Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus unsrer Ostmark

werden, und wird infolge davon die Ostmark für die Dauer dein Staate er¬
halten bleiben? Wird die ehedem so schwerfällige Beamtenschaft in den ihrem
Wirken heute eng gezognen Grenzen diese Maßnahmen auszuführen verstehen?

Wer sich die auf die wirtschaftliche und geistige Hebung der Ostmark ge¬
richteten Pläne und Anordnungen der Staatsbehörden seit etwa einem Jahre
vergegenwärtigt, wer bedenkt, daß auch eine private Kampforganisation mit
Erfolg wirkt, wird auch diese Frage mit mir zu bejahen den Mut haben. Nachdem
der Weg gefunden und kühnen Schritts betreten worden ist, läßt sich erwarten,
daß unsre Bureaukratie sich als geeignet für die Durchführung der Aufgabe
in der Hand weitblickender Staatsmänner erweisen wird. Nach meiner un¬
maßgeblichen Meinung wäre es für diesen Zweck indes förderlich, wenn der
nicht ganz mangelnde Stamm der im Osten gebornen, mit Land und Leuten
vertrauten, des Polnischen, was heute, nach fünfundzwanzig Jahren deutscher
Volksschule, nur noch in beschränktem Maße nötig ist, nicht ganz unkundigen
seßhaften Beamten deutscher Abstammung und Gesinnung allmählich verstärkt
würde. Es ist vom Übel, daß die Beamten, namentlich die der Verwaltung,
so häufig unvorbereitet für ihre Aufgabe von auswärts in die Ostmarken ge¬
schickt werden und sie, ehe sie noch ihren Lehrkursus beendigt haben, wieder zu
verlassen streben.

All dergleichen Fragen und Gedanken kannte man 1848 noch nicht. Der
Kampf, den unser Autor, um zum Schluß zu ihm zurückzukehren, in seinem
Buche schildert, war eben andrer Art. Trotzdem unterlasse man nicht, es zu
studiren und aus ihm mutMs inrckgnäis zu lernen. Er legt dar, wie die
Verschwörung von 1844 bis 1847 entstehen konnte, und wie sie verlaufen ist;
er giebt ein anschauliches Bild der Revolution von 1348, der Ereignisse und
der maßgebenden Persönlichkeiten in Berlin, in der Provinz Posen und in
seinem eignen Machtbereiche; er zeigt, wie die Verwirrung durch Willisen ihren
Höhepunkt erreichte, und wie Pfuel die Entwirrung, mit fester Hand eingreifend,
herbeiführte, wie die erregten Geister allmählich wieder zur Vernunft kamen,
die Deutschen der Gefahr entgingen, den Polen auf dem Wege der "nationalen
Reorganisation des Großherzogtums Posen" preisgegeben zu werden, und wie
der Gedanke der Zerreißung der Provinz Posen durch eine Demarkationslinie
schließlich definitiv fallen gelassen wurde. Mit Friedrichs des Großen Worten
giebt er gelegentlich den durch seine eigne Erfahrung bewährten Grundsatz an,
wonach die Polen am besten zu behandeln sind: "Mau darf den Polen keine
Komplimente machen, das verdirbt sie nur." Man behandle sie streng, aber
gerecht und fördre das Deutschtum als das verläßliche Element. Davids
<z^ <L, moniti!




' Grenzboten III 1893l >
Aus unsrer Ostmark

werden, und wird infolge davon die Ostmark für die Dauer dein Staate er¬
halten bleiben? Wird die ehedem so schwerfällige Beamtenschaft in den ihrem
Wirken heute eng gezognen Grenzen diese Maßnahmen auszuführen verstehen?

Wer sich die auf die wirtschaftliche und geistige Hebung der Ostmark ge¬
richteten Pläne und Anordnungen der Staatsbehörden seit etwa einem Jahre
vergegenwärtigt, wer bedenkt, daß auch eine private Kampforganisation mit
Erfolg wirkt, wird auch diese Frage mit mir zu bejahen den Mut haben. Nachdem
der Weg gefunden und kühnen Schritts betreten worden ist, läßt sich erwarten,
daß unsre Bureaukratie sich als geeignet für die Durchführung der Aufgabe
in der Hand weitblickender Staatsmänner erweisen wird. Nach meiner un¬
maßgeblichen Meinung wäre es für diesen Zweck indes förderlich, wenn der
nicht ganz mangelnde Stamm der im Osten gebornen, mit Land und Leuten
vertrauten, des Polnischen, was heute, nach fünfundzwanzig Jahren deutscher
Volksschule, nur noch in beschränktem Maße nötig ist, nicht ganz unkundigen
seßhaften Beamten deutscher Abstammung und Gesinnung allmählich verstärkt
würde. Es ist vom Übel, daß die Beamten, namentlich die der Verwaltung,
so häufig unvorbereitet für ihre Aufgabe von auswärts in die Ostmarken ge¬
schickt werden und sie, ehe sie noch ihren Lehrkursus beendigt haben, wieder zu
verlassen streben.

