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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Die Versicherungsbedingungen der privaten Feuerversicherungsgesellschaften

Der Absatz 3 des Z 5, wonach die Eutschädigungsverpflichtung ruht, wenn
versicherte Gegenstände in eine andre Lokalität als die, wo sie versichert sind,
gebracht werden, ist natürlich, schließt aber auch wiederum (bei nur vorüber¬
gehender Entfernung ans dem Versicherungsraum usw.) eine große Härte gegen
den Versicherten in sich, sofern nicht eine der Billigkeit entsprechende milde
Behandlung in irgend einer bindenden Form in dem Versicherungsverträge
gewährleistet wird.

Ganz besonders ungünstig für den Versicherten und einseitig im Interesse
der Versicherungsgesellschaft ist aber die Bestimmung im Absatz 4, wonach die
Entschädigungspflicht ruht, wenn versicherte Gegenstände, abgesehen von Erb¬
schaftsfüllen, den Eigentümer wechseln. Die Fälle sind sehr zahlreich, in denen
Grundstücke durch freiwilligen oder Zwangsverkauf in andre Hände übergehen.
In allen diesen Fällen ist eine Anzeige über den Besitzwechsel nötig, ohne die
die Versicherung zwar nicht erlischt, aber doch die Entschädigungsverpflichtung
der Gesellschaft ruht; es entsteht hieraus die Folge, daß bei unterlassener An¬
zeige der neue Besitzer vielleicht jahrelang die Prämie für die Versicherung
zahlt, während die Gesellschaft im Falle eines Brandes die Vergütung ver¬
sagen kann. Hier müßte wenigstens insoweit Besserung geschaffen werden,
daß, wenn die Gesellschaft einmal die Prämie von dem neuen Besitzer gezahlt
erhalten hat, dieser auch ohne weiteres in die Rechte seines Vorgängers ein¬
treten müßte. Dadurch werden freilich noch nicht die zahlreichen Fälle mit
getroffen, in denen die Versicherung auf eine längere Reihe von Jahren ab¬
geschlossen und für die ganze Dauer der Versicherung die Prämie vorausgezahlt
worden ist. eine Praxis, die von den Versicherungsgesellschaften mit Vorliebe
geübt wird. In diesem Falle wird unter Umständen der neue Eigentümer erst
nach Ablauf der Police, was zehn Jahre dauern kann, an die Anzeigepflicht
erinnert werden, und während dieses ganzen Zeitraumes ist er unverhindert,
obwohl die Prämien dafür bezahlt sind. Endlich wiederum kommt es häufig
Vor, daß der neue Eigentümer überhaupt gar kein Vcrsicherungsdokument vor¬
findet; es erkundigt sich auch kein Agent nach ihm, und so hält er sich für
berechtigt, bei einer andern Versicherungsanstalt die Versicherung seines Grund¬
stücks zu beantragen. Die Sache geht nun so hin. bis die Gesellschaft, bei
der das Grundstück ursprünglich versichert war. die füllige Prämie einfordert.
Dann entspinnt sich ein Schriftwechsel, worin die Gesellschaft ihren Rechts¬
anspruch nachweist und mit der Einklagung der Prämien droht, wenn der
Interessent die Zahlung verweigern sollte. Zahlt der Versicherte, so hat er
die Prämien und sonstigen Unkosten bei der zweiten Gesellschaft nutzlos bezahlt;
eine Rückzahlung der Prämie kann von der zweiten aber nicht erwartet werden,
denn sie hat ja thatsächlich während der Dauer des Vertragsverhültnisses bei
ihr das Risiko getragen, da bei der ersten Gesellschaft die Eutschädigungsfrist
ruhte. und diese also auch einen Brandschäden nicht vergütet haben würde.

Wenn sich aber der Versicherte im Gefühle seines natürlichen Rechts von


Die Versicherungsbedingungen der privaten Feuerversicherungsgesellschaften

Der Absatz 3 des Z 5, wonach die Eutschädigungsverpflichtung ruht, wenn
versicherte Gegenstände in eine andre Lokalität als die, wo sie versichert sind,
gebracht werden, ist natürlich, schließt aber auch wiederum (bei nur vorüber¬
gehender Entfernung ans dem Versicherungsraum usw.) eine große Härte gegen
den Versicherten in sich, sofern nicht eine der Billigkeit entsprechende milde
Behandlung in irgend einer bindenden Form in dem Versicherungsverträge
gewährleistet wird.

