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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Die versicherimgsbedingungen der privaten Feuerversicherungsgesellschafteu

bestehende Versicherungen handelt. In der ganzen Zwischenzeit ist er aber un¬
verhindert, und wenn er abbrennt, kann die Gesellschaft die Zahlung verweigern,
und dies ist auch in der That schon vorgekommen.

Der Antragsteller hat also die dringendste Veranlassung, die Police so
schnell wie möglich einzulösen. Durch die Annahme aber unterwirft er sich
ihrem ganzen Inhalt, und so bleibt ihm gar keine Zeit zu prüfen, was in der
Police steht, ob die Höhe der Prämie und die festgesetzte Versicherungsdauer
mit seineu Anschauungen übereinstimmen, kurz -- er ist auf jeden Fall ge¬
fangen und gebunden.

Dieser für den Versicherten sehr ungünstige Zustand könnte dadurch ge¬
mildert werden, daß die Versicherung mit dem Zeitpunkt in Kraft tritt, wo
die Gesellschaft die Police ausfertigt, und daß dem Versicherten drei Tage
Frist gelassen werden, um die Police zu prüfen und eventuell von dem Ver¬
trage zurücktreten zu können. Wem dies ein zu großes Entgegenkommen
gegenüber den Versicherten zu sein scheint, für den sei bemerkt, daß die er¬
wähnten "öffentlichen Feuersozietüten" nicht nur im allgemeinen dieses Zuge¬
ständnis machen, sondern das Bestehen oder das Inkrafttreten der Versicherung
überhaupt nicht von der rechtzeitigen Zahlung der Prämien abhängig machen.

Endlich sei der § 5 der Bedingungen erwähnt, der die für den Ver¬
sicherten besonders gefährlichen Bestimmungen enthält und ganz besonders ein¬
seitig zu Gunsten der Versicherungsgesellschaft abgefaßt ist. Der Wortlaut ist
folgender: Wenn der Versicherte im Laufe der Versicherung: 1. eine Ver¬
mehrung der Feuergefährlichkeit herbeiführt oder zuläßt, 2. versicherte Gegen¬
stünde noch anderweit versichert, 3. sie in eine andre Lokalität als diejenige,
wo sie versichert sind, verbringt oder sie verbringen läßt, oder wenn 4. ver¬
sicherte Gegenstände, abgesehen von Erbschaftsfüllen, den Eigentümer wechseln,
so ruht bis zur schriftlichen Genehmigung dieser Veränderungen seitens der
Gesellschaft usw. die Entschädigungsverpflichtung usw. usw. Erstattet der
Versicherte die Anzeige, so ist die Gesellschaft, falls sie die Versicherung nicht
fortsetzen will, berechtigt, sie durch schriftliche Anzeige mit Ablauf von zwei
Wochen nach der Zustellung jener Anzeige aufzuheben. -- Sehr glücklich (für die
Gesellschaften glücklich!) ist der Ausdruck gewählt: Die Entschädigungsver¬
pflichtung ruht. Es heißt nicht: Die Versicherung erlischt; denn dann könnte
ja der Versicherte das Recht haben, sich anderweit Versicherung zu suchen.
So aber kann er nicht vorwärts noch rückwärts, er ist der Willkür der Gesell¬
schaft preisgegeben, sie kann ihn mit nur zweiwöchiger Frist gehen heißen, sie
kann ihn gegen seinen Willen festhalten.

Sehen wir uns nun die Umstünde genauer an, die das Ruhen der Ent-
schüdigungsverpflichtuug zur Folge haben. Da ist zunüchst die Vermehrung
der Feuergefährlichkeit. Wenn jemand z. B. im Versichernngsantrage die
Frage wegen der Lagerung leicht brennbarer Gegenstünde im Gehöft verneint
hat, und es wird später ein Haufen Reisig auf den Hof gefahren, an dem ein


Die versicherimgsbedingungen der privaten Feuerversicherungsgesellschafteu

bestehende Versicherungen handelt. In der ganzen Zwischenzeit ist er aber un¬
verhindert, und wenn er abbrennt, kann die Gesellschaft die Zahlung verweigern,
und dies ist auch in der That schon vorgekommen.

Der Antragsteller hat also die dringendste Veranlassung, die Police so
schnell wie möglich einzulösen. Durch die Annahme aber unterwirft er sich
ihrem ganzen Inhalt, und so bleibt ihm gar keine Zeit zu prüfen, was in der
Police steht, ob die Höhe der Prämie und die festgesetzte Versicherungsdauer
mit seineu Anschauungen übereinstimmen, kurz — er ist auf jeden Fall ge¬
fangen und gebunden.

Dieser für den Versicherten sehr ungünstige Zustand könnte dadurch ge¬
mildert werden, daß die Versicherung mit dem Zeitpunkt in Kraft tritt, wo
die Gesellschaft die Police ausfertigt, und daß dem Versicherten drei Tage
Frist gelassen werden, um die Police zu prüfen und eventuell von dem Ver¬
trage zurücktreten zu können. Wem dies ein zu großes Entgegenkommen
gegenüber den Versicherten zu sein scheint, für den sei bemerkt, daß die er¬
wähnten „öffentlichen Feuersozietüten" nicht nur im allgemeinen dieses Zuge¬
ständnis machen, sondern das Bestehen oder das Inkrafttreten der Versicherung
überhaupt nicht von der rechtzeitigen Zahlung der Prämien abhängig machen.

