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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Friedrich der Große und England

daß man, wenn man nicht eine sehr große Unklugheit begehen will, nur dann
mit England in Verbindung treten kann, wenn man sich mindestens auf alle
Weise gegen die gleichen Unzutrüglichkeiten vorgesehen hat." Der König er¬
innert dann an die von den Engländern geforderte Abberufung Knyphauseus
und Michelis; er wolle einen Gesandten ernennen, aber nur, wenn England
einen solchen am gleichen Tage ernenne. Auf die Worte Conways anspielend
schließt der Brief: "Die Bande des Bluts und die protestantische Sache sind
ein schönes Feldgeschrei (as böemx oris as raIll"znrEnr), sie machen aber gar
keinen Eindruck, wenn man gesehen hat, daß einen die Bundesgenossen beim
Frieden feige (1S.oll6in.ent) im Stich gelassen haben, und wenn man gesehen
hat, daß einen die Minister dieses Hofes fremden Höfen gegenüber verraten
haben."

Die Antwort läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig; ob sie Prinz
Ferdinand auch nur einfach an Conway geschickt hat, weiß ich nicht. Jeden¬
falls hält sich Conwah in einem Schreiben an den Prinzen vom 7. Oktober
an das vom König gemachte Zugeständnis: den gegenseitigen Austausch der
Gesandten. In der Antwort an Prinz Ferdinand vom 29. Oktober setzt der
König den 1. Dezember für die Ernennung der Gesandten an. Noch einmal
aber lehnt er eine Allianz ab, er sehe dafür keinen zwingenden Grund. Er
führt dann, ähnlich wie in dem oben zitirten Erlaß an Solms, aus, daß
ihn und ganz Europa die Allianz nnr in gefährliche Verwicklungen führen
würde.

Die hier festgesetzte Ernennung der Gesandten ist dann mehrfach hinaus¬
geschoben worden, die beiderseitigen Gesandten sind erst im Juni 1766 in
Berlin und London eingetroffen, in Berlin der frühere Gesandte Mitchell, in
London der Graf Maltzan, ein schlesischer Magnat, der auch in Hannover Be¬
sitzungen hatte. Die Gründe, die den König von Preußen bei der Wahl
Maltzcms leiteten, sind für die Situation und ihre Auffassung durch Friedrich
bezeichnend: der Kabinetsrat Eichel schreibt darüber an Finckenstein, offenbar
nach des Königs eignen Ausdrücken, der König wolle nach London einen
Minister senden, "der zwar von MisLMos und Hrmlitv, jedoch so sei, daß
er eben kein sonderliches ?snellant habe, vor sich zu großen Negotiationen
Gelegenheit zu geben."

Ehe die Korrespondenz mit dem Prinzen Ferdinand von Vraunschweig
aber noch zu diesem Resultat, dem Austausch der Gesandten, gelangt war^
hatte die englische Regierung verschiedne andre Hebel in Bewegung gesetzt, um
König Friedrich in die Richtung auf eine Allianz mit England zu drängen.
Da erhielt der König zunächst einen Bericht seines Gesandten Thulemeier im
Haag, daß der dortige englische Gesandte, der General Jorke, sich im Sinne
eines englisch-preußischen Bündnisses ausgesprochen habe. Jorke war im
Jahre 1758 als Gesandter beim König im Feldlager in Schlesien, als man


Friedrich der Große und England

daß man, wenn man nicht eine sehr große Unklugheit begehen will, nur dann
mit England in Verbindung treten kann, wenn man sich mindestens auf alle
Weise gegen die gleichen Unzutrüglichkeiten vorgesehen hat." Der König er¬
innert dann an die von den Engländern geforderte Abberufung Knyphauseus
und Michelis; er wolle einen Gesandten ernennen, aber nur, wenn England
einen solchen am gleichen Tage ernenne. Auf die Worte Conways anspielend
schließt der Brief: „Die Bande des Bluts und die protestantische Sache sind
ein schönes Feldgeschrei (as böemx oris as raIll«znrEnr), sie machen aber gar
keinen Eindruck, wenn man gesehen hat, daß einen die Bundesgenossen beim
Frieden feige (1S.oll6in.ent) im Stich gelassen haben, und wenn man gesehen
hat, daß einen die Minister dieses Hofes fremden Höfen gegenüber verraten
haben."

Die Antwort läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig; ob sie Prinz
Ferdinand auch nur einfach an Conway geschickt hat, weiß ich nicht. Jeden¬
falls hält sich Conwah in einem Schreiben an den Prinzen vom 7. Oktober
an das vom König gemachte Zugeständnis: den gegenseitigen Austausch der
Gesandten. In der Antwort an Prinz Ferdinand vom 29. Oktober setzt der
König den 1. Dezember für die Ernennung der Gesandten an. Noch einmal
aber lehnt er eine Allianz ab, er sehe dafür keinen zwingenden Grund. Er
führt dann, ähnlich wie in dem oben zitirten Erlaß an Solms, aus, daß
ihn und ganz Europa die Allianz nnr in gefährliche Verwicklungen führen
würde.

