Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.Die Stenographie im Dienste der Shakespearekunde ungeschickt gewählt; und dann wieder giebt die veränderte Bedeutungsnücmee Andrerseits konnte die Ähnlichkeit mancher Wortzeichen, zumal bei flüch¬ Eine andre große Schwierigkeit für die Herausgeber bot die verschiedne Auslassungen und Flüchtigkeiten aller Art sind leicht erklärlich, und be¬ Daß es bei flüchtiger Nachschrift dem Stenographen nicht immer und Die Stenographie im Dienste der Shakespearekunde ungeschickt gewählt; und dann wieder giebt die veränderte Bedeutungsnücmee Andrerseits konnte die Ähnlichkeit mancher Wortzeichen, zumal bei flüch¬ Eine andre große Schwierigkeit für die Herausgeber bot die verschiedne Auslassungen und Flüchtigkeiten aller Art sind leicht erklärlich, und be¬ Daß es bei flüchtiger Nachschrift dem Stenographen nicht immer und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228428"/> <fw type="header" place="top"> Die Stenographie im Dienste der Shakespearekunde</fw><lb/> <p xml:id="ID_382" prev="#ID_381"> ungeschickt gewählt; und dann wieder giebt die veränderte Bedeutungsnücmee<lb/> dem ganzen Satz einen andern Sinn, der Ausdruck der Quarto scheint mit<lb/> einer feinen Absichtlichkeit gewählt zu sein. In allen diesen Fällen liegt der<lb/> Grund der Abweichung in der Thatsache, daß die Brightsche Stenographie<lb/> für die verschiednen sinnverwandten Wörter nur ein Zeichen hatte; der Ab¬<lb/> schreiber des Stenogramms hat also an Hunderten von Stellen unter so und<lb/> so vielen Synonymen zu wählen, und mitunter wählte er schlecht, mitunter<lb/> so gut, daß man eine vom Dichter gewollte Verbesserung des für die Folio<lb/> verwandten Textes zu sehen glaubte. In allen diesen Fällen ist aber doch<lb/> der Foliotext vorzuziehen, wo man mit ziemlicher Sicherheit das von Shake¬<lb/> speare gesetzte Wort findet. So wird „Prinz" und „König" verwechselt, weil<lb/> Bright für beide Worte nur ein Zeichen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_383"> Andrerseits konnte die Ähnlichkeit mancher Wortzeichen, zumal bei flüch¬<lb/> tiger Schrift, leicht ein falsches Wort in den Text bringen. Wenn z. B. die<lb/> Folio die unanfechtbare Stelle hat: eaou vorcl manis trug (jedes Wort j wurde j<lb/> wahr gemacht) und die Quarto ein sinnloses xart (Teil) dafür bietet, so ist<lb/> dieser Fehler veranlaßt durch eine gewisse Ähnlichkeit der betreffenden Wort¬<lb/> bilder, die durch flüchtige Schrift noch mehr einander angenähert wurden:<lb/> part — ^/ , Mord ^ Ebenso oder noch leichter erklärt sich die Verwechslung<lb/> von c/ (cirivös) und ^/ (all^s).</p><lb/> <p xml:id="ID_384"> Eine andre große Schwierigkeit für die Herausgeber bot die verschiedne<lb/> Darstellung der grammatischen Verhältnisse in Folio und Quartos; da aber<lb/> Modus, Zeit, numerus und andre Formalien nur durch Punkte angedeutet<lb/> wurden, so lag eine Auslassung oder eine falsche Bezeichnung auf diesem Ge¬<lb/> biete sehr nahe. Wie leicht konnte ein Punkt hinter einem Wortzeichen aus¬<lb/> gelassen und dadurch aus einem Plural ein Singular gemacht werde« und um¬<lb/> gekehrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_385"> Auslassungen und Flüchtigkeiten aller Art sind leicht erklärlich, und be¬<lb/> sonders Auslassungen am Schluß und am Anfange von Reden dadurch, daß<lb/> der Stenograph, sobald er eine andre Stimme auf der Bühne hörte, aufblicken<lb/> mußte und sehen, wer der neue Redende war.