren über euch werden es schlecht haben;<lb/>
aber ihr selbst desgleichen. Denn es kann in der ganzen Natur, und so auch bei<lb/>
uns, nun einmal nicht anders sein, als daß der Eine dies Geschäft verrichtet und<lb/>
der Andre das, wozu sich jeder eignet; daß der Eine in der Erde, der Andre<lb/>
über der Erde, der Eine viel und gut, der Andre wenig und schlecht arbeitet;<lb/>
daß der Eine eines Herrn bedarf, der Andre eines Knechtes, dieser Kopf einer<lb/>
fremden Hand, jene Hand eines fremden Kopfes. Nicht Gleichheit, sondern Un¬<lb/>
gleichheit Ist das unüberwindliche ewige Grundgesetz der Natur, und Ungleichheit<lb/>
heißt das Wesen alles Lebendigen. Nur im Stein, nein auch da nicht, sondern<lb/>
nnr in deu Urelementen der Erde giebt es vielleicht absolute Gleichheit. Und wer<lb/>
Ungleichheit sagt, der sagt Herrschaft und Knechtschaft. Ein weiser Gärtner aber<lb/>
sorgt dafür, daß die Ungleichheit nicht zu groß werde, daß jeder an seinem rechten<lb/>
Platz stehe, und er stützt den Ast, der den Saft des Baumes allzusehr für sich<lb/>
allein fordert. Gerade über euch, die ihr Laubkronen tragt, wundre ich mich be¬<lb/>
sonders, daß ihr mit euern Stämmen hadern wollt. Denn wer ist eifriger als<lb/>
ihr, immer wieder neue Stämme zu treiben? Ich begnüge mich mit einem Stamme,<lb/>
und bricht ihn der Sturm, fällt ihn der Mensch, so sterbe ich; ihr aber seid eilig,<lb/>
neue Stämme, Äste und Laub zu erzeugen, sobald die alten Stämme gefällt werden.<lb/>
Warum deun thut ihr das, wenn es nicht zu euerm Nutzen ist? Oder warum<lb/>
wollt ihr zerstören, was euer eignes Werk ist. seit die Welt steht? Je fleißiger<lb/>
ihr seid, um so emsiger treibt ihr eure Schößlinge, um so stolzer schmückt ihr eure<lb/>
Stämme. Was sich da droben über euch seines Reichtums und Lebens freut, das<lb/>
Schuft ihr selbst, das seid ihr selbst. &#x2014; Die Mistel sagt euch, ihr allein seiet die<lb/>
Arbeiter, die Äste seien Nichtsthuer; ich sage euch, wenn sie nichts thäten, so ginget<lb/>
ihr samt ihnen zu Grunde. Die Mistel sagt euch, Blätter und Blüten lebten von<lb/>
eurer Mühe, seien Schmarotzer; ich aber sage euch, schaut euch diese Mistel selbst.. .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1379"> Ein wildes Geschrei unterbrach die Rede der Tnnnenwurzel. Selbst die drei<lb/>
alten Wurzeln knarrten ärgerlich in der Tiefe, man vernahm Ausrufe wie Herr¬<lb/>
schaft! Knechtschaft! Nichts da, keine Knechtschaft mehr! und immer dazwischen: Die<lb/>
Mistel hat recht, hat recht! Das Geschrei war so stark, daß immer mehr Nachbarn<lb/>
aufmerksam wurden, und bald ein allgemeines Gesumme durch den Wald ging.<lb/>
Die Mistel aber schaffte sich endlich Gehör in der Versammlung, weil sie hoch stand,<lb/>
und rief:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1380"> Da seht ihr, gute Leute, wer euer Freund und wer euer Feind ist! Diese<lb/>
Taunenwurzel, diese hochmütige Tanne, die selbst dem Grase uicht Luft noch Wachs¬<lb/>
tum günnt, wie recht habt ihr, ihr zu mißtrauen! Denn wißt, sie ist von jeher<lb/>
euer Feind und auch meiner gewesen, und nie kehre ich bei ihr ein. Sie ist eitel<lb/>
ohne Maßen, und weil in der Zeit, wo der Wald entlaubt ist und sie allein unter<lb/>
den Bäumen ihr Nadelgewnnd behält, ich die einzige hier bin, die neben ihr<lb/>
schöne grüne Blätter trägt, darum haßt sie mich und duldet mich nicht in ihren<lb/>
Asten. Deshalb ist, was sie eben sagte, nichts wert, denn sie sagte es aus Haß<lb/>
gegen mich, und weil sie weiß, daß ich ein Freund der Laubhölzer bin. Ihr seid<lb/>
&gt;"el zu kluge Leute, als daß ihr das nicht sofort begriffen hättet. Ich habe mich<lb/>
