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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Vorgeschichte der Kolonisation in Südwestafrika

er ein Wörterbuch ausarbeitete, wie überhaupt durch die Kenntnis der Sitten
und Gewohnheiten, die er durch seine Frau gewann. Er kam 1830 auf einem
Hotteutottenjagdzuge bis Schmelensverwachting, dem jetzigen Okcchandja. Seine
eingehenden und zuverlässigen Berichte lenkten die Aufmerksamkeit der Rheinischen
Missionsgesellschaft in Barmer, die damals im Westen der Kapkolonie thätig
war, auf dies noch unbearbeitete, heidnische Gebiet. Sie sandte 1841 vier
Misstonare nach Groß-Namciqua- und Damaraland.^) Die rheinischen Missionare
verbanden sich eng mit den Schicksalen der einzelnen Stämme, teilten mit ihnen
Glück und Ungemach, Frieden und Krieg, immer bemüht, christliche An¬
schauungen und Sitten zur Geltung zu bringen. Einigemale vertrieben, gelang
es ihnen immer wieder, festen Fuß zu fassen und besonders unter den Hotten¬
totten Einfluß zu gewinnen. Wohl versuchte die durch Galtons Reise 1850
und 1851 aufmerksam gemachte Weslehanische Mission in Rama- und Damara-
land auch ihrerseits, die Missionsarbeit aufzunehmen und die rheinischen
Missionare bei Jonker Afrikaner in Windhoek zu verdrängen. Sie gab aber
die schwierige und wenig dankbare Arbeit bald wieder auf, sodaß seitdem die
zäheren rheinischen Missionare dort allein das Missivnswerk besorgen. Der
gute Einfluß der Mission, die durch Jonker Afrikaner (1821 bis 1826) für
Händler und andre Unternehmungen geschaffne größere Sicherheit zog immer
mehr Händler in das Land und rief 1355 auch eine englische Gesellschaft zur
Ausbeutung der Kupferlager ins Leben. Aber das Unternehmen beschränkte sich
auf die Anlegung einiger Minen im Khomasgebirge, deren bedeutendste die
Matchlesmiue ist, auf die Errichtung einiger Häuser und Werkstätten in Otjim-
bingue und auf die Ansiedlung einiger Handwerker. Obgleich die Kupfererze
sehr reich waren, scheiterte das Unternehmen an der Kostspieligkeit und Schwierig¬
keit des Erztransports nach der Walfischbai und an dem Auftreten der durch
Boeren eingeschleppten Lungenseuche unter dem Zugvieh. Die Hinterlassenschaft
der Gesellschaft war nicht günstig. Die wüste Lebensweise der Kupferminen¬
arbeiter in Otjimbingue hatte die Herero verdorben. Die Lungeusenche, die
früher in dein Schutzgebiet unbekannt gewesen war, suchte es seitdem immer
wieder heim. 1848 kaufte der Leiter der Kupferminengesellschaft, der durch
seine Reiseerlebnisse bekannte Schwede Andersson, den gesamten Nachlaß der
Gesellschaft. Anderson war ein unternehmender und kühner Mann, ein vor¬
züglicher Schütze und Jäger. Er war zuerst als Naturforscher in das Land
gekommen, dann nach einander Händler, Industrieller und Großkaufmann ge¬
worden. Durch den Auflauf der Liegenschaften der Kupferminengcsellschaft
wurde er mit einem Schlage der bedeutendste Mann in Südwestafrika; er
hatte auch die feste Absicht, sich zum Beherrscher aufzuschwingen. Zum Schutze



I)i-. Theophilus Hahn, Ein Nassenkmnpf in der nordwestlichen Kapkolonie, Globus 1808,
14- Band, 7. Lieferung,
Grenzboten III 1808 32
Vorgeschichte der Kolonisation in Südwestafrika

er ein Wörterbuch ausarbeitete, wie überhaupt durch die Kenntnis der Sitten
und Gewohnheiten, die er durch seine Frau gewann. Er kam 1830 auf einem
Hotteutottenjagdzuge bis Schmelensverwachting, dem jetzigen Okcchandja. Seine
eingehenden und zuverlässigen Berichte lenkten die Aufmerksamkeit der Rheinischen
Missionsgesellschaft in Barmer, die damals im Westen der Kapkolonie thätig
war, auf dies noch unbearbeitete, heidnische Gebiet. Sie sandte 1841 vier
Misstonare nach Groß-Namciqua- und Damaraland.^) Die rheinischen Missionare
verbanden sich eng mit den Schicksalen der einzelnen Stämme, teilten mit ihnen
Glück und Ungemach, Frieden und Krieg, immer bemüht, christliche An¬
schauungen und Sitten zur Geltung zu bringen. Einigemale vertrieben, gelang
es ihnen immer wieder, festen Fuß zu fassen und besonders unter den Hotten¬
totten Einfluß zu gewinnen. Wohl versuchte die durch Galtons Reise 1850
und 1851 aufmerksam gemachte Weslehanische Mission in Rama- und Damara-
land auch ihrerseits, die Missionsarbeit aufzunehmen und die rheinischen
Missionare bei Jonker Afrikaner in Windhoek zu verdrängen. Sie gab aber
die schwierige und wenig dankbare Arbeit bald wieder auf, sodaß seitdem die
zäheren rheinischen Missionare dort allein das Missivnswerk besorgen. Der
gute Einfluß der Mission, die durch Jonker Afrikaner (1821 bis 1826) für
Händler und andre Unternehmungen geschaffne größere Sicherheit zog immer
mehr Händler in das Land und rief 1355 auch eine englische Gesellschaft zur
Ausbeutung der Kupferlager ins Leben. Aber das Unternehmen beschränkte sich
auf die Anlegung einiger Minen im Khomasgebirge, deren bedeutendste die
Matchlesmiue ist, auf die Errichtung einiger Häuser und Werkstätten in Otjim-
bingue und auf die Ansiedlung einiger Handwerker. Obgleich die Kupfererze
sehr reich waren, scheiterte das Unternehmen an der Kostspieligkeit und Schwierig¬
keit des Erztransports nach der Walfischbai und an dem Auftreten der durch
Boeren eingeschleppten Lungenseuche unter dem Zugvieh. Die Hinterlassenschaft
der Gesellschaft war nicht günstig. Die wüste Lebensweise der Kupferminen¬
arbeiter in Otjimbingue hatte die Herero verdorben. Die Lungeusenche, die
früher in dein Schutzgebiet unbekannt gewesen war, suchte es seitdem immer
wieder heim. 1848 kaufte der Leiter der Kupferminengesellschaft, der durch
seine Reiseerlebnisse bekannte Schwede Andersson, den gesamten Nachlaß der
Gesellschaft. Anderson war ein unternehmender und kühner Mann, ein vor¬
züglicher Schütze und Jäger. Er war zuerst als Naturforscher in das Land
gekommen, dann nach einander Händler, Industrieller und Großkaufmann ge¬
worden. Durch den Auflauf der Liegenschaften der Kupferminengcsellschaft
wurde er mit einem Schlage der bedeutendste Mann in Südwestafrika; er
hatte auch die feste Absicht, sich zum Beherrscher aufzuschwingen. Zum Schutze



