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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Zum Kampf um ein Ehrengericht im ärztlichen Stande

Vertrauen gemindert und damit der Erfolg seines Wirkens beeinträchtigt.
Unsers Erachtens wird sich die Negierung nicht abhalten lassen dürfen, in
den Entwurf, der dem Landtage vorgelegt werden soll, die Bestimmungen
aufzunehmen, daß die Ehrengerichte auch über das Verhalten der Ärzte außer¬
halb des Berufs zu entscheiden haben. Sie möge diese Bestimmung scharf
abgrenzen, peinlichst sorgfältig fassen, daß sie nicht mißdeutet und mißbraucht
werden kann; aber darauf verzichten darf sie nicht." Sehr ehrenvoll diese
Ansicht der Deutschen Tageszeitung für den ärztlichen Stand! Da ist der
Stand der Lehrer, der Religionslehrer, der Richter gar nichts gegen den
Stand der Ärzte, wenigstens nichts, soweit es Strafbestimmungen angeht,
denn der nichtamtliche Arzt soll sogar über sein außeramtliches Verhalten
kvntrollirt werden. So ehrenvoll diese Ansichten für den ärztlichen Stand
aber auch sein mögen, ihnen zu folgen halten wir für höchst bedenklich, denn
was Standesehre und Berufspflichten sind, soll er von der Staatsregierung
erfahren, und Laien sollen das Recht haben, Anklagen zu erheben, wenn sie
glauben, daß ein Arzt seinen Beruf verletzt, oder durch sein Verhalten sich
des Vertrauens unwürdig zeigt, das der ärztliche Beruf erfordert! Die Ärzte,
die ihren Standesgenossen die Zumutung machen, sich derartigen ehrengericht¬
lichen Bestimmungen zu unterwerfen, laden sich in der That eine große Ver¬
antwortung auf, und jene Ärzte, die sich gegen solche Bestimmungen nicht mit
Entschiedenheit verwahren, zeigen wenig Interesse für das Wohlergehen ihres
Standes.

Soll damit aber vielleicht gesagt sein, daß der ärztliche Stand kein Ehren¬
gericht brauche, oder daß es unzweckmäßig sei, ehrengerichtliche Bestimmungen
bei ihm einzuführen? Keineswegs! Ehrengerichte können für den ärztlichen
Stand wohl etwas gutes schaffen, aber man muß wissen, was man damit er¬
reichen will, und muß genau zusehen, was man damit erreichen kann. Damit,
daß man sagt: Wer gegen die Pflichten des Vernfs (soll doch wohl Standes
heißen?) verstößt, hat ehrengerichtliche Bestrafung verwirkt, hat man zwar alles,
aber auch nichts gesagt. Der Begriff Berufspflicht ist ein durchaus unbe¬
stimmter, nnter den alles mögliche zusammengefaßt werden kann. Hofft man
so den Stand vielleicht von seinen unlautern Elementen zu reinigen, ihn zu
einem idealen zu machen, so wird dies ebenso vergeblich sein, wie es bei
andern Ständen mit und ohne ehrengerichtliche Satzungen ist. Sucht man
aber einen Schutz zu schaffen gegen verleumderische Beleidigungen, unehrenhafte
und schädigende Handlungen der Berufsgenossen selbst, dann ist die Aufstellung
von Satzungen sowohl für ein Ehrengericht, als auch für eine Standesordnung
leicht und wirksam zu gestalten, denn dann braucht man nur den 3 fol¬
gendermaßen zu fassen: Das gegenseitige Verhalten der Ärzte zu einander
unterliegt ehrengerichtlichen Bestimmungen, und den § 13: Ein Arzt, der
durch Wort oder That in nicht zu rechtfertigender Weise einen Berufsgenossen
kränkt oder schädigt, hat ehrengerichtliche Bestrafung verwirkt.


Zum Kampf um ein Ehrengericht im ärztlichen Stande

Vertrauen gemindert und damit der Erfolg seines Wirkens beeinträchtigt.
Unsers Erachtens wird sich die Negierung nicht abhalten lassen dürfen, in
den Entwurf, der dem Landtage vorgelegt werden soll, die Bestimmungen
aufzunehmen, daß die Ehrengerichte auch über das Verhalten der Ärzte außer¬
halb des Berufs zu entscheiden haben. Sie möge diese Bestimmung scharf
abgrenzen, peinlichst sorgfältig fassen, daß sie nicht mißdeutet und mißbraucht
werden kann; aber darauf verzichten darf sie nicht." Sehr ehrenvoll diese
Ansicht der Deutschen Tageszeitung für den ärztlichen Stand! Da ist der
Stand der Lehrer, der Religionslehrer, der Richter gar nichts gegen den
Stand der Ärzte, wenigstens nichts, soweit es Strafbestimmungen angeht,
denn der nichtamtliche Arzt soll sogar über sein außeramtliches Verhalten
kvntrollirt werden. So ehrenvoll diese Ansichten für den ärztlichen Stand
aber auch sein mögen, ihnen zu folgen halten wir für höchst bedenklich, denn
was Standesehre und Berufspflichten sind, soll er von der Staatsregierung
erfahren, und Laien sollen das Recht haben, Anklagen zu erheben, wenn sie
glauben, daß ein Arzt seinen Beruf verletzt, oder durch sein Verhalten sich
des Vertrauens unwürdig zeigt, das der ärztliche Beruf erfordert! Die Ärzte,
die ihren Standesgenossen die Zumutung machen, sich derartigen ehrengericht¬
lichen Bestimmungen zu unterwerfen, laden sich in der That eine große Ver¬
antwortung auf, und jene Ärzte, die sich gegen solche Bestimmungen nicht mit
Entschiedenheit verwahren, zeigen wenig Interesse für das Wohlergehen ihres
Standes.

