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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Aus längst vergangnen Tagen

richtete sich dann das Maß und die Form ihrer Hilfe. Knaben oder Mädchen,
die sie wiederholt mit Aufmerksamkeit aus der Straße grüßten, pflegte sie anzureden
und demnächst, wo sie es angebracht fand, mit einem Silbergroschen zu belohnen,
der oftmals natürlich mit den Gerechten auch die Ungerechten traf (ein kleiner
Spötter erteilte ihr dafür den Spitznamen "Jan Silbergroschen"), oft aber ergaben
sich aus solchen Anknüpfungen dauernde und wirksame Schutzverhnltnisse. Auch uns
Kindern gab sie mit Freundlichkeit kleines und größeres, je uach den Gelegenheiten,
das ganze Jahr hindurch vom ersten Tage an, wo wir mit einem in der Schule
verfertigten, abgeschriebnen Neujahrswunsch antraten (meine Eltern verzichteten auf
diese Huldigungj, und in allen besondern Fällen, wenn alle andern Quellen ver¬
siegten, war da noch etwas zu erreichen, wenn man es fein geschickt darnach anfing.

Ans diese Weise bildete sich zwischen uns und unsrer Großmutter ein Verhältnis
aus, dessen Grundlage unsre Gesittung, dessen Krönung ihre Belohnung war. Unsre
Eltern hatten ganz recht, wenn sie dieser Sittlichkeit keinen selbständigen Wert bei¬
maßen und es oft mißbilligten, daß wir die gute Alte mit der unerschöpflichen Spe¬
kulation unsrer av ut, ges-Politik ganz umgarnt hatten. Es war äußerst selten,
daß sie die Nachtigall laufen hörte, und einem von uns ein Schlich mißlang. Denn
sie dachte, wie ich schon bemerkt habe, von allen Menschen so gut wie möglich, sie
wollte keine Menschenkennerin sein, in dieser Resignation lag etwas nobles, aber
natürlich, nicht jeder kann sich diese Noblesse leisten. Bei ihr führte der Mangel
an Menschenkenntnis oft zu komischen Ergebnissen. Sie hatte z. B. einmal mit
Bedauern gehört, daß el" Nachbarsmann, der ihr übrigens recht ordentlich schien,
tränke, und als sie nun ihre Waschfrau, die schon lange bei ihr in Arbeit stand,
Zu einem Besscrungswerk (sie sollte auf die Frau des zu Besserudeu einzuwirken
suchen) gewinnen wollte, konnte sie nicht begreifen, wie lau diese die ihr bei dem
Geschäft zugedachte Rolle aufnahm. Der Schlüssel lag aber für jeden andern darin,
daß der Mann der Waschfrnn ein beinahe ortsbekannter Säufer war, uur meiner
Großmutter war das verborge" geblieben.

Wie meine Großmutter mit einzelnen Ausnahmen ihren männlichen Enkel-
Andern näher stand als den weiblichen, so war ihr eignes höchstes Borbild ihr Vater.
Es war rührend und geradezu traurig, wie, als sie zuletzt ganz alt geworden war,
sie fast nnr noch vou ihrem Vater sprach, dessen Ansichten und Aussprüche nnnuf-
hörlich wiederholte und seiner in solchen Wendungen gedachte, als wäre er gestern
von ihr gegangen. Früher aber wußte sie ihn so zu schildern und sein Beispiel
in ihrem Handeln lebendig zu machen, daß wir alle den alten Herrn zu kennen
meinten, dessen Aussprüche der lose Kindermund gelegentlich parodirte. Er war
fast geuau ein Altersgenosse von Goethe; wir besitzen noch zwei Bildnisse von ihm,
in Pastell, auf dem einen aus seinen ersten Ehejahren ist er im hellgrauen Rock
dargestellt, mit breitem Spitzenjabot und kurzem Haarbeutel zum gepuderten Haar,
aus dem andern als ganz alter Mann (1635) kurz vor seinem Tode. Dieses zweite
hängt neben meinem Schreibtisch, ein ungemein würdevoller, schneeweißer Kopf
mit einer ungeheuern Nase und zwei großen, durchdringenden Augen, der Mund
ist fest geschlossen. Klug, sehr klug, aber anch gut, das ist die Signatur. Seiner
Tochter, meiner Großmutter, hatte die Klugheit ihres Vaters besonders imponirt,
sie hatte ein wenig die Güte vergessen, auf die meine Mutter immer ergänzend
und berichtigend hinzuweisen hatte. Vielleicht war er auch in seinem Alter noch
weicher geworden, was ja keineswegs bei allen Menschen der Fall ist. Er ver¬
brachte sein Leben in der Laufbahn eines höhern Beamten, immer in der Stadt
Hannover, trat auch niemals vom Dienst zurück, was in frühern Zeiten auch bei
hohem Alter nicht nötig war, und muß ein ungemein arbeitsamer Mann gewesen


