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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Kunstsammler in Berlin

an Entfaltung von Soldaten- und Bürgertugenden, an politischen Erfolgen
gebracht hat, ist, wie jetzt wohl niemand mehr bestreikn wird, auch von sehr
nachteiligem Einfluß auf die Sitten der spätern Geschlechter geworden, deren
Begehrlichkeitssinn und die daraus erwachsene Erwerbsgierigkeit es gesteigert
hat. Durch ihre materiellen Erfolge, die sich vornehmlich auch in einem starken
Zuzug von Spekulanten und gesättigten Kapitalisten aus den Provinzen nach
Berlin äußerten, wurde ihre äußere Lebensführung mit der Zeit so prunkhaft,
daß bei ihrem Schmuck die Kunst nicht fehlen durfte. Zunächst wurden ohne
Wahl und Qual allerhand Bilder und Statuen von berühmten Künstlern an¬
gekauft, die fast sämtlich von N. L. Leyte Unter den Linden bezogen wurden,
sodaß einmal ein berühmter Geldmann, der bei einer seiner Soireen nach dem
Urheber eines der vielen Bilder, die seine Gesellschaftszimmer schmückten, in
seiner Unwissenheit und Verlegenheit den seither sast sprichwörtlich gewordnen
Ausspruch that: "Von wem wird es sein? Natürlich von Leyte!!"

Dieser lächerliche Dilettantismus, der nur für Künstler und Kunstfreunde
ernsthafte Seiten hatte, ist zwar auch heute noch nicht ganz ausgestorben, aber
er macht sich nicht mehr in der Öffentlichkeit breit und hat auch längst seinen
Einfluß auf den Kunstmarkt verloren. Der Sammeleifer ist inzwischen in
andre Bahnen gelenkt worden, und nach und nach sind die Privatsammlungen
moderner Gemälde und Bildwerke hinter die Sammlungen alter Kunstwerke
zurückgetreten. Dieser Umschwung datirt aus der Mitte der siebziger Jahre,
nachdem durch die Reorganisation der königlichen Museen und durch die Be¬
rufung zweier tüchtiger Fachmänner auf dem Gebiete der Kunstforschung ein
fester Mittelpunkt für alle auf das Studium der mittelalterlichen und Renaissance¬
kunst gerichteten Bestrebungen geschaffen worden war. Als Julius Meyer
und Wilhelm Bode 1373 nach Berlin kamen, fanden sie eine Gemäldesamm¬
lung, die auswärts nur den Ruf hatte, für das Studium der Italiener des
fünfzehnten Jahrhunderts, die damals nicht in allzu hoher Schätzung standen,
sehr lehrreich zu sein und außerdem noch ein paar vereinzelte Meisterwerke,
wie den Genter Altar der Brüder van Eyck, ein paar Madonnen Raffaels und
die Leda von Correggio zu besitzen. Eine kleine Sammlung von Bildwerken
aus der Zeit der italienischen Renaissance war in einem so dunkeln Raum auf¬
gestellt, daß die guten Stücke darunter nicht hätten gewürdigt werden können,
auch wenn man damals schon das innige Verständnis für diese Kunsterzeugnisse
gehabt hätte wie heute. Auch die Bemühungen der beiden neuen Museums¬
beamten, das künstlerische Niveau der ihnen anvertrauten Sammlungen durch
neue Erwerbungen zu heben, fanden anfangs nur wenig oder gar kein Ver¬
ständnis. Ihr erster Versuch, durch Ankauf einiger hervorragender Bilder von
italienischen Meistern des fünfzehnten Jahrhunderts einige Lücken in der Bilder¬
reihe auszufüllen, in der die Stärke der Galerie lag, rief sogar vielfach eine
abfällige Beurteilung hervor, und erst der Ankauf der Suermondtschen Ge-


Kunstsammler in Berlin

an Entfaltung von Soldaten- und Bürgertugenden, an politischen Erfolgen
gebracht hat, ist, wie jetzt wohl niemand mehr bestreikn wird, auch von sehr
nachteiligem Einfluß auf die Sitten der spätern Geschlechter geworden, deren
Begehrlichkeitssinn und die daraus erwachsene Erwerbsgierigkeit es gesteigert
hat. Durch ihre materiellen Erfolge, die sich vornehmlich auch in einem starken
Zuzug von Spekulanten und gesättigten Kapitalisten aus den Provinzen nach
Berlin äußerten, wurde ihre äußere Lebensführung mit der Zeit so prunkhaft,
daß bei ihrem Schmuck die Kunst nicht fehlen durfte. Zunächst wurden ohne
Wahl und Qual allerhand Bilder und Statuen von berühmten Künstlern an¬
gekauft, die fast sämtlich von N. L. Leyte Unter den Linden bezogen wurden,
sodaß einmal ein berühmter Geldmann, der bei einer seiner Soireen nach dem
Urheber eines der vielen Bilder, die seine Gesellschaftszimmer schmückten, in
seiner Unwissenheit und Verlegenheit den seither sast sprichwörtlich gewordnen
Ausspruch that: „Von wem wird es sein? Natürlich von Leyte!!"

Dieser lächerliche Dilettantismus, der nur für Künstler und Kunstfreunde
ernsthafte Seiten hatte, ist zwar auch heute noch nicht ganz ausgestorben, aber
er macht sich nicht mehr in der Öffentlichkeit breit und hat auch längst seinen
Einfluß auf den Kunstmarkt verloren. Der Sammeleifer ist inzwischen in
andre Bahnen gelenkt worden, und nach und nach sind die Privatsammlungen
moderner Gemälde und Bildwerke hinter die Sammlungen alter Kunstwerke
zurückgetreten. Dieser Umschwung datirt aus der Mitte der siebziger Jahre,
nachdem durch die Reorganisation der königlichen Museen und durch die Be¬
rufung zweier tüchtiger Fachmänner auf dem Gebiete der Kunstforschung ein
fester Mittelpunkt für alle auf das Studium der mittelalterlichen und Renaissance¬
kunst gerichteten Bestrebungen geschaffen worden war. Als Julius Meyer
und Wilhelm Bode 1373 nach Berlin kamen, fanden sie eine Gemäldesamm¬
lung, die auswärts nur den Ruf hatte, für das Studium der Italiener des
fünfzehnten Jahrhunderts, die damals nicht in allzu hoher Schätzung standen,
sehr lehrreich zu sein und außerdem noch ein paar vereinzelte Meisterwerke,
wie den Genter Altar der Brüder van Eyck, ein paar Madonnen Raffaels und
die Leda von Correggio zu besitzen. Eine kleine Sammlung von Bildwerken
aus der Zeit der italienischen Renaissance war in einem so dunkeln Raum auf¬
gestellt, daß die guten Stücke darunter nicht hätten gewürdigt werden können,
auch wenn man damals schon das innige Verständnis für diese Kunsterzeugnisse
gehabt hätte wie heute. Auch die Bemühungen der beiden neuen Museums¬
beamten, das künstlerische Niveau der ihnen anvertrauten Sammlungen durch
neue Erwerbungen zu heben, fanden anfangs nur wenig oder gar kein Ver¬
ständnis. Ihr erster Versuch, durch Ankauf einiger hervorragender Bilder von
italienischen Meistern des fünfzehnten Jahrhunderts einige Lücken in der Bilder¬
reihe auszufüllen, in der die Stärke der Galerie lag, rief sogar vielfach eine
abfällige Beurteilung hervor, und erst der Ankauf der Suermondtschen Ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/187>, abgerufen am 01.09.2024.