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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Vorgeschichte der Kolonisation in Südwestafrika

wie die Missionare an, den englischen Beamten Schwierigkeiten zu machen.
Direkt wagten sie sich nicht hervor, aber auf Umwegen gelangten sie desto
besser zu ihrem Ziele. Von allen Seiten kamen dem Kommissar Klagen über
mangelnden Schutz. Da waren einem Händler Vieh oder andre Sachen ge¬
stohlen worden; andre Händler konnten ihre Aufstände von den Eingebornen
nicht erhalten; manche Händler wurden, wenn sie sich selbst helfen wollten,
geprügelt, beraubt und aus ihrem Besitz vertrieben. Die unzufriednen Händler
fanden williges Gehör in den Kapschen Blättern, und der Kommissar mußte
Bericht über Bericht einreichen. Die Missionare, die früher wohl manches
ausgeglichen und begütigt hatten, hielten sich, wie Büttner schreibt, im Inter¬
esse der Mission für verpflichtet, dieser Beamtenschaft, die die Entwicklung des
mühsam Erarbeiteten zusehends störte, jedes nur mögliche Hindernis in den
Weg zu legen. Der deutsche Konsul in Kapstadt und die deutsche Negierung
wurden in Bewegung gesetzt; sie wurden in London vorstellig wegen des
Schutzes der Missionare. Palgrave mit seinem Sekretär stand diesen Klagen
machtlos gegenüber und wand sich zwischen Eingebornen, Händlern, Ansiedlern
und Missionaren, zwischen Presse und Kapregierung mit vielen Wenns und
Abers hin und her. Es half ihm nichts, den Europäern zu versichern, daß
thatsächlicher Schutz nur an der Küste gewährt werden könne, und es ihm
unmöglich wäre, noch mehr zu thun. Es nützte ihm auch nichts, immer von
neuem zu wiederholen, daß die eingebornen Häuptlinge ganz selbständig und
unabhängig seien, und daß er uur zum Beraten und Berichten, aber nicht zur
Ausübung der Macht da sei. Kein Südwestafrikaner wollte die Gründe für
sein NichtHandeln verstehen, ein jeder meinte, Palgrave Hütte etwas thun
können, um die Regierung zum Handeln zu veranlassen.

So hatte denn die Konferenz der Ncimakapitüne, die er 1880 nach Gobabis
berief, um in den Klagesachen etwas zu thun, wenig Aussicht auf Erfolg.
Während diese Konferenz tagte, kam es zu seinem Unglück wegen eines Vieh¬
diebstahls zwischen Hottentotten und Herero in der Nähe von Rehoboth zu
einer Rauferei. Maharero geriet in eine furchtbare Wut, als er hörte, daß
dabei mehrere Herero erschossen worden seien. Er ließ gegen südafrikanischen
Brauch sämtliche Hottentotten, die sich im Damarcilcmde aufhielten, ermorden,
und damit brach der uralte Krieg zwischen Rama und Herero, der zehn Jahre
geschlummert hatte, wieder aus. Die in Gobabis versammelten Namahäupt-
linge schoben Palgrave einen Teil der Schuld zu und hatten damit wohl auch
nicht ganz unrecht. Sie bedrohten ihn, doch konnten er und seine Begleiter
noch rechtzeitig die Flucht ergreifen und von Walfischbai aus an die Negie¬
rung berichten. Sein Bericht fand die Kap- und britische Negierung in übler
Lage. Der Zulukrieg war eben beendet, die Stimmung der Transvcmlboeren
ließ Schlimmes befürchten. In dieser Lage auch noch den Schutz der Euro¬
päer, besonders der deutschen Missionare in dem vom Kriege zerrissenen


Vorgeschichte der Kolonisation in Südwestafrika

wie die Missionare an, den englischen Beamten Schwierigkeiten zu machen.
Direkt wagten sie sich nicht hervor, aber auf Umwegen gelangten sie desto
besser zu ihrem Ziele. Von allen Seiten kamen dem Kommissar Klagen über
mangelnden Schutz. Da waren einem Händler Vieh oder andre Sachen ge¬
stohlen worden; andre Händler konnten ihre Aufstände von den Eingebornen
nicht erhalten; manche Händler wurden, wenn sie sich selbst helfen wollten,
geprügelt, beraubt und aus ihrem Besitz vertrieben. Die unzufriednen Händler
fanden williges Gehör in den Kapschen Blättern, und der Kommissar mußte
Bericht über Bericht einreichen. Die Missionare, die früher wohl manches
ausgeglichen und begütigt hatten, hielten sich, wie Büttner schreibt, im Inter¬
esse der Mission für verpflichtet, dieser Beamtenschaft, die die Entwicklung des
mühsam Erarbeiteten zusehends störte, jedes nur mögliche Hindernis in den
Weg zu legen. Der deutsche Konsul in Kapstadt und die deutsche Negierung
wurden in Bewegung gesetzt; sie wurden in London vorstellig wegen des
Schutzes der Missionare. Palgrave mit seinem Sekretär stand diesen Klagen
machtlos gegenüber und wand sich zwischen Eingebornen, Händlern, Ansiedlern
und Missionaren, zwischen Presse und Kapregierung mit vielen Wenns und
Abers hin und her. Es half ihm nichts, den Europäern zu versichern, daß
thatsächlicher Schutz nur an der Küste gewährt werden könne, und es ihm
unmöglich wäre, noch mehr zu thun. Es nützte ihm auch nichts, immer von
neuem zu wiederholen, daß die eingebornen Häuptlinge ganz selbständig und
unabhängig seien, und daß er uur zum Beraten und Berichten, aber nicht zur
Ausübung der Macht da sei. Kein Südwestafrikaner wollte die Gründe für
sein NichtHandeln verstehen, ein jeder meinte, Palgrave Hütte etwas thun
können, um die Regierung zum Handeln zu veranlassen.

