Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.Frühlingstage am Garigliano Fußwege von einander getrennt sind. In der Mitte des Grundstücks liegt Das fleißige Geschlecht, das hier haust, ist auch vielfach durch Schönheit Der Gaul erwies sich leistungsfähiger, als wir gedacht hatten: in sausendem Frühlingstage am Garigliano Fußwege von einander getrennt sind. In der Mitte des Grundstücks liegt Das fleißige Geschlecht, das hier haust, ist auch vielfach durch Schönheit Der Gaul erwies sich leistungsfähiger, als wir gedacht hatten: in sausendem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228620"/> <fw type="header" place="top"> Frühlingstage am Garigliano</fw><lb/> <p xml:id="ID_1129" prev="#ID_1128"> Fußwege von einander getrennt sind. In der Mitte des Grundstücks liegt<lb/> das bescheidne Haus des Kolonen — denn freie Bauern, die den eignen Acker<lb/> bauen, giebt es hier nicht —; ringsumher ist alles trefflich bestellt. Man<lb/> baut nicht nur, wie anderwärts, Mais, Maulbeerbäume und Wein auf ein<lb/> und demselben Acker, sodaß eine Scholle den Menschen speist, tränkt und kleidet,<lb/> sondern dazu kommt ein lebhafter Gemüsebau. Die herrlichen Bohnen,<lb/> Schoten, Zwiebeln, Salate, Finochi, die auf dem Markte von Neapel das<lb/> Auge erfreuen, sind zum Teil im Liristhal gewachsen. Ich sah Dutzende von<lb/> Weibern und Männern hochaufgeschürzt in den Wasserläufen stehen und das<lb/> Gemüse zum Versand reinwaschen, andre trugen es in großen Lasten auf dem<lb/> Kopfe zur Bahnstation, andre arbeiteten auf dem Felde im Schweiße ihres<lb/> Angesichts, als die Sonne schon längst hinter den Bergen verschwunden war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1130"> Das fleißige Geschlecht, das hier haust, ist auch vielfach durch Schönheit<lb/> ausgezeichnet. Ich sah zahlreiche junge Männer in Sandalen und braunen<lb/> Kniestrümpfen, buntem Gürtel, spitzem Filzhut, herrliche Gestalten, die an die<lb/> hochgewachsenen Bauern des Etschthales erinnern. Die Frauen entzücken durch<lb/> feingcschnittne Gesichter, bunte, kleidsame Tracht und vor allem durch eine auf¬<lb/> fallend gerade Haltung und schönen Gang. Das ist die Folge davon, daß sie<lb/> von Jugend auf alle Lasten auf dem Kopfe tragen. Ein besonders malerisches<lb/> Bild bot die Lirisbrücke in Sora am Vorabend zum Himmelfahrtstage.<lb/> Vielleicht fünfzig Frauen und Mädchen, Bäuerinnen aus der Umgegend, waren<lb/> erschienen, jede eine schwere Last frischen Klees auf dem Kopfe. Als Käufer<lb/> der Ware waren sämtliche Kutscher und Pferdebesitzer von Sora erschienen.<lb/> Jede Bäuerin suchte natürlich ihr Bündel der Heimkehr halber bald los zu<lb/> werden. Die Kutscher aber verbargen ihre Kauflust unter scheinbarer Gleich-<lb/> giltigkeit. Interessant war die erste Anknüpfung, in der Regel aus der Ferne<lb/> mittelst der Geberdensprache; dann trat der Käufer näher, wog die Last mit<lb/> den Armen, und nun begann das Feilschen von Soldo zu Soldo. So gab es<lb/> Unterhaltung genug in Sora. Und als ich nachts in dem mangelhaften Bett<lb/> nicht schlafen konnte, tröstete mich ein Chor von Nachtigallen mit zauberhaft<lb/> süßem Gesang; sie nisten zu Hunderten in den Pappeln und Weiden, die die<lb/> Wasserläufe der Stadt umsäumen; zu solchem musikalischen Genuß bot der<lb/> heiße Nachmittag des Osterfestes keine Gelegenheit — und so verließen wir<lb/> denn Sora gegen vier Uhr wieder in einem klapprigen Wäglein, das uns ein<lb/> schmieriger Kutscher mit dürrem Gaule angeboten hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1131" next="#ID_1132"> Der Gaul erwies sich leistungsfähiger, als wir gedacht hatten: in sausendem<lb/> Galopp ging es auf der ebnen Straße nach Süden dahin, bis zu der Stelle,<lb/> wo der Fibrenus in mehrern Armen, von Osten her kommend, rechtwinklig<lb/> auf den südwärts fließenden Liris stößt und seine Wasser mit ihm vereinigt.<lb/> Die Straße führt hier mittelst steinerner Brücken über einige kleine Inseln<lb/> hinweg, die die Fibrenusarme mit dem Liris bilden. Da stiegen wir aus,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