I)i-. Theophilus Hahn, Ein Nassenkmnpf in der nordwestlichen Kapkolonie, Globus 1808,
14- Band, 7. Lieferung,
Grenzboten III 1808 32
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[0257] Vorgeschichte der Kolonisation in Südwestafrika er ein Wörterbuch ausarbeitete, wie überhaupt durch die Kenntnis der Sitten und Gewohnheiten, die er durch seine Frau gewann. Er kam 1830 auf einem Hotteutottenjagdzuge bis Schmelensverwachting, dem jetzigen Okcchandja. Seine eingehenden und zuverlässigen Berichte lenkten die Aufmerksamkeit der Rheinischen Missionsgesellschaft in Barmer, die damals im Westen der Kapkolonie thätig war, auf dies noch unbearbeitete, heidnische Gebiet. Sie sandte 1841 vier Misstonare nach Groß-Namciqua- und Damaraland.^) Die rheinischen Missionare verbanden sich eng mit den Schicksalen der einzelnen Stämme, teilten mit ihnen Glück und Ungemach, Frieden und Krieg, immer bemüht, christliche An¬ schauungen und Sitten zur Geltung zu bringen. Einigemale vertrieben, gelang es ihnen immer wieder, festen Fuß zu fassen und besonders unter den Hotten¬ totten Einfluß zu gewinnen. Wohl versuchte die durch Galtons Reise 1850 und 1851 aufmerksam gemachte Weslehanische Mission in Rama- und Damara- land auch ihrerseits, die Missionsarbeit aufzunehmen und die rheinischen Missionare bei Jonker Afrikaner in Windhoek zu verdrängen. Sie gab aber die schwierige und wenig dankbare Arbeit bald wieder auf, sodaß seitdem die zäheren rheinischen Missionare dort allein das Missivnswerk besorgen. Der gute Einfluß der Mission, die durch Jonker Afrikaner (1821 bis 1826) für Händler und andre Unternehmungen geschaffne größere Sicherheit zog immer mehr Händler in das Land und rief 1355 auch eine englische Gesellschaft zur Ausbeutung der Kupferlager ins Leben. Aber das Unternehmen beschränkte sich auf die Anlegung einiger Minen im Khomasgebirge, deren bedeutendste die Matchlesmiue ist, auf die Errichtung einiger Häuser und Werkstätten in Otjim- bingue und auf die Ansiedlung einiger Handwerker. Obgleich die Kupfererze sehr reich waren, scheiterte das Unternehmen an der Kostspieligkeit und Schwierig¬ keit des Erztransports nach der Walfischbai und an dem Auftreten der durch Boeren eingeschleppten Lungenseuche unter dem Zugvieh. Die Hinterlassenschaft der Gesellschaft war nicht günstig. Die wüste Lebensweise der Kupferminen¬ arbeiter in Otjimbingue hatte die Herero verdorben. Die Lungeusenche, die früher in dein Schutzgebiet unbekannt gewesen war, suchte es seitdem immer wieder heim. 1848 kaufte der Leiter der Kupferminengesellschaft, der durch seine Reiseerlebnisse bekannte Schwede Andersson, den gesamten Nachlaß der Gesellschaft. Anderson war ein unternehmender und kühner Mann, ein vor¬ züglicher Schütze und Jäger. Er war zuerst als Naturforscher in das Land gekommen, dann nach einander Händler, Industrieller und Großkaufmann ge¬ worden. Durch den Auflauf der Liegenschaften der Kupferminengcsellschaft wurde er mit einem Schlage der bedeutendste Mann in Südwestafrika; er hatte auch die feste Absicht, sich zum Beherrscher aufzuschwingen. Zum Schutze I)i-. Theophilus Hahn, Ein Nassenkmnpf in der nordwestlichen Kapkolonie, Globus 1808, 14- Band, 7. Lieferung, Grenzboten III 1808 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/257>, abgerufen am 28.07.2024.