Ganz besonders ungünstig für den Versicherten und einseitig im Interesse
der Versicherungsgesellschaft ist aber die Bestimmung im Absatz 4, wonach die
Entschädigungspflicht ruht, wenn versicherte Gegenstände, abgesehen von Erb¬
schaftsfüllen, den Eigentümer wechseln. Die Fälle sind sehr zahlreich, in denen
Grundstücke durch freiwilligen oder Zwangsverkauf in andre Hände übergehen.
In allen diesen Fällen ist eine Anzeige über den Besitzwechsel nötig, ohne die
die Versicherung zwar nicht erlischt, aber doch die Entschädigungsverpflichtung
der Gesellschaft ruht; es entsteht hieraus die Folge, daß bei unterlassener An¬
zeige der neue Besitzer vielleicht jahrelang die Prämie für die Versicherung
zahlt, während die Gesellschaft im Falle eines Brandes die Vergütung ver¬
sagen kann. Hier müßte wenigstens insoweit Besserung geschaffen werden,
daß, wenn die Gesellschaft einmal die Prämie von dem neuen Besitzer gezahlt
erhalten hat, dieser auch ohne weiteres in die Rechte seines Vorgängers ein¬
treten müßte. Dadurch werden freilich noch nicht die zahlreichen Fälle mit
getroffen, in denen die Versicherung auf eine längere Reihe von Jahren ab¬
geschlossen und für die ganze Dauer der Versicherung die Prämie vorausgezahlt
worden ist. eine Praxis, die von den Versicherungsgesellschaften mit Vorliebe
geübt wird. In diesem Falle wird unter Umständen der neue Eigentümer erst
nach Ablauf der Police, was zehn Jahre dauern kann, an die Anzeigepflicht
erinnert werden, und während dieses ganzen Zeitraumes ist er unverhindert,
obwohl die Prämien dafür bezahlt sind. Endlich wiederum kommt es häufig
Vor, daß der neue Eigentümer überhaupt gar kein Vcrsicherungsdokument vor¬
findet; es erkundigt sich auch kein Agent nach ihm, und so hält er sich für
berechtigt, bei einer andern Versicherungsanstalt die Versicherung seines Grund¬
stücks zu beantragen. Die Sache geht nun so hin. bis die Gesellschaft, bei
der das Grundstück ursprünglich versichert war. die füllige Prämie einfordert.
Dann entspinnt sich ein Schriftwechsel, worin die Gesellschaft ihren Rechts¬
anspruch nachweist und mit der Einklagung der Prämien droht, wenn der
Interessent die Zahlung verweigern sollte. Zahlt der Versicherte, so hat er
die Prämien und sonstigen Unkosten bei der zweiten Gesellschaft nutzlos bezahlt;
eine Rückzahlung der Prämie kann von der zweiten aber nicht erwartet werden,
denn sie hat ja thatsächlich während der Dauer des Vertragsverhültnisses bei
ihr das Risiko getragen, da bei der ersten Gesellschaft die Eutschädigungsfrist
ruhte. und diese also auch einen Brandschäden nicht vergütet haben würde.

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[0351] Die Versicherungsbedingungen der privaten Feuerversicherungsgesellschaften Der Absatz 3 des Z 5, wonach die Eutschädigungsverpflichtung ruht, wenn versicherte Gegenstände in eine andre Lokalität als die, wo sie versichert sind, gebracht werden, ist natürlich, schließt aber auch wiederum (bei nur vorüber¬ gehender Entfernung ans dem Versicherungsraum usw.) eine große Härte gegen den Versicherten in sich, sofern nicht eine der Billigkeit entsprechende milde Behandlung in irgend einer bindenden Form in dem Versicherungsverträge gewährleistet wird. Ganz besonders ungünstig für den Versicherten und einseitig im Interesse der Versicherungsgesellschaft ist aber die Bestimmung im Absatz 4, wonach die Entschädigungspflicht ruht, wenn versicherte Gegenstände, abgesehen von Erb¬ schaftsfüllen, den Eigentümer wechseln. Die Fälle sind sehr zahlreich, in denen Grundstücke durch freiwilligen oder Zwangsverkauf in andre Hände übergehen. In allen diesen Fällen ist eine Anzeige über den Besitzwechsel nötig, ohne die die Versicherung zwar nicht erlischt, aber doch die Entschädigungsverpflichtung der Gesellschaft ruht; es entsteht hieraus die Folge, daß bei unterlassener An¬ zeige der neue Besitzer vielleicht jahrelang die Prämie für die Versicherung zahlt, während die Gesellschaft im Falle eines Brandes die Vergütung ver¬ sagen kann. Hier müßte wenigstens insoweit Besserung geschaffen werden, daß, wenn die Gesellschaft einmal die Prämie von dem neuen Besitzer gezahlt erhalten hat, dieser auch ohne weiteres in die Rechte seines Vorgängers ein¬ treten müßte. Dadurch werden freilich noch nicht die zahlreichen Fälle mit getroffen, in denen die Versicherung auf eine längere Reihe von Jahren ab¬ geschlossen und für die ganze Dauer der Versicherung die Prämie vorausgezahlt worden ist. eine Praxis, die von den Versicherungsgesellschaften mit Vorliebe geübt wird. In diesem Falle wird unter Umständen der neue Eigentümer erst nach Ablauf der Police, was zehn Jahre dauern kann, an die Anzeigepflicht erinnert werden, und während dieses ganzen Zeitraumes ist er unverhindert, obwohl die Prämien dafür bezahlt sind. Endlich wiederum kommt es häufig Vor, daß der neue Eigentümer überhaupt gar kein Vcrsicherungsdokument vor¬ findet; es erkundigt sich auch kein Agent nach ihm, und so hält er sich für berechtigt, bei einer andern Versicherungsanstalt die Versicherung seines Grund¬ stücks zu beantragen. Die Sache geht nun so hin. bis die Gesellschaft, bei der das Grundstück ursprünglich versichert war. die füllige Prämie einfordert. Dann entspinnt sich ein Schriftwechsel, worin die Gesellschaft ihren Rechts¬ anspruch nachweist und mit der Einklagung der Prämien droht, wenn der Interessent die Zahlung verweigern sollte. Zahlt der Versicherte, so hat er die Prämien und sonstigen Unkosten bei der zweiten Gesellschaft nutzlos bezahlt; eine Rückzahlung der Prämie kann von der zweiten aber nicht erwartet werden, denn sie hat ja thatsächlich während der Dauer des Vertragsverhültnisses bei ihr das Risiko getragen, da bei der ersten Gesellschaft die Eutschädigungsfrist ruhte. und diese also auch einen Brandschäden nicht vergütet haben würde. Wenn sich aber der Versicherte im Gefühle seines natürlichen Rechts von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/351>, abgerufen am 28.07.2024.