Frühlingstage am Garigliano
Fußwege von einander getrennt sind. In der Mitte des Grundstücks liegt
das bescheidne Haus des Kolonen — denn freie Bauern, die den eignen Acker
bauen, giebt es hier nicht —; ringsumher ist alles trefflich bestellt. Man
baut nicht nur, wie anderwärts, Mais, Maulbeerbäume und Wein auf ein
und demselben Acker, sodaß eine Scholle den Menschen speist, tränkt und kleidet,
sondern dazu kommt ein lebhafter Gemüsebau. Die herrlichen Bohnen,
Schoten, Zwiebeln, Salate, Finochi, die auf dem Markte von Neapel das
Auge erfreuen, sind zum Teil im Liristhal gewachsen. Ich sah Dutzende von
Weibern und Männern hochaufgeschürzt in den Wasserläufen stehen und das
Gemüse zum Versand reinwaschen, andre trugen es in großen Lasten auf dem
Kopfe zur Bahnstation, andre arbeiteten auf dem Felde im Schweiße ihres
Angesichts, als die Sonne schon längst hinter den Bergen verschwunden war.
Das fleißige Geschlecht, das hier haust, ist auch vielfach durch Schönheit
ausgezeichnet. Ich sah zahlreiche junge Männer in Sandalen und braunen
Kniestrümpfen, buntem Gürtel, spitzem Filzhut, herrliche Gestalten, die an die
hochgewachsenen Bauern des Etschthales erinnern. Die Frauen entzücken durch
feingcschnittne Gesichter, bunte, kleidsame Tracht und vor allem durch eine auf¬
fallend gerade Haltung und schönen Gang. Das ist die Folge davon, daß sie
von Jugend auf alle Lasten auf dem Kopfe tragen. Ein besonders malerisches
Bild bot die Lirisbrücke in Sora am Vorabend zum Himmelfahrtstage.
Vielleicht fünfzig Frauen und Mädchen, Bäuerinnen aus der Umgegend, waren
erschienen, jede eine schwere Last frischen Klees auf dem Kopfe. Als Käufer
der Ware waren sämtliche Kutscher und Pferdebesitzer von Sora erschienen.
Jede Bäuerin suchte natürlich ihr Bündel der Heimkehr halber bald los zu
werden. Die Kutscher aber verbargen ihre Kauflust unter scheinbarer Gleich-
giltigkeit. Interessant war die erste Anknüpfung, in der Regel aus der Ferne
mittelst der Geberdensprache; dann trat der Käufer näher, wog die Last mit
den Armen, und nun begann das Feilschen von Soldo zu Soldo. So gab es
Unterhaltung genug in Sora. Und als ich nachts in dem mangelhaften Bett
nicht schlafen konnte, tröstete mich ein Chor von Nachtigallen mit zauberhaft
süßem Gesang; sie nisten zu Hunderten in den Pappeln und Weiden, die die
Wasserläufe der Stadt umsäumen; zu solchem musikalischen Genuß bot der
heiße Nachmittag des Osterfestes keine Gelegenheit — und so verließen wir
denn Sora gegen vier Uhr wieder in einem klapprigen Wäglein, das uns ein
schmieriger Kutscher mit dürrem Gaule angeboten hatte.
Der Gaul erwies sich leistungsfähiger, als wir gedacht hatten: in sausendem
Galopp ging es auf der ebnen Straße nach Süden dahin, bis zu der Stelle,
wo der Fibrenus in mehrern Armen, von Osten her kommend, rechtwinklig
auf den südwärts fließenden Liris stößt und seine Wasser mit ihm vereinigt.
Die Straße führt hier mittelst steinerner Brücken über einige kleine Inseln
hinweg, die die Fibrenusarme mit dem Liris bilden. Da stiegen wir aus,
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