All dergleichen Fragen und Gedanken kannte man 1848 noch nicht. Der
Kampf, den unser Autor, um zum Schluß zu ihm zurückzukehren, in seinem
Buche schildert, war eben andrer Art. Trotzdem unterlasse man nicht, es zu
studiren und aus ihm mutMs inrckgnäis zu lernen. Er legt dar, wie die
Verschwörung von 1844 bis 1847 entstehen konnte, und wie sie verlaufen ist;
er giebt ein anschauliches Bild der Revolution von 1348, der Ereignisse und
der maßgebenden Persönlichkeiten in Berlin, in der Provinz Posen und in
seinem eignen Machtbereiche; er zeigt, wie die Verwirrung durch Willisen ihren
Höhepunkt erreichte, und wie Pfuel die Entwirrung, mit fester Hand eingreifend,
herbeiführte, wie die erregten Geister allmählich wieder zur Vernunft kamen,
die Deutschen der Gefahr entgingen, den Polen auf dem Wege der „nationalen
Reorganisation des Großherzogtums Posen" preisgegeben zu werden, und wie
der Gedanke der Zerreißung der Provinz Posen durch eine Demarkationslinie
schließlich definitiv fallen gelassen wurde. Mit Friedrichs des Großen Worten
giebt er gelegentlich den durch seine eigne Erfahrung bewährten Grundsatz an,
wonach die Polen am besten zu behandeln sind: „Mau darf den Polen keine
Komplimente machen, das verdirbt sie nur." Man behandle sie streng, aber
gerecht und fördre das Deutschtum als das verläßliche Element. Davids
<z^ <L, moniti!




