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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Die versicherungsbedingungen der privaten Feuerverficherungsgesellschaften

Brand entsteht, oder auf den ein Brand vom Nachbarhause übertragen wird,
so kann die Gesellschaft die Zahlung der Vergütung verweigern, denn ihre
Entschädigungsverpflichtung ruhte ja, wobei vorausgesetzt wird, daß es wohl
kaum einem Versicherten einfallen wird, von jenem Vorgange der Gesellschaft
Anzeige zu machen. Das ist uur ein Fall. Wenn man aber erwägt, wie
viele derartige Fälle eintreten können, so ist es wohl nicht zu viel behauptet,
wenn man sagt, daß ein großer Teil der Versicherten zwar die Prämie zu be¬
zahlen hat, aber thatsächlich unverhindert ist; aber es brennt eben nur bei
wenigen, und die Frage tritt deshalb auch selten in die Praxis; denn von
tausend Versicherten brennt erst einer ab, und bei geringfügigen Schäden
werden die Gesellschaften aus geschäftlichen Rücksichten keine besondern Schwierig¬
keiten machen. Bei einem umfangreichen Schaden kann aber der Beschädigte
sehr unangenehme Erfahrungen machen und großen Verlust erleiden.

Nun wird ja mit der Möglichkeit gerechnet werden müssen, daß ein Ver¬
sicherter absichtlich die Anzeige einer Erhöhung der Feuersgefahr unterläßt
oder die Vermehrung der Feuersgefahr so groß ist, daß die Unterlassung der
Anzeige als ein großer Leichtsinn angesehen werden muß. Gegen derartige
Vorkommnisse müssen die Versicherungsgesellschaften allerdings geschützt sein;
aber die in der jetzigen Form rigorose Vorschrift ließe sich für den Ver¬
sicherten wesentlich günstiger gestalten. Bei den mehrfach erwähnten öffent¬
lichen Feuersozietäten ist diese Frage im allgemeinen in der Weise geregelt,
daß bei einer Erhöhung der Feuersgefahr die Vergütuugspflicht der Anstalt
bestehen bleibt, daß sie aber befugt ist, dafür die höhern Beitrüge nebst einem
Strafbeitrage von dem Beschädigtem einzuziehen.

Dieses Verfahren ist ja äußerst günstig für den Versicherten, es läßt sich
aber nicht ohne weiteres auf die Privatversicherungsgesellschaftcn übertragen,
weil diese in der Bemessung des höhern Beitrags und des Strafbeitrags ein
neues Mittel in die Hand bekommen würden, den Versicherten zu schädigen.
Dies ist bei den unter behördlicher Leitung stehenden, keinen Gewinn erstre¬
benden öffentlichen Sozietäten nicht zu befürchten. Es muß sich aber auch für
die Privatversicherungsgesellschaften ein Modus, die betreffende Bedingung in
der angedeuteten Weise umzugestalten, finden lassen.

Gegen den zweiten Satz, wonach die Eutschädiguugsverpflichtung ruht,
wenn versicherte Gegenstände noch anderswo versichert werden, läßt sich nichts
einwenden, obwohl sich auch hierbei sehr wohl für den Beschädigtem unverschuldete
Härten herausstellen können, die aber den Erwerbsgesellschaften nun einmal
eigen sind und nie ganz beseitigt werden können. Deshalb ist auch schon mit
Recht oft die Frage aufgeworfen worden, ob das Versicherungswesen überhaupt
als eine Aufgabe der gewerblichen Spekulation zu betrachten, ob es nicht viel¬
mehr wirtschaftlich richtig sei, es einzig und allein als einen Zweig der öffent¬
lichen, behördlichen Verwaltung zu behandeln. Doch mag diese Frage hier
nur gestreift werden, da eine erschöpfende Erörterung zu weit führen würde.


Die versicherungsbedingungen der privaten Feuerverficherungsgesellschaften

Brand entsteht, oder auf den ein Brand vom Nachbarhause übertragen wird,
so kann die Gesellschaft die Zahlung der Vergütung verweigern, denn ihre
Entschädigungsverpflichtung ruhte ja, wobei vorausgesetzt wird, daß es wohl
kaum einem Versicherten einfallen wird, von jenem Vorgange der Gesellschaft
Anzeige zu machen. Das ist uur ein Fall. Wenn man aber erwägt, wie
viele derartige Fälle eintreten können, so ist es wohl nicht zu viel behauptet,
wenn man sagt, daß ein großer Teil der Versicherten zwar die Prämie zu be¬
zahlen hat, aber thatsächlich unverhindert ist; aber es brennt eben nur bei
wenigen, und die Frage tritt deshalb auch selten in die Praxis; denn von
tausend Versicherten brennt erst einer ab, und bei geringfügigen Schäden
werden die Gesellschaften aus geschäftlichen Rücksichten keine besondern Schwierig¬
keiten machen. Bei einem umfangreichen Schaden kann aber der Beschädigte
sehr unangenehme Erfahrungen machen und großen Verlust erleiden.

Nun wird ja mit der Möglichkeit gerechnet werden müssen, daß ein Ver¬
sicherter absichtlich die Anzeige einer Erhöhung der Feuersgefahr unterläßt
oder die Vermehrung der Feuersgefahr so groß ist, daß die Unterlassung der
Anzeige als ein großer Leichtsinn angesehen werden muß. Gegen derartige
Vorkommnisse müssen die Versicherungsgesellschaften allerdings geschützt sein;
aber die in der jetzigen Form rigorose Vorschrift ließe sich für den Ver¬
sicherten wesentlich günstiger gestalten. Bei den mehrfach erwähnten öffent¬
lichen Feuersozietäten ist diese Frage im allgemeinen in der Weise geregelt,
daß bei einer Erhöhung der Feuersgefahr die Vergütuugspflicht der Anstalt
bestehen bleibt, daß sie aber befugt ist, dafür die höhern Beitrüge nebst einem
Strafbeitrage von dem Beschädigtem einzuziehen.