So hatte denn die Konferenz der Ncimakapitüne, die er 1880 nach Gobabis
berief, um in den Klagesachen etwas zu thun, wenig Aussicht auf Erfolg.
Während diese Konferenz tagte, kam es zu seinem Unglück wegen eines Vieh¬
diebstahls zwischen Hottentotten und Herero in der Nähe von Rehoboth zu
einer Rauferei. Maharero geriet in eine furchtbare Wut, als er hörte, daß
dabei mehrere Herero erschossen worden seien. Er ließ gegen südafrikanischen
Brauch sämtliche Hottentotten, die sich im Damarcilcmde aufhielten, ermorden,
und damit brach der uralte Krieg zwischen Rama und Herero, der zehn Jahre
geschlummert hatte, wieder aus. Die in Gobabis versammelten Namahäupt-
linge schoben Palgrave einen Teil der Schuld zu und hatten damit wohl auch
nicht ganz unrecht. Sie bedrohten ihn, doch konnten er und seine Begleiter
noch rechtzeitig die Flucht ergreifen und von Walfischbai aus an die Negie¬
rung berichten. Sein Bericht fand die Kap- und britische Negierung in übler
Lage. Der Zulukrieg war eben beendet, die Stimmung der Transvcmlboeren
ließ Schlimmes befürchten. In dieser Lage auch noch den Schutz der Euro¬
päer, besonders der deutschen Missionare in dem vom Kriege zerrissenen


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[0264] Vorgeschichte der Kolonisation in Südwestafrika wie die Missionare an, den englischen Beamten Schwierigkeiten zu machen. Direkt wagten sie sich nicht hervor, aber auf Umwegen gelangten sie desto besser zu ihrem Ziele. Von allen Seiten kamen dem Kommissar Klagen über mangelnden Schutz. Da waren einem Händler Vieh oder andre Sachen ge¬ stohlen worden; andre Händler konnten ihre Aufstände von den Eingebornen nicht erhalten; manche Händler wurden, wenn sie sich selbst helfen wollten, geprügelt, beraubt und aus ihrem Besitz vertrieben. Die unzufriednen Händler fanden williges Gehör in den Kapschen Blättern, und der Kommissar mußte Bericht über Bericht einreichen. Die Missionare, die früher wohl manches ausgeglichen und begütigt hatten, hielten sich, wie Büttner schreibt, im Inter¬ esse der Mission für verpflichtet, dieser Beamtenschaft, die die Entwicklung des mühsam Erarbeiteten zusehends störte, jedes nur mögliche Hindernis in den Weg zu legen. Der deutsche Konsul in Kapstadt und die deutsche Negierung wurden in Bewegung gesetzt; sie wurden in London vorstellig wegen des Schutzes der Missionare. Palgrave mit seinem Sekretär stand diesen Klagen machtlos gegenüber und wand sich zwischen Eingebornen, Händlern, Ansiedlern und Missionaren, zwischen Presse und Kapregierung mit vielen Wenns und Abers hin und her. Es half ihm nichts, den Europäern zu versichern, daß thatsächlicher Schutz nur an der Küste gewährt werden könne, und es ihm unmöglich wäre, noch mehr zu thun. Es nützte ihm auch nichts, immer von neuem zu wiederholen, daß die eingebornen Häuptlinge ganz selbständig und unabhängig seien, und daß er uur zum Beraten und Berichten, aber nicht zur Ausübung der Macht da sei. Kein Südwestafrikaner wollte die Gründe für sein NichtHandeln verstehen, ein jeder meinte, Palgrave Hütte etwas thun können, um die Regierung zum Handeln zu veranlassen. So hatte denn die Konferenz der Ncimakapitüne, die er 1880 nach Gobabis berief, um in den Klagesachen etwas zu thun, wenig Aussicht auf Erfolg. Während diese Konferenz tagte, kam es zu seinem Unglück wegen eines Vieh¬ diebstahls zwischen Hottentotten und Herero in der Nähe von Rehoboth zu einer Rauferei. Maharero geriet in eine furchtbare Wut, als er hörte, daß dabei mehrere Herero erschossen worden seien. Er ließ gegen südafrikanischen Brauch sämtliche Hottentotten, die sich im Damarcilcmde aufhielten, ermorden, und damit brach der uralte Krieg zwischen Rama und Herero, der zehn Jahre geschlummert hatte, wieder aus. Die in Gobabis versammelten Namahäupt- linge schoben Palgrave einen Teil der Schuld zu und hatten damit wohl auch nicht ganz unrecht. Sie bedrohten ihn, doch konnten er und seine Begleiter noch rechtzeitig die Flucht ergreifen und von Walfischbai aus an die Negie¬ rung berichten. Sein Bericht fand die Kap- und britische Negierung in übler Lage. Der Zulukrieg war eben beendet, die Stimmung der Transvcmlboeren ließ Schlimmes befürchten. In dieser Lage auch noch den Schutz der Euro¬ päer, besonders der deutschen Missionare in dem vom Kriege zerrissenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/264>, abgerufen am 28.07.2024.