Aus längst vergangnen Tagen

richtete sich dann das Maß und die Form ihrer Hilfe. Knaben oder Mädchen,
die sie wiederholt mit Aufmerksamkeit aus der Straße grüßten, pflegte sie anzureden
und demnächst, wo sie es angebracht fand, mit einem Silbergroschen zu belohnen,
der oftmals natürlich mit den Gerechten auch die Ungerechten traf (ein kleiner
Spötter erteilte ihr dafür den Spitznamen „Jan Silbergroschen"), oft aber ergaben
sich aus solchen Anknüpfungen dauernde und wirksame Schutzverhnltnisse. Auch uns
Kindern gab sie mit Freundlichkeit kleines und größeres, je uach den Gelegenheiten,
das ganze Jahr hindurch vom ersten Tage an, wo wir mit einem in der Schule
verfertigten, abgeschriebnen Neujahrswunsch antraten (meine Eltern verzichteten auf
diese Huldigungj, und in allen besondern Fällen, wenn alle andern Quellen ver¬
siegten, war da noch etwas zu erreichen, wenn man es fein geschickt darnach anfing.

Ans diese Weise bildete sich zwischen uns und unsrer Großmutter ein Verhältnis
aus, dessen Grundlage unsre Gesittung, dessen Krönung ihre Belohnung war. Unsre
Eltern hatten ganz recht, wenn sie dieser Sittlichkeit keinen selbständigen Wert bei¬
maßen und es oft mißbilligten, daß wir die gute Alte mit der unerschöpflichen Spe¬
kulation unsrer av ut, ges-Politik ganz umgarnt hatten. Es war äußerst selten,
daß sie die Nachtigall laufen hörte, und einem von uns ein Schlich mißlang. Denn
sie dachte, wie ich schon bemerkt habe, von allen Menschen so gut wie möglich, sie
wollte keine Menschenkennerin sein, in dieser Resignation lag etwas nobles, aber
natürlich, nicht jeder kann sich diese Noblesse leisten. Bei ihr führte der Mangel
an Menschenkenntnis oft zu komischen Ergebnissen. Sie hatte z. B. einmal mit
Bedauern gehört, daß el« Nachbarsmann, der ihr übrigens recht ordentlich schien,
tränke, und als sie nun ihre Waschfrau, die schon lange bei ihr in Arbeit stand,
Zu einem Besscrungswerk (sie sollte auf die Frau des zu Besserudeu einzuwirken
suchen) gewinnen wollte, konnte sie nicht begreifen, wie lau diese die ihr bei dem
Geschäft zugedachte Rolle aufnahm. Der Schlüssel lag aber für jeden andern darin,
daß der Mann der Waschfrnn ein beinahe ortsbekannter Säufer war, uur meiner
Großmutter war das verborge» geblieben.

Wie meine Großmutter mit einzelnen Ausnahmen ihren männlichen Enkel-
Andern näher stand als den weiblichen, so war ihr eignes höchstes Borbild ihr Vater.
Es war rührend und geradezu traurig, wie, als sie zuletzt ganz alt geworden war,
sie fast nnr noch vou ihrem Vater sprach, dessen Ansichten und Aussprüche nnnuf-
hörlich wiederholte und seiner in solchen Wendungen gedachte, als wäre er gestern
von ihr gegangen. Früher aber wußte sie ihn so zu schildern und sein Beispiel
in ihrem Handeln lebendig zu machen, daß wir alle den alten Herrn zu kennen
meinten, dessen Aussprüche der lose Kindermund gelegentlich parodirte. Er war
fast geuau ein Altersgenosse von Goethe; wir besitzen noch zwei Bildnisse von ihm,
in Pastell, auf dem einen aus seinen ersten Ehejahren ist er im hellgrauen Rock
dargestellt, mit breitem Spitzenjabot und kurzem Haarbeutel zum gepuderten Haar,
aus dem andern als ganz alter Mann (1635) kurz vor seinem Tode. Dieses zweite
hängt neben meinem Schreibtisch, ein ungemein würdevoller, schneeweißer Kopf
mit einer ungeheuern Nase und zwei großen, durchdringenden Augen, der Mund
ist fest geschlossen. Klug, sehr klug, aber anch gut, das ist die Signatur. Seiner
Tochter, meiner Großmutter, hatte die Klugheit ihres Vaters besonders imponirt,
sie hatte ein wenig die Güte vergessen, auf die meine Mutter immer ergänzend
und berichtigend hinzuweisen hatte. Vielleicht war er auch in seinem Alter noch
weicher geworden, was ja keineswegs bei allen Menschen der Fall ist. Er ver¬
brachte sein Leben in der Laufbahn eines höhern Beamten, immer in der Stadt
Hannover, trat auch niemals vom Dienst zurück, was in frühern Zeiten auch bei
hohem Alter nicht nötig war, und muß ein ungemein arbeitsamer Mann gewesen