Dieses Verfahren ist ja äußerst günstig für den Versicherten, es läßt sich
aber nicht ohne weiteres auf die Privatversicherungsgesellschaftcn übertragen,
weil diese in der Bemessung des höhern Beitrags und des Strafbeitrags ein
neues Mittel in die Hand bekommen würden, den Versicherten zu schädigen.
Dies ist bei den unter behördlicher Leitung stehenden, keinen Gewinn erstre¬
benden öffentlichen Sozietäten nicht zu befürchten. Es muß sich aber auch für
die Privatversicherungsgesellschaften ein Modus, die betreffende Bedingung in
der angedeuteten Weise umzugestalten, finden lassen.

Gegen den zweiten Satz, wonach die Eutschädiguugsverpflichtung ruht,
wenn versicherte Gegenstände noch anderswo versichert werden, läßt sich nichts
einwenden, obwohl sich auch hierbei sehr wohl für den Beschädigtem unverschuldete
Härten herausstellen können, die aber den Erwerbsgesellschaften nun einmal
eigen sind und nie ganz beseitigt werden können. Deshalb ist auch schon mit
Recht oft die Frage aufgeworfen worden, ob das Versicherungswesen überhaupt
als eine Aufgabe der gewerblichen Spekulation zu betrachten, ob es nicht viel¬
mehr wirtschaftlich richtig sei, es einzig und allein als einen Zweig der öffent¬
lichen, behördlichen Verwaltung zu behandeln. Doch mag diese Frage hier
nur gestreift werden, da eine erschöpfende Erörterung zu weit führen würde.


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[0350] Die versicherungsbedingungen der privaten Feuerverficherungsgesellschaften Brand entsteht, oder auf den ein Brand vom Nachbarhause übertragen wird, so kann die Gesellschaft die Zahlung der Vergütung verweigern, denn ihre Entschädigungsverpflichtung ruhte ja, wobei vorausgesetzt wird, daß es wohl kaum einem Versicherten einfallen wird, von jenem Vorgange der Gesellschaft Anzeige zu machen. Das ist uur ein Fall. Wenn man aber erwägt, wie viele derartige Fälle eintreten können, so ist es wohl nicht zu viel behauptet, wenn man sagt, daß ein großer Teil der Versicherten zwar die Prämie zu be¬ zahlen hat, aber thatsächlich unverhindert ist; aber es brennt eben nur bei wenigen, und die Frage tritt deshalb auch selten in die Praxis; denn von tausend Versicherten brennt erst einer ab, und bei geringfügigen Schäden werden die Gesellschaften aus geschäftlichen Rücksichten keine besondern Schwierig¬ keiten machen. Bei einem umfangreichen Schaden kann aber der Beschädigte sehr unangenehme Erfahrungen machen und großen Verlust erleiden. Nun wird ja mit der Möglichkeit gerechnet werden müssen, daß ein Ver¬ sicherter absichtlich die Anzeige einer Erhöhung der Feuersgefahr unterläßt oder die Vermehrung der Feuersgefahr so groß ist, daß die Unterlassung der Anzeige als ein großer Leichtsinn angesehen werden muß. Gegen derartige Vorkommnisse müssen die Versicherungsgesellschaften allerdings geschützt sein; aber die in der jetzigen Form rigorose Vorschrift ließe sich für den Ver¬ sicherten wesentlich günstiger gestalten. Bei den mehrfach erwähnten öffent¬ lichen Feuersozietäten ist diese Frage im allgemeinen in der Weise geregelt, daß bei einer Erhöhung der Feuersgefahr die Vergütuugspflicht der Anstalt bestehen bleibt, daß sie aber befugt ist, dafür die höhern Beitrüge nebst einem Strafbeitrage von dem Beschädigtem einzuziehen. Dieses Verfahren ist ja äußerst günstig für den Versicherten, es läßt sich aber nicht ohne weiteres auf die Privatversicherungsgesellschaftcn übertragen, weil diese in der Bemessung des höhern Beitrags und des Strafbeitrags ein neues Mittel in die Hand bekommen würden, den Versicherten zu schädigen. Dies ist bei den unter behördlicher Leitung stehenden, keinen Gewinn erstre¬ benden öffentlichen Sozietäten nicht zu befürchten. Es muß sich aber auch für die Privatversicherungsgesellschaften ein Modus, die betreffende Bedingung in der angedeuteten Weise umzugestalten, finden lassen. Gegen den zweiten Satz, wonach die Eutschädiguugsverpflichtung ruht, wenn versicherte Gegenstände noch anderswo versichert werden, läßt sich nichts einwenden, obwohl sich auch hierbei sehr wohl für den Beschädigtem unverschuldete Härten herausstellen können, die aber den Erwerbsgesellschaften nun einmal eigen sind und nie ganz beseitigt werden können. Deshalb ist auch schon mit Recht oft die Frage aufgeworfen worden, ob das Versicherungswesen überhaupt als eine Aufgabe der gewerblichen Spekulation zu betrachten, ob es nicht viel¬ mehr wirtschaftlich richtig sei, es einzig und allein als einen Zweig der öffent¬ lichen, behördlichen Verwaltung zu behandeln. Doch mag diese Frage hier nur gestreift werden, da eine erschöpfende Erörterung zu weit führen würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/350>, abgerufen am 28.07.2024.