' Grenzboten III 1893l >
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228415"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus unsrer Ostmark</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_345" prev="#ID_344"> werden, und wird infolge davon die Ostmark für die Dauer dein Staate er¬<lb/>
halten bleiben? Wird die ehedem so schwerfällige Beamtenschaft in den ihrem<lb/>
Wirken heute eng gezognen Grenzen diese Maßnahmen auszuführen verstehen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_346"> Wer sich die auf die wirtschaftliche und geistige Hebung der Ostmark ge¬<lb/>
richteten Pläne und Anordnungen der Staatsbehörden seit etwa einem Jahre<lb/>
vergegenwärtigt, wer bedenkt, daß auch eine private Kampforganisation mit<lb/>
Erfolg wirkt, wird auch diese Frage mit mir zu bejahen den Mut haben. Nachdem<lb/>
der Weg gefunden und kühnen Schritts betreten worden ist, läßt sich erwarten,<lb/>
daß unsre Bureaukratie sich als geeignet für die Durchführung der Aufgabe<lb/>
in der Hand weitblickender Staatsmänner erweisen wird. Nach meiner un¬<lb/>
maßgeblichen Meinung wäre es für diesen Zweck indes förderlich, wenn der<lb/>
nicht ganz mangelnde Stamm der im Osten gebornen, mit Land und Leuten<lb/>
vertrauten, des Polnischen, was heute, nach fünfundzwanzig Jahren deutscher<lb/>
Volksschule, nur noch in beschränktem Maße nötig ist, nicht ganz unkundigen<lb/>
seßhaften Beamten deutscher Abstammung und Gesinnung allmählich verstärkt<lb/>
würde. Es ist vom Übel, daß die Beamten, namentlich die der Verwaltung,<lb/>
so häufig unvorbereitet für ihre Aufgabe von auswärts in die Ostmarken ge¬<lb/>
schickt werden und sie, ehe sie noch ihren Lehrkursus beendigt haben, wieder zu<lb/>
verlassen streben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_347"> All dergleichen Fragen und Gedanken kannte man 1848 noch nicht. Der<lb/>
Kampf, den unser Autor, um zum Schluß zu ihm zurückzukehren, in seinem<lb/>
Buche schildert, war eben andrer Art. Trotzdem unterlasse man nicht, es zu<lb/>
studiren und aus ihm mutMs inrckgnäis zu lernen. Er legt dar, wie die<lb/>
Verschwörung von 1844 bis 1847 entstehen konnte, und wie sie verlaufen ist;<lb/>
er giebt ein anschauliches Bild der Revolution von 1348, der Ereignisse und<lb/>
der maßgebenden Persönlichkeiten in Berlin, in der Provinz Posen und in<lb/>
seinem eignen Machtbereiche; er zeigt, wie die Verwirrung durch Willisen ihren<lb/>
Höhepunkt erreichte, und wie Pfuel die Entwirrung, mit fester Hand eingreifend,<lb/>
herbeiführte, wie die erregten Geister allmählich wieder zur Vernunft kamen,<lb/>
die Deutschen der Gefahr entgingen, den Polen auf dem Wege der &#x201E;nationalen<lb/>
Reorganisation des Großherzogtums Posen" preisgegeben zu werden, und wie<lb/>
der Gedanke der Zerreißung der Provinz Posen durch eine Demarkationslinie<lb/>
schließlich definitiv fallen gelassen wurde. Mit Friedrichs des Großen Worten<lb/>
giebt er gelegentlich den durch seine eigne Erfahrung bewährten Grundsatz an,<lb/>
wonach die Polen am besten zu behandeln sind: &#x201E;Mau darf den Polen keine<lb/>
Komplimente machen, das verdirbt sie nur." Man behandle sie streng, aber<lb/>
gerecht und fördre das Deutschtum als das verläßliche Element. Davids<lb/><note type="byline"> &lt;z^ &lt;L,</note> moniti! </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> '  Grenzboten III 1893l &gt;</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0113] Aus unsrer Ostmark werden, und wird infolge davon die Ostmark für die Dauer dein Staate er¬ halten bleiben? Wird die ehedem so schwerfällige Beamtenschaft in den ihrem Wirken heute eng gezognen Grenzen diese Maßnahmen auszuführen verstehen? Wer sich die auf die wirtschaftliche und geistige Hebung der Ostmark ge¬ richteten Pläne und Anordnungen der Staatsbehörden seit etwa einem Jahre vergegenwärtigt, wer bedenkt, daß auch eine private Kampforganisation mit Erfolg wirkt, wird auch diese Frage mit mir zu bejahen den Mut haben. Nachdem der Weg gefunden und kühnen Schritts betreten worden ist, läßt sich erwarten, daß unsre Bureaukratie sich als geeignet für die Durchführung der Aufgabe in der Hand weitblickender Staatsmänner erweisen wird. Nach meiner un¬ maßgeblichen Meinung wäre es für diesen Zweck indes förderlich, wenn der nicht ganz mangelnde Stamm der im Osten gebornen, mit Land und Leuten vertrauten, des Polnischen, was heute, nach fünfundzwanzig Jahren deutscher Volksschule, nur noch in beschränktem Maße nötig ist, nicht ganz unkundigen seßhaften Beamten deutscher Abstammung und Gesinnung allmählich verstärkt würde. Es ist vom Übel, daß die Beamten, namentlich die der Verwaltung, so häufig unvorbereitet für ihre Aufgabe von auswärts in die Ostmarken ge¬ schickt werden und sie, ehe sie noch ihren Lehrkursus beendigt haben, wieder zu verlassen streben. All dergleichen Fragen und Gedanken kannte man 1848 noch nicht. Der Kampf, den unser Autor, um zum Schluß zu ihm zurückzukehren, in seinem Buche schildert, war eben andrer Art. Trotzdem unterlasse man nicht, es zu studiren und aus ihm mutMs inrckgnäis zu lernen. Er legt dar, wie die Verschwörung von 1844 bis 1847 entstehen konnte, und wie sie verlaufen ist; er giebt ein anschauliches Bild der Revolution von 1348, der Ereignisse und der maßgebenden Persönlichkeiten in Berlin, in der Provinz Posen und in seinem eignen Machtbereiche; er zeigt, wie die Verwirrung durch Willisen ihren Höhepunkt erreichte, und wie Pfuel die Entwirrung, mit fester Hand eingreifend, herbeiführte, wie die erregten Geister allmählich wieder zur Vernunft kamen, die Deutschen der Gefahr entgingen, den Polen auf dem Wege der „nationalen Reorganisation des Großherzogtums Posen" preisgegeben zu werden, und wie der Gedanke der Zerreißung der Provinz Posen durch eine Demarkationslinie schließlich definitiv fallen gelassen wurde. Mit Friedrichs des Großen Worten giebt er gelegentlich den durch seine eigne Erfahrung bewährten Grundsatz an, wonach die Polen am besten zu behandeln sind: „Mau darf den Polen keine Komplimente machen, das verdirbt sie nur." Man behandle sie streng, aber gerecht und fördre das Deutschtum als das verläßliche Element. Davids <z^ <L, moniti! ' Grenzboten III 1893l >

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/113
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/113>, abgerufen am 28.07.2024.