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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Kunstsammler in Berlin

galerie gegeben hat, und den Großkciufmann Louis Ravene. Die von diesem
begründete Gemäldesammlung ist zur Zeit die einzige Privatgalerie in Berlin,
die dem Publikum zugänglich ist. Alles übrige -- und es war sehr viel --
ist allmählich auf dem Wege durch das Lepkesche Kunstauktionshaus in alle
vier Winde zerstreut worden. Erst in diesem Frühjahr ist es so mit einer
Bildersammlung aus dem Nachlasse des Rentiers Kuhtz geschehen, Wohl einer
der letzten, in der neben der französischen Schule des vorigen Jahrhunderts
in einigen trefflichen Werken vornehmlich die Berliner Maler aus den dreißiger,
vierziger, fünfziger und sechziger Jahren dieses Jahrhunderts vertreten waren.
Wir haben aber bei dieser Versteigerung die überraschende und erfreuliche Be¬
obachtung gemacht, daß gerade die anspruchslosen, aber fein empfundnen und
gemütvollen Bilder dieser Künstler verhältnismäßig hohe Preise erzielt haben.
Das hatte man nicht erwartet in einer Zeit, wo die reichen, den Ton an¬
gehenden Sammler meist nur nach seltenen oder teuern Niederländern des
siebzehnten Jahrhunderts, nach anonymen italienischen, deutschen und nieder¬
ländischen Bildern des fünfzehnten Jahrhunderts, nach Medaillen, Plaketten,
Kleinbronzen, Majoliken der italienischen Renaissance, nach kostbarem Porzellan
des achtzehnten Jahrhunderts, nach Deister Faiencen und ähnlichen Kunst-
erzeugnisfen fahnden, deren Reiz weniger in der künstlerischen Schönheit als
in der Seltenheit und in den darum auf dem Kunstmarkt siegreich ausge-
fochtenen Kämpfen liegt.

Dieses wiedererwachte Interesse an den Werken der Künstler von Alt-
Berlin, das uns die Versteigerung der Kuhtzschen Sammlung offenbart hat, oder,
wie die hastigen Deutsch verderber sagen, die "Auktion Kuhtz," obwohl der alte
Kuhtz nicht mit versteigert worden ist, scheint dafür zu sprechen, daß, wie in
der modernen Kunstbewegung, auch auf dem Kunstmarkt eine Unterströmung
vorhanden ist, die der obern Strömung stracks zuwiderläuft. Die Zeit wird
lehren, wie lange sie sich behaupten, welche der beiden Strömungen am Ende
den Sieg erringen wird. Wer es mit dem Kunstgenuß und dem Kunststudium,
die doch Teile desselben Baumes sind, ernst meint, wird freilich wünschen,
daß sich beide Strömungen in demselben Bette zusammenfinden möchten. Einst¬
weilen scheint es uns, als ob sich in diesen entgegengesetzten Kunstsammler¬
bestrebungen auch die Gegensätze von Alt- und Neu-Berlin oder, wie jetzt am
liebsten gesagt wird, Groß-Berlin wiederspiegelten. Es muß hinzugefügt
werden, daß die Berlin besuchenden Ausländer ihre helle Freude an diesem
"Groß-Berlin" haben, daß die Eingebornen und die seit zwei oder drei Jahr¬
zehnten Eingelebten diese Freude aber nur mit gemischten Gefühlen teilen. Die
Lust von "Groß-Berlin" erfüllt auch vollständig die Renaisfanceausstellung,
die den Anlaß zu dieser Betrachtung gegeben hat, der ebenfalls gemischte
Gefühle zu Grunde liegen.

Das große Jahr 1870 auf 1871, das uns soviel an ethischer Erhebung,


Kunstsammler in Berlin

galerie gegeben hat, und den Großkciufmann Louis Ravene. Die von diesem
begründete Gemäldesammlung ist zur Zeit die einzige Privatgalerie in Berlin,
die dem Publikum zugänglich ist. Alles übrige — und es war sehr viel —
ist allmählich auf dem Wege durch das Lepkesche Kunstauktionshaus in alle
vier Winde zerstreut worden. Erst in diesem Frühjahr ist es so mit einer
Bildersammlung aus dem Nachlasse des Rentiers Kuhtz geschehen, Wohl einer
der letzten, in der neben der französischen Schule des vorigen Jahrhunderts
in einigen trefflichen Werken vornehmlich die Berliner Maler aus den dreißiger,
vierziger, fünfziger und sechziger Jahren dieses Jahrhunderts vertreten waren.
Wir haben aber bei dieser Versteigerung die überraschende und erfreuliche Be¬
obachtung gemacht, daß gerade die anspruchslosen, aber fein empfundnen und
gemütvollen Bilder dieser Künstler verhältnismäßig hohe Preise erzielt haben.
Das hatte man nicht erwartet in einer Zeit, wo die reichen, den Ton an¬
gehenden Sammler meist nur nach seltenen oder teuern Niederländern des
siebzehnten Jahrhunderts, nach anonymen italienischen, deutschen und nieder¬
ländischen Bildern des fünfzehnten Jahrhunderts, nach Medaillen, Plaketten,
Kleinbronzen, Majoliken der italienischen Renaissance, nach kostbarem Porzellan
des achtzehnten Jahrhunderts, nach Deister Faiencen und ähnlichen Kunst-
erzeugnisfen fahnden, deren Reiz weniger in der künstlerischen Schönheit als
in der Seltenheit und in den darum auf dem Kunstmarkt siegreich ausge-
fochtenen Kämpfen liegt.

Dieses wiedererwachte Interesse an den Werken der Künstler von Alt-
Berlin, das uns die Versteigerung der Kuhtzschen Sammlung offenbart hat, oder,
wie die hastigen Deutsch verderber sagen, die „Auktion Kuhtz," obwohl der alte
Kuhtz nicht mit versteigert worden ist, scheint dafür zu sprechen, daß, wie in
der modernen Kunstbewegung, auch auf dem Kunstmarkt eine Unterströmung
vorhanden ist, die der obern Strömung stracks zuwiderläuft. Die Zeit wird
lehren, wie lange sie sich behaupten, welche der beiden Strömungen am Ende
den Sieg erringen wird. Wer es mit dem Kunstgenuß und dem Kunststudium,
die doch Teile desselben Baumes sind, ernst meint, wird freilich wünschen,
daß sich beide Strömungen in demselben Bette zusammenfinden möchten. Einst¬
weilen scheint es uns, als ob sich in diesen entgegengesetzten Kunstsammler¬
bestrebungen auch die Gegensätze von Alt- und Neu-Berlin oder, wie jetzt am
liebsten gesagt wird, Groß-Berlin wiederspiegelten. Es muß hinzugefügt
werden, daß die Berlin besuchenden Ausländer ihre helle Freude an diesem
„Groß-Berlin" haben, daß die Eingebornen und die seit zwei oder drei Jahr¬
zehnten Eingelebten diese Freude aber nur mit gemischten Gefühlen teilen. Die
Lust von „Groß-Berlin" erfüllt auch vollständig die Renaisfanceausstellung,
die den Anlaß zu dieser Betrachtung gegeben hat, der ebenfalls gemischte
Gefühle zu Grunde liegen.

Das große Jahr 1870 auf 1871, das uns soviel an ethischer Erhebung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/186>, abgerufen am 01.09.2024.