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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Vorgeschichte der Kolonisation in Südwestafrika

Abgesehen von dem vielbegehrten Kaffee, Tabak und sonstigen Verpflegungs¬
gegenständen gab die Mission Bekleidungssachen, Werkzeuge, Hausgerät,
Sattlerwaren, Wagenbauartikel, Waffen und Munition. Damals wie jetzt ruhte
der Eingeborne nicht, ehe er nicht ein Gewehr erworben hatte. Es sind durch
die Missionshandelsgesellschast viele Hunderte von Gewehren der verschiedensten
Konstruktionen eingeführt worden: alte Militärgewehre, Steinschloßgewehre,
Pcrkussionsgewehre, Miniegewehre, gezogne Vorderladerbüchseu, Sniderrifles,
Westleyrichards und schließlich kostbare Doppelbüchsen mit Hinterladung. Ein
großer Teil der jetzt bei den Eingebornen vorhandnen Gewehre stammt noch
aus jener Zeit. Auch Pulver und Blei ist noch von damals her vorhanden.
Zuzeiten lagerten 15000 Pfund Pulver in Otjimbingue, und Blei wurde in
5 Pfund schweren Stücken und 200 Pfund schweren Barren eingeführt. Die
sonst leichtsinnigen Eingebornen kauften die Munition zentnerweise und ver¬
steckten ihre Vorräte an geheimen Orten in den Bergklüften, wo sie sich bei
der Trockenheit des Klimas ausgezeichnet halten.

Es erscheint eigentümlich, daß gerade die Friedensboten mit Vernichtungs¬
waffen und Munition handelten, ja Büchsenmacher in das Land brachten. Man
hat der Mission sogar vorgeworfen, daß sie vom Kriege gelebt hätte,*) und
von den neidischen Geschäftsleuten des Rama- und Dainaralandes ist sie gerade
wegen des Waffenhandels scharf angegriffen und bei der Kapregierung und
den europäischen Mächten verdächtigt worden. Damit sind der Mission aber
ungerechtfertigte Vorwürfe gemacht worden. Die bessere Bewaffnung bedeutete
für die Eingebornen einen Fortschritt in der Kultur; sie wurden dadurch Herr
über das große Wild des Landes und konnten sich gegen die Räubereien
einzelner besser schützen. Der Mission selbst konnte durch Einführung von
Gewehren, Pulver und Blei nie Schaden gethan werden, solange sie diese
Dinge selbst lieferte. Im Gegenteil würden die gut bewaffneten Eingebornen
ihre Missionare gegen Feinde der Mission voraussichtlich ebenso geschützt haben,
wie seinerzeit die Indianer Paraguays ihre Jesuitenvüter verteidigten. Der
Missionshandel hätte zudem ohne Einfuhr von Waffen und Munition gar
nicht bestehen können, da die Missionare streng vermieden,**) Branntwein ein¬
zuführen, der den nächstergiebigen Handelsartikel ausmacht. Wo die Eingebornen
Branntwein trinken, ist es mit dem Einfluß der Mission vorbei. Für Brannt¬
wein verkauft der Eingeborne, besonders der leichtsinnige Hottentott, allmählich
sein ganzes Besitztum, Land, Vieh, Weib und Kind. Der trunksüchtige süd¬
afrikanische Eingeborne zeigt alle schlechten Eigenschaften, alle Laster in der
widerwärtigsten Form, und eine Branntweinschenke in der Nähe einer Missions¬
station genügt, die Eingebornen dem Einfluß des Missionars zu entziehen.
Englische Regierungsbeamte haben in der Kapkolonie die Erteilung von Vrannt-




Theophilus Hahn, Globus, 14. Band, 9. Lieferung.
"") Ebenda.
Vorgeschichte der Kolonisation in Südwestafrika

Abgesehen von dem vielbegehrten Kaffee, Tabak und sonstigen Verpflegungs¬
gegenständen gab die Mission Bekleidungssachen, Werkzeuge, Hausgerät,
Sattlerwaren, Wagenbauartikel, Waffen und Munition. Damals wie jetzt ruhte
der Eingeborne nicht, ehe er nicht ein Gewehr erworben hatte. Es sind durch
die Missionshandelsgesellschast viele Hunderte von Gewehren der verschiedensten
Konstruktionen eingeführt worden: alte Militärgewehre, Steinschloßgewehre,
Pcrkussionsgewehre, Miniegewehre, gezogne Vorderladerbüchseu, Sniderrifles,
Westleyrichards und schließlich kostbare Doppelbüchsen mit Hinterladung. Ein
großer Teil der jetzt bei den Eingebornen vorhandnen Gewehre stammt noch
aus jener Zeit. Auch Pulver und Blei ist noch von damals her vorhanden.
Zuzeiten lagerten 15000 Pfund Pulver in Otjimbingue, und Blei wurde in
5 Pfund schweren Stücken und 200 Pfund schweren Barren eingeführt. Die
sonst leichtsinnigen Eingebornen kauften die Munition zentnerweise und ver¬
steckten ihre Vorräte an geheimen Orten in den Bergklüften, wo sie sich bei
der Trockenheit des Klimas ausgezeichnet halten.