Endlich sei der § 5 der Bedingungen erwähnt, der die für den Ver¬
sicherten besonders gefährlichen Bestimmungen enthält und ganz besonders ein¬
seitig zu Gunsten der Versicherungsgesellschaft abgefaßt ist. Der Wortlaut ist
folgender: Wenn der Versicherte im Laufe der Versicherung: 1. eine Ver¬
mehrung der Feuergefährlichkeit herbeiführt oder zuläßt, 2. versicherte Gegen¬
stünde noch anderweit versichert, 3. sie in eine andre Lokalität als diejenige,
wo sie versichert sind, verbringt oder sie verbringen läßt, oder wenn 4. ver¬
sicherte Gegenstände, abgesehen von Erbschaftsfüllen, den Eigentümer wechseln,
so ruht bis zur schriftlichen Genehmigung dieser Veränderungen seitens der
Gesellschaft usw. die Entschädigungsverpflichtung usw. usw. Erstattet der
Versicherte die Anzeige, so ist die Gesellschaft, falls sie die Versicherung nicht
fortsetzen will, berechtigt, sie durch schriftliche Anzeige mit Ablauf von zwei
Wochen nach der Zustellung jener Anzeige aufzuheben. — Sehr glücklich (für die
Gesellschaften glücklich!) ist der Ausdruck gewählt: Die Entschädigungsver¬
pflichtung ruht. Es heißt nicht: Die Versicherung erlischt; denn dann könnte
ja der Versicherte das Recht haben, sich anderweit Versicherung zu suchen.
So aber kann er nicht vorwärts noch rückwärts, er ist der Willkür der Gesell¬
schaft preisgegeben, sie kann ihn mit nur zweiwöchiger Frist gehen heißen, sie
kann ihn gegen seinen Willen festhalten.

Sehen wir uns nun die Umstünde genauer an, die das Ruhen der Ent-
schüdigungsverpflichtuug zur Folge haben. Da ist zunüchst die Vermehrung
der Feuergefährlichkeit. Wenn jemand z. B. im Versichernngsantrage die
Frage wegen der Lagerung leicht brennbarer Gegenstünde im Gehöft verneint
hat, und es wird später ein Haufen Reisig auf den Hof gefahren, an dem ein


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[0349] Die versicherimgsbedingungen der privaten Feuerversicherungsgesellschafteu bestehende Versicherungen handelt. In der ganzen Zwischenzeit ist er aber un¬ verhindert, und wenn er abbrennt, kann die Gesellschaft die Zahlung verweigern, und dies ist auch in der That schon vorgekommen. Der Antragsteller hat also die dringendste Veranlassung, die Police so schnell wie möglich einzulösen. Durch die Annahme aber unterwirft er sich ihrem ganzen Inhalt, und so bleibt ihm gar keine Zeit zu prüfen, was in der Police steht, ob die Höhe der Prämie und die festgesetzte Versicherungsdauer mit seineu Anschauungen übereinstimmen, kurz — er ist auf jeden Fall ge¬ fangen und gebunden. Dieser für den Versicherten sehr ungünstige Zustand könnte dadurch ge¬ mildert werden, daß die Versicherung mit dem Zeitpunkt in Kraft tritt, wo die Gesellschaft die Police ausfertigt, und daß dem Versicherten drei Tage Frist gelassen werden, um die Police zu prüfen und eventuell von dem Ver¬ trage zurücktreten zu können. Wem dies ein zu großes Entgegenkommen gegenüber den Versicherten zu sein scheint, für den sei bemerkt, daß die er¬ wähnten „öffentlichen Feuersozietüten" nicht nur im allgemeinen dieses Zuge¬ ständnis machen, sondern das Bestehen oder das Inkrafttreten der Versicherung überhaupt nicht von der rechtzeitigen Zahlung der Prämien abhängig machen. Endlich sei der § 5 der Bedingungen erwähnt, der die für den Ver¬ sicherten besonders gefährlichen Bestimmungen enthält und ganz besonders ein¬ seitig zu Gunsten der Versicherungsgesellschaft abgefaßt ist. Der Wortlaut ist folgender: Wenn der Versicherte im Laufe der Versicherung: 1. eine Ver¬ mehrung der Feuergefährlichkeit herbeiführt oder zuläßt, 2. versicherte Gegen¬ stünde noch anderweit versichert, 3. sie in eine andre Lokalität als diejenige, wo sie versichert sind, verbringt oder sie verbringen läßt, oder wenn 4. ver¬ sicherte Gegenstände, abgesehen von Erbschaftsfüllen, den Eigentümer wechseln, so ruht bis zur schriftlichen Genehmigung dieser Veränderungen seitens der Gesellschaft usw. die Entschädigungsverpflichtung usw. usw. Erstattet der Versicherte die Anzeige, so ist die Gesellschaft, falls sie die Versicherung nicht fortsetzen will, berechtigt, sie durch schriftliche Anzeige mit Ablauf von zwei Wochen nach der Zustellung jener Anzeige aufzuheben. — Sehr glücklich (für die Gesellschaften glücklich!) ist der Ausdruck gewählt: Die Entschädigungsver¬ pflichtung ruht. Es heißt nicht: Die Versicherung erlischt; denn dann könnte ja der Versicherte das Recht haben, sich anderweit Versicherung zu suchen. So aber kann er nicht vorwärts noch rückwärts, er ist der Willkür der Gesell¬ schaft preisgegeben, sie kann ihn mit nur zweiwöchiger Frist gehen heißen, sie kann ihn gegen seinen Willen festhalten. Sehen wir uns nun die Umstünde genauer an, die das Ruhen der Ent- schüdigungsverpflichtuug zur Folge haben. Da ist zunüchst die Vermehrung der Feuergefährlichkeit. Wenn jemand z. B. im Versichernngsantrage die Frage wegen der Lagerung leicht brennbarer Gegenstünde im Gehöft verneint hat, und es wird später ein Haufen Reisig auf den Hof gefahren, an dem ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/349>, abgerufen am 28.07.2024.