Soll damit aber vielleicht gesagt sein, daß der ärztliche Stand kein Ehren¬
gericht brauche, oder daß es unzweckmäßig sei, ehrengerichtliche Bestimmungen
bei ihm einzuführen? Keineswegs! Ehrengerichte können für den ärztlichen
Stand wohl etwas gutes schaffen, aber man muß wissen, was man damit er¬
reichen will, und muß genau zusehen, was man damit erreichen kann. Damit,
daß man sagt: Wer gegen die Pflichten des Vernfs (soll doch wohl Standes
heißen?) verstößt, hat ehrengerichtliche Bestrafung verwirkt, hat man zwar alles,
aber auch nichts gesagt. Der Begriff Berufspflicht ist ein durchaus unbe¬
stimmter, nnter den alles mögliche zusammengefaßt werden kann. Hofft man
so den Stand vielleicht von seinen unlautern Elementen zu reinigen, ihn zu
einem idealen zu machen, so wird dies ebenso vergeblich sein, wie es bei
andern Ständen mit und ohne ehrengerichtliche Satzungen ist. Sucht man
aber einen Schutz zu schaffen gegen verleumderische Beleidigungen, unehrenhafte
und schädigende Handlungen der Berufsgenossen selbst, dann ist die Aufstellung
von Satzungen sowohl für ein Ehrengericht, als auch für eine Standesordnung
leicht und wirksam zu gestalten, denn dann braucht man nur den 3 fol¬
gendermaßen zu fassen: Das gegenseitige Verhalten der Ärzte zu einander
unterliegt ehrengerichtlichen Bestimmungen, und den § 13: Ein Arzt, der
durch Wort oder That in nicht zu rechtfertigender Weise einen Berufsgenossen
kränkt oder schädigt, hat ehrengerichtliche Bestrafung verwirkt.


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[0082] Zum Kampf um ein Ehrengericht im ärztlichen Stande Vertrauen gemindert und damit der Erfolg seines Wirkens beeinträchtigt. Unsers Erachtens wird sich die Negierung nicht abhalten lassen dürfen, in den Entwurf, der dem Landtage vorgelegt werden soll, die Bestimmungen aufzunehmen, daß die Ehrengerichte auch über das Verhalten der Ärzte außer¬ halb des Berufs zu entscheiden haben. Sie möge diese Bestimmung scharf abgrenzen, peinlichst sorgfältig fassen, daß sie nicht mißdeutet und mißbraucht werden kann; aber darauf verzichten darf sie nicht." Sehr ehrenvoll diese Ansicht der Deutschen Tageszeitung für den ärztlichen Stand! Da ist der Stand der Lehrer, der Religionslehrer, der Richter gar nichts gegen den Stand der Ärzte, wenigstens nichts, soweit es Strafbestimmungen angeht, denn der nichtamtliche Arzt soll sogar über sein außeramtliches Verhalten kvntrollirt werden. So ehrenvoll diese Ansichten für den ärztlichen Stand aber auch sein mögen, ihnen zu folgen halten wir für höchst bedenklich, denn was Standesehre und Berufspflichten sind, soll er von der Staatsregierung erfahren, und Laien sollen das Recht haben, Anklagen zu erheben, wenn sie glauben, daß ein Arzt seinen Beruf verletzt, oder durch sein Verhalten sich des Vertrauens unwürdig zeigt, das der ärztliche Beruf erfordert! Die Ärzte, die ihren Standesgenossen die Zumutung machen, sich derartigen ehrengericht¬ lichen Bestimmungen zu unterwerfen, laden sich in der That eine große Ver¬ antwortung auf, und jene Ärzte, die sich gegen solche Bestimmungen nicht mit Entschiedenheit verwahren, zeigen wenig Interesse für das Wohlergehen ihres Standes. Soll damit aber vielleicht gesagt sein, daß der ärztliche Stand kein Ehren¬ gericht brauche, oder daß es unzweckmäßig sei, ehrengerichtliche Bestimmungen bei ihm einzuführen? Keineswegs! Ehrengerichte können für den ärztlichen Stand wohl etwas gutes schaffen, aber man muß wissen, was man damit er¬ reichen will, und muß genau zusehen, was man damit erreichen kann. Damit, daß man sagt: Wer gegen die Pflichten des Vernfs (soll doch wohl Standes heißen?) verstößt, hat ehrengerichtliche Bestrafung verwirkt, hat man zwar alles, aber auch nichts gesagt. Der Begriff Berufspflicht ist ein durchaus unbe¬ stimmter, nnter den alles mögliche zusammengefaßt werden kann. Hofft man so den Stand vielleicht von seinen unlautern Elementen zu reinigen, ihn zu einem idealen zu machen, so wird dies ebenso vergeblich sein, wie es bei andern Ständen mit und ohne ehrengerichtliche Satzungen ist. Sucht man aber einen Schutz zu schaffen gegen verleumderische Beleidigungen, unehrenhafte und schädigende Handlungen der Berufsgenossen selbst, dann ist die Aufstellung von Satzungen sowohl für ein Ehrengericht, als auch für eine Standesordnung leicht und wirksam zu gestalten, denn dann braucht man nur den 3 fol¬ gendermaßen zu fassen: Das gegenseitige Verhalten der Ärzte zu einander unterliegt ehrengerichtlichen Bestimmungen, und den § 13: Ein Arzt, der durch Wort oder That in nicht zu rechtfertigender Weise einen Berufsgenossen kränkt oder schädigt, hat ehrengerichtliche Bestrafung verwirkt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/82>, abgerufen am 23.07.2024.