</p><lb/> <p xml:id="ID_386" next="#ID_387"> Daß es bei flüchtiger Nachschrift dem Stenographen nicht immer und<lb/> nicht sofort klar war, welche Rede in Prosa, welche in Versen gehalten wurde,<lb/> ist selbstverständlich. Es ist also oft eine vergebliche Mühe der Herausgeber<lb/> gewesen, wenn sie aus Reden, die in Versen abgesetzt waren, Verse haben<lb/> herauslesen wollen, da sie thatsächlich prosaisch waren. Ebenso oft sind offen¬<lb/> kundige Verse in den Quartos als Prosa gedruckt; und der Wechsel zwischen<lb/> Vers und Prosa in einer einzelnen Rede erklärt sich ganz natürlich daraus,<lb/> daß der Stenograph sich am Anfange vergriff und erst im Verlaufe der Rede<lb/> erkannte, daß sie in Prosa oder in Versen gehalten war. Die Verse der Quartos<lb/> sind natürlich auch oft falsch abgeteilt; eine fortgesetzte richtige Absetzung würde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
Die Stenographie im Dienste der Shakespearekunde
ungeschickt gewählt; und dann wieder giebt die veränderte Bedeutungsnücmee
dem ganzen Satz einen andern Sinn, der Ausdruck der Quarto scheint mit
einer feinen Absichtlichkeit gewählt zu sein. In allen diesen Fällen liegt der
Grund der Abweichung in der Thatsache, daß die Brightsche Stenographie
für die verschiednen sinnverwandten Wörter nur ein Zeichen hatte; der Ab¬
schreiber des Stenogramms hat also an Hunderten von Stellen unter so und
so vielen Synonymen zu wählen, und mitunter wählte er schlecht, mitunter
so gut, daß man eine vom Dichter gewollte Verbesserung des für die Folio
verwandten Textes zu sehen glaubte. In allen diesen Fällen ist aber doch
der Foliotext vorzuziehen, wo man mit ziemlicher Sicherheit das von Shake¬
speare gesetzte Wort findet. So wird „Prinz" und „König" verwechselt, weil
Bright für beide Worte nur ein Zeichen hatte.
Andrerseits konnte die Ähnlichkeit mancher Wortzeichen, zumal bei flüch¬
tiger Schrift, leicht ein falsches Wort in den Text bringen. Wenn z. B. die
Folio die unanfechtbare Stelle hat: eaou vorcl manis trug (jedes Wort j wurde j
wahr gemacht) und die Quarto ein sinnloses xart (Teil) dafür bietet, so ist
dieser Fehler veranlaßt durch eine gewisse Ähnlichkeit der betreffenden Wort¬
bilder, die durch flüchtige Schrift noch mehr einander angenähert wurden:
part — ^/ , Mord ^ Ebenso oder noch leichter erklärt sich die Verwechslung
von c/ (cirivös) und ^/ (all^s).
Eine andre große Schwierigkeit für die Herausgeber bot die verschiedne
Darstellung der grammatischen Verhältnisse in Folio und Quartos; da aber
Modus, Zeit, numerus und andre Formalien nur durch Punkte angedeutet
wurden, so lag eine Auslassung oder eine falsche Bezeichnung auf diesem Ge¬
biete sehr nahe. Wie leicht konnte ein Punkt hinter einem Wortzeichen aus¬
gelassen und dadurch aus einem Plural ein Singular gemacht werde« und um¬
gekehrt.
Auslassungen und Flüchtigkeiten aller Art sind leicht erklärlich, und be¬
sonders Auslassungen am Schluß und am Anfange von Reden dadurch, daß
der Stenograph, sobald er eine andre Stimme auf der Bühne hörte, aufblicken
mußte und sehen, wer der neue Redende war.
Daß es bei flüchtiger Nachschrift dem Stenographen nicht immer und
nicht sofort klar war, welche Rede in Prosa, welche in Versen gehalten wurde,
ist selbstverständlich. Es ist also oft eine vergebliche Mühe der Herausgeber
gewesen, wenn sie aus Reden, die in Versen abgesetzt waren, Verse haben
herauslesen wollen, da sie thatsächlich prosaisch waren. Ebenso oft sind offen¬
kundige Verse in den Quartos als Prosa gedruckt; und der Wechsel zwischen
Vers und Prosa in einer einzelnen Rede erklärt sich ganz natürlich daraus,
daß der Stenograph sich am Anfange vergriff und erst im Verlaufe der Rede
erkannte, daß sie in Prosa oder in Versen gehalten war. Die Verse der Quartos
sind natürlich auch oft falsch abgeteilt; eine fortgesetzte richtige Absetzung würde
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