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[0149] Aus längst vergangnen Tagen richtete sich dann das Maß und die Form ihrer Hilfe. Knaben oder Mädchen, die sie wiederholt mit Aufmerksamkeit aus der Straße grüßten, pflegte sie anzureden und demnächst, wo sie es angebracht fand, mit einem Silbergroschen zu belohnen, der oftmals natürlich mit den Gerechten auch die Ungerechten traf (ein kleiner Spötter erteilte ihr dafür den Spitznamen „Jan Silbergroschen"), oft aber ergaben sich aus solchen Anknüpfungen dauernde und wirksame Schutzverhnltnisse. Auch uns Kindern gab sie mit Freundlichkeit kleines und größeres, je uach den Gelegenheiten, das ganze Jahr hindurch vom ersten Tage an, wo wir mit einem in der Schule verfertigten, abgeschriebnen Neujahrswunsch antraten (meine Eltern verzichteten auf diese Huldigungj, und in allen besondern Fällen, wenn alle andern Quellen ver¬ siegten, war da noch etwas zu erreichen, wenn man es fein geschickt darnach anfing. Ans diese Weise bildete sich zwischen uns und unsrer Großmutter ein Verhältnis aus, dessen Grundlage unsre Gesittung, dessen Krönung ihre Belohnung war. Unsre Eltern hatten ganz recht, wenn sie dieser Sittlichkeit keinen selbständigen Wert bei¬ maßen und es oft mißbilligten, daß wir die gute Alte mit der unerschöpflichen Spe¬ kulation unsrer av ut, ges-Politik ganz umgarnt hatten. Es war äußerst selten, daß sie die Nachtigall laufen hörte, und einem von uns ein Schlich mißlang. Denn sie dachte, wie ich schon bemerkt habe, von allen Menschen so gut wie möglich, sie wollte keine Menschenkennerin sein, in dieser Resignation lag etwas nobles, aber natürlich, nicht jeder kann sich diese Noblesse leisten. Bei ihr führte der Mangel an Menschenkenntnis oft zu komischen Ergebnissen. Sie hatte z. B. einmal mit Bedauern gehört, daß el« Nachbarsmann, der ihr übrigens recht ordentlich schien, tränke, und als sie nun ihre Waschfrau, die schon lange bei ihr in Arbeit stand, Zu einem Besscrungswerk (sie sollte auf die Frau des zu Besserudeu einzuwirken suchen) gewinnen wollte, konnte sie nicht begreifen, wie lau diese die ihr bei dem Geschäft zugedachte Rolle aufnahm. Der Schlüssel lag aber für jeden andern darin, daß der Mann der Waschfrnn ein beinahe ortsbekannter Säufer war, uur meiner Großmutter war das verborge» geblieben. Wie meine Großmutter mit einzelnen Ausnahmen ihren männlichen Enkel- Andern näher stand als den weiblichen, so war ihr eignes höchstes Borbild ihr Vater. Es war rührend und geradezu traurig, wie, als sie zuletzt ganz alt geworden war, sie fast nnr noch vou ihrem Vater sprach, dessen Ansichten und Aussprüche nnnuf- hörlich wiederholte und seiner in solchen Wendungen gedachte, als wäre er gestern von ihr gegangen. Früher aber wußte sie ihn so zu schildern und sein Beispiel in ihrem Handeln lebendig zu machen, daß wir alle den alten Herrn zu kennen meinten, dessen Aussprüche der lose Kindermund gelegentlich parodirte. Er war fast geuau ein Altersgenosse von Goethe; wir besitzen noch zwei Bildnisse von ihm, in Pastell, auf dem einen aus seinen ersten Ehejahren ist er im hellgrauen Rock dargestellt, mit breitem Spitzenjabot und kurzem Haarbeutel zum gepuderten Haar, aus dem andern als ganz alter Mann (1635) kurz vor seinem Tode. Dieses zweite hängt neben meinem Schreibtisch, ein ungemein würdevoller, schneeweißer Kopf mit einer ungeheuern Nase und zwei großen, durchdringenden Augen, der Mund ist fest geschlossen. Klug, sehr klug, aber anch gut, das ist die Signatur. Seiner Tochter, meiner Großmutter, hatte die Klugheit ihres Vaters besonders imponirt, sie hatte ein wenig die Güte vergessen, auf die meine Mutter immer ergänzend und berichtigend hinzuweisen hatte. Vielleicht war er auch in seinem Alter noch weicher geworden, was ja keineswegs bei allen Menschen der Fall ist. Er ver¬ brachte sein Leben in der Laufbahn eines höhern Beamten, immer in der Stadt Hannover, trat auch niemals vom Dienst zurück, was in frühern Zeiten auch bei hohem Alter nicht nötig war, und muß ein ungemein arbeitsamer Mann gewesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/149>, abgerufen am 28.07.2024.