Es erscheint eigentümlich, daß gerade die Friedensboten mit Vernichtungs¬
waffen und Munition handelten, ja Büchsenmacher in das Land brachten. Man
hat der Mission sogar vorgeworfen, daß sie vom Kriege gelebt hätte,*) und
von den neidischen Geschäftsleuten des Rama- und Dainaralandes ist sie gerade
wegen des Waffenhandels scharf angegriffen und bei der Kapregierung und
den europäischen Mächten verdächtigt worden. Damit sind der Mission aber
ungerechtfertigte Vorwürfe gemacht worden. Die bessere Bewaffnung bedeutete
für die Eingebornen einen Fortschritt in der Kultur; sie wurden dadurch Herr
über das große Wild des Landes und konnten sich gegen die Räubereien
einzelner besser schützen. Der Mission selbst konnte durch Einführung von
Gewehren, Pulver und Blei nie Schaden gethan werden, solange sie diese
Dinge selbst lieferte. Im Gegenteil würden die gut bewaffneten Eingebornen
ihre Missionare gegen Feinde der Mission voraussichtlich ebenso geschützt haben,
wie seinerzeit die Indianer Paraguays ihre Jesuitenvüter verteidigten. Der
Missionshandel hätte zudem ohne Einfuhr von Waffen und Munition gar
nicht bestehen können, da die Missionare streng vermieden,**) Branntwein ein¬
zuführen, der den nächstergiebigen Handelsartikel ausmacht. Wo die Eingebornen
Branntwein trinken, ist es mit dem Einfluß der Mission vorbei. Für Brannt¬
wein verkauft der Eingeborne, besonders der leichtsinnige Hottentott, allmählich
sein ganzes Besitztum, Land, Vieh, Weib und Kind. Der trunksüchtige süd¬
afrikanische Eingeborne zeigt alle schlechten Eigenschaften, alle Laster in der
widerwärtigsten Form, und eine Branntweinschenke in der Nähe einer Missions¬
station genügt, die Eingebornen dem Einfluß des Missionars zu entziehen.
Englische Regierungsbeamte haben in der Kapkolonie die Erteilung von Vrannt-




Theophilus Hahn, Globus, 14. Band, 9. Lieferung.
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[0260] Vorgeschichte der Kolonisation in Südwestafrika Abgesehen von dem vielbegehrten Kaffee, Tabak und sonstigen Verpflegungs¬ gegenständen gab die Mission Bekleidungssachen, Werkzeuge, Hausgerät, Sattlerwaren, Wagenbauartikel, Waffen und Munition. Damals wie jetzt ruhte der Eingeborne nicht, ehe er nicht ein Gewehr erworben hatte. Es sind durch die Missionshandelsgesellschast viele Hunderte von Gewehren der verschiedensten Konstruktionen eingeführt worden: alte Militärgewehre, Steinschloßgewehre, Pcrkussionsgewehre, Miniegewehre, gezogne Vorderladerbüchseu, Sniderrifles, Westleyrichards und schließlich kostbare Doppelbüchsen mit Hinterladung. Ein großer Teil der jetzt bei den Eingebornen vorhandnen Gewehre stammt noch aus jener Zeit. Auch Pulver und Blei ist noch von damals her vorhanden. Zuzeiten lagerten 15000 Pfund Pulver in Otjimbingue, und Blei wurde in 5 Pfund schweren Stücken und 200 Pfund schweren Barren eingeführt. Die sonst leichtsinnigen Eingebornen kauften die Munition zentnerweise und ver¬ steckten ihre Vorräte an geheimen Orten in den Bergklüften, wo sie sich bei der Trockenheit des Klimas ausgezeichnet halten. Es erscheint eigentümlich, daß gerade die Friedensboten mit Vernichtungs¬ waffen und Munition handelten, ja Büchsenmacher in das Land brachten. Man hat der Mission sogar vorgeworfen, daß sie vom Kriege gelebt hätte,*) und von den neidischen Geschäftsleuten des Rama- und Dainaralandes ist sie gerade wegen des Waffenhandels scharf angegriffen und bei der Kapregierung und den europäischen Mächten verdächtigt worden. Damit sind der Mission aber ungerechtfertigte Vorwürfe gemacht worden. Die bessere Bewaffnung bedeutete für die Eingebornen einen Fortschritt in der Kultur; sie wurden dadurch Herr über das große Wild des Landes und konnten sich gegen die Räubereien einzelner besser schützen. Der Mission selbst konnte durch Einführung von Gewehren, Pulver und Blei nie Schaden gethan werden, solange sie diese Dinge selbst lieferte. Im Gegenteil würden die gut bewaffneten Eingebornen ihre Missionare gegen Feinde der Mission voraussichtlich ebenso geschützt haben, wie seinerzeit die Indianer Paraguays ihre Jesuitenvüter verteidigten. Der Missionshandel hätte zudem ohne Einfuhr von Waffen und Munition gar nicht bestehen können, da die Missionare streng vermieden,**) Branntwein ein¬ zuführen, der den nächstergiebigen Handelsartikel ausmacht. Wo die Eingebornen Branntwein trinken, ist es mit dem Einfluß der Mission vorbei. Für Brannt¬ wein verkauft der Eingeborne, besonders der leichtsinnige Hottentott, allmählich sein ganzes Besitztum, Land, Vieh, Weib und Kind. Der trunksüchtige süd¬ afrikanische Eingeborne zeigt alle schlechten Eigenschaften, alle Laster in der widerwärtigsten Form, und eine Branntweinschenke in der Nähe einer Missions¬ station genügt, die Eingebornen dem Einfluß des Missionars zu entziehen. Englische Regierungsbeamte haben in der Kapkolonie die Erteilung von Vrannt- Theophilus Hahn, Globus, 14. Band, 9. Lieferung. »") Ebenda.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/260>, abgerufen am 28.07.2024.