Die hier festgesetzte Ernennung der Gesandten ist dann mehrfach hinaus¬
geschoben worden, die beiderseitigen Gesandten sind erst im Juni 1766 in
Berlin und London eingetroffen, in Berlin der frühere Gesandte Mitchell, in
London der Graf Maltzan, ein schlesischer Magnat, der auch in Hannover Be¬
sitzungen hatte. Die Gründe, die den König von Preußen bei der Wahl
Maltzcms leiteten, sind für die Situation und ihre Auffassung durch Friedrich
bezeichnend: der Kabinetsrat Eichel schreibt darüber an Finckenstein, offenbar
nach des Königs eignen Ausdrücken, der König wolle nach London einen
Minister senden, „der zwar von MisLMos und Hrmlitv, jedoch so sei, daß
er eben kein sonderliches ?snellant habe, vor sich zu großen Negotiationen
Gelegenheit zu geben."

Ehe die Korrespondenz mit dem Prinzen Ferdinand von Vraunschweig
aber noch zu diesem Resultat, dem Austausch der Gesandten, gelangt war^
hatte die englische Regierung verschiedne andre Hebel in Bewegung gesetzt, um
König Friedrich in die Richtung auf eine Allianz mit England zu drängen.
Da erhielt der König zunächst einen Bericht seines Gesandten Thulemeier im
Haag, daß der dortige englische Gesandte, der General Jorke, sich im Sinne
eines englisch-preußischen Bündnisses ausgesprochen habe. Jorke war im
Jahre 1758 als Gesandter beim König im Feldlager in Schlesien, als man


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[0064] Friedrich der Große und England daß man, wenn man nicht eine sehr große Unklugheit begehen will, nur dann mit England in Verbindung treten kann, wenn man sich mindestens auf alle Weise gegen die gleichen Unzutrüglichkeiten vorgesehen hat." Der König er¬ innert dann an die von den Engländern geforderte Abberufung Knyphauseus und Michelis; er wolle einen Gesandten ernennen, aber nur, wenn England einen solchen am gleichen Tage ernenne. Auf die Worte Conways anspielend schließt der Brief: „Die Bande des Bluts und die protestantische Sache sind ein schönes Feldgeschrei (as böemx oris as raIll«znrEnr), sie machen aber gar keinen Eindruck, wenn man gesehen hat, daß einen die Bundesgenossen beim Frieden feige (1S.oll6in.ent) im Stich gelassen haben, und wenn man gesehen hat, daß einen die Minister dieses Hofes fremden Höfen gegenüber verraten haben." Die Antwort läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig; ob sie Prinz Ferdinand auch nur einfach an Conway geschickt hat, weiß ich nicht. Jeden¬ falls hält sich Conwah in einem Schreiben an den Prinzen vom 7. Oktober an das vom König gemachte Zugeständnis: den gegenseitigen Austausch der Gesandten. In der Antwort an Prinz Ferdinand vom 29. Oktober setzt der König den 1. Dezember für die Ernennung der Gesandten an. Noch einmal aber lehnt er eine Allianz ab, er sehe dafür keinen zwingenden Grund. Er führt dann, ähnlich wie in dem oben zitirten Erlaß an Solms, aus, daß ihn und ganz Europa die Allianz nnr in gefährliche Verwicklungen führen würde. Die hier festgesetzte Ernennung der Gesandten ist dann mehrfach hinaus¬ geschoben worden, die beiderseitigen Gesandten sind erst im Juni 1766 in Berlin und London eingetroffen, in Berlin der frühere Gesandte Mitchell, in London der Graf Maltzan, ein schlesischer Magnat, der auch in Hannover Be¬ sitzungen hatte. Die Gründe, die den König von Preußen bei der Wahl Maltzcms leiteten, sind für die Situation und ihre Auffassung durch Friedrich bezeichnend: der Kabinetsrat Eichel schreibt darüber an Finckenstein, offenbar nach des Königs eignen Ausdrücken, der König wolle nach London einen Minister senden, „der zwar von MisLMos und Hrmlitv, jedoch so sei, daß er eben kein sonderliches ?snellant habe, vor sich zu großen Negotiationen Gelegenheit zu geben." Ehe die Korrespondenz mit dem Prinzen Ferdinand von Vraunschweig aber noch zu diesem Resultat, dem Austausch der Gesandten, gelangt war^ hatte die englische Regierung verschiedne andre Hebel in Bewegung gesetzt, um König Friedrich in die Richtung auf eine Allianz mit England zu drängen. Da erhielt der König zunächst einen Bericht seines Gesandten Thulemeier im Haag, daß der dortige englische Gesandte, der General Jorke, sich im Sinne eines englisch-preußischen Bündnisses ausgesprochen habe. Jorke war im Jahre 1758 als Gesandter beim König im Feldlager in Schlesien, als man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/64>, abgerufen am 23.07.2024.