nämlich sehr in euch geirrt, als ich euch vorhin dumm nannte. Nein, sondern ich</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1898 43</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] Mistel und Wurzel drei ersten Wurzeln erklärten, sie wollten die Tanne hören, wenn sie was Gutes zu sagen habe; man könne ja nachher doch dem Rate der Mistel folgen. Dabei rüttelten sie so kräftig hier die Ulme, dort den Holzapfel, d^sz endlich Ruhe wurde, und die Tanne fortfahren konnte. Man rät euch, wenig zu arbeiten und die Stämme über euch nur kärgüch mit Nahrung zu versorgen. Ja, die Herren über euch werden es schlecht haben; aber ihr selbst desgleichen. Denn es kann in der ganzen Natur, und so auch bei uns, nun einmal nicht anders sein, als daß der Eine dies Geschäft verrichtet und der Andre das, wozu sich jeder eignet; daß der Eine in der Erde, der Andre über der Erde, der Eine viel und gut, der Andre wenig und schlecht arbeitet; daß der Eine eines Herrn bedarf, der Andre eines Knechtes, dieser Kopf einer fremden Hand, jene Hand eines fremden Kopfes. Nicht Gleichheit, sondern Un¬ gleichheit Ist das unüberwindliche ewige Grundgesetz der Natur, und Ungleichheit heißt das Wesen alles Lebendigen. Nur im Stein, nein auch da nicht, sondern nnr in deu Urelementen der Erde giebt es vielleicht absolute Gleichheit. Und wer Ungleichheit sagt, der sagt Herrschaft und Knechtschaft. Ein weiser Gärtner aber sorgt dafür, daß die Ungleichheit nicht zu groß werde, daß jeder an seinem rechten Platz stehe, und er stützt den Ast, der den Saft des Baumes allzusehr für sich allein fordert. Gerade über euch, die ihr Laubkronen tragt, wundre ich mich be¬ sonders, daß ihr mit euern Stämmen hadern wollt. Denn wer ist eifriger als ihr, immer wieder neue Stämme zu treiben? Ich begnüge mich mit einem Stamme, und bricht ihn der Sturm, fällt ihn der Mensch, so sterbe ich; ihr aber seid eilig, neue Stämme, Äste und Laub zu erzeugen, sobald die alten Stämme gefällt werden. Warum deun thut ihr das, wenn es nicht zu euerm Nutzen ist? Oder warum wollt ihr zerstören, was euer eignes Werk ist. seit die Welt steht? Je fleißiger ihr seid, um so emsiger treibt ihr eure Schößlinge, um so stolzer schmückt ihr eure Stämme. Was sich da droben über euch seines Reichtums und Lebens freut, das Schuft ihr selbst, das seid ihr selbst. — Die Mistel sagt euch, ihr allein seiet die Arbeiter, die Äste seien Nichtsthuer; ich sage euch, wenn sie nichts thäten, so ginget ihr samt ihnen zu Grunde. Die Mistel sagt euch, Blätter und Blüten lebten von eurer Mühe, seien Schmarotzer; ich aber sage euch, schaut euch diese Mistel selbst.. . Ein wildes Geschrei unterbrach die Rede der Tnnnenwurzel. Selbst die drei alten Wurzeln knarrten ärgerlich in der Tiefe, man vernahm Ausrufe wie Herr¬ schaft! Knechtschaft! Nichts da, keine Knechtschaft mehr! und immer dazwischen: Die Mistel hat recht, hat recht! Das Geschrei war so stark, daß immer mehr Nachbarn aufmerksam wurden, und bald ein allgemeines Gesumme durch den Wald ging. Die Mistel aber schaffte sich endlich Gehör in der Versammlung, weil sie hoch stand, und rief: Da seht ihr, gute Leute, wer euer Freund und wer euer Feind ist! Diese Taunenwurzel, diese hochmütige Tanne, die selbst dem Grase uicht Luft noch Wachs¬ tum günnt, wie recht habt ihr, ihr zu mißtrauen! Denn wißt, sie ist von jeher euer Feind und auch meiner gewesen, und nie kehre ich bei ihr ein. Sie ist eitel ohne Maßen, und weil in der Zeit, wo der Wald entlaubt ist und sie allein unter den Bäumen ihr Nadelgewnnd behält, ich die einzige hier bin, die neben ihr schöne grüne Blätter trägt, darum haßt sie mich und duldet mich nicht in ihren Asten. Deshalb ist, was sie eben sagte, nichts wert, denn sie sagte es aus Haß gegen mich, und weil sie weiß, daß ich ein Freund der Laubhölzer bin. Ihr seid >"el zu kluge Leute, als daß ihr das nicht sofort begriffen hättet. Ich habe mich nämlich sehr in euch geirrt, als ich euch vorhin dumm nannte. Nein, sondern ich Grenzboten III 1898 43

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/385>, abgerufen am 28.07.2024.