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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Friedrich der Große und Lngland

Gegensatz zwischen Nußland und Frankreich zeigte sich damals überall, wo ihre
Interessen auf einander stießen, wie in Schweden, so in Dänemark und namentlich
auch in der Türkei. Im Laufe eines Jahrhunderts hat sich die Sachlage
umgekehrt. Frankreich und Rußland finden sich in der Gegnerschaft zu
England, und der Interessengegensatz zwischen Rußland und England beherrscht
hente die Welt.

Verhandlungen zwischen England und Nußland über ein Bündnis be¬
standen schon vor dem neuen englischen Ministerium, nur hatte man beschlossen,
sich zunächst über einen Handelsvertrag zu einigen, und gerade dies führte zu
allerlei Weitläufigkeiten. Die schwierigere Aufgabe, den König von Preußen
zu gewinnen, wurde von den englischen Ministern sofort in Angriff genommen.
Der englische Geschäftsträger in Berlin, Burnet, teilte am 22. Juli 1765
dem Minister Finckenstein einen Brief des bisherigen Gesandten Mitchell mit,
worin die Veränderung im englischen Ministerium besprochen wurde und hin¬
zugefügt war, die beiden Staatssekretäre, insbesondre der Herzog von Grafton,
hätten sich stets durch Anhänglichkeit an den König von Preußen hervorgethan,
er, Mitchell, zweifle nicht, daß sie die Dinge auf den Standpunkt bringen würden,
auf dem sie eigentlich sein müßten, und daß die frühern Beziehungen wieder¬
hergestellt werden würden. Wie sich König Friedrich zu verhalten gedachte, das
spricht er ein Paar Tage darauf in einem Erlaß an seinen Petersburger Gesandten
Solms aus, offenbar, um dem Gedanken Paulus an einen Dreibund gleich
vorzubeugen: die Engländer Hütten ihn am Ende des letzten Krieges auf un¬
würdige Weise sitzen lassen (inäiAU6in<zue> Mut"), und er würde sich nur in
große Gefahr begeben, wenn er sich mit ihnen verbände; ein furchtbarer Krieg
mit Österreich würde für ihn die Folge sein, und zwar um Portugals und
um Brasiliens willen, was ihn und seine Staaten ganz und gar nichts anginge.
Eins wolle er den Engländern zugestehen: Auswechslung von Gesandten; im
übrigen wolle er sich auf nichts einlassen. Von diesem Standpunkt ist Friedrich
denn auch nicht abgegangen, als die Engländer in der Folge deutlicher
wurden.

Die offiziellen Beziehungen zwischen England und Preußen waren in
jenem Augenblick auf das geringste Maß beschränkt; die Kühle, die zwischen
den beiden Staaten herrschte, kam dadurch ganz richtig zum Ausdruck. Während
der Zeit des Bündnisses, solange Pitt am Ruder war, hatte neben dem preu¬
ßischen bevollmächtigten Minister Michell (nicht zu verwechseln mit Mitchell)
der Baron Dodo Knyphausen als außerordentlicher Gesandter in London ge¬
wirkt. Das entsprach natürlich nicht mehr den thatsächlichen Verhältnissen,
als Bude einen andern Weg zu gehen begann. Dieser legte Friedrich die Ab¬
berufung Knyphansens nahe, Michell blieb allein zurück. Aber auch er wurde
den englischen Machthabern bald unbequem. Im Mai 1764 erhielt der eng¬
lische Gesandte in Berlin, Mitchell, ein warmer und ergebner Bewundrer


Friedrich der Große und Lngland

Gegensatz zwischen Nußland und Frankreich zeigte sich damals überall, wo ihre
Interessen auf einander stießen, wie in Schweden, so in Dänemark und namentlich
auch in der Türkei. Im Laufe eines Jahrhunderts hat sich die Sachlage
umgekehrt. Frankreich und Rußland finden sich in der Gegnerschaft zu
England, und der Interessengegensatz zwischen Rußland und England beherrscht
hente die Welt.

Verhandlungen zwischen England und Nußland über ein Bündnis be¬
standen schon vor dem neuen englischen Ministerium, nur hatte man beschlossen,
sich zunächst über einen Handelsvertrag zu einigen, und gerade dies führte zu
allerlei Weitläufigkeiten. Die schwierigere Aufgabe, den König von Preußen
zu gewinnen, wurde von den englischen Ministern sofort in Angriff genommen.
Der englische Geschäftsträger in Berlin, Burnet, teilte am 22. Juli 1765
dem Minister Finckenstein einen Brief des bisherigen Gesandten Mitchell mit,
worin die Veränderung im englischen Ministerium besprochen wurde und hin¬
zugefügt war, die beiden Staatssekretäre, insbesondre der Herzog von Grafton,
hätten sich stets durch Anhänglichkeit an den König von Preußen hervorgethan,
er, Mitchell, zweifle nicht, daß sie die Dinge auf den Standpunkt bringen würden,
auf dem sie eigentlich sein müßten, und daß die frühern Beziehungen wieder¬
hergestellt werden würden. Wie sich König Friedrich zu verhalten gedachte, das
spricht er ein Paar Tage darauf in einem Erlaß an seinen Petersburger Gesandten
Solms aus, offenbar, um dem Gedanken Paulus an einen Dreibund gleich
vorzubeugen: die Engländer Hütten ihn am Ende des letzten Krieges auf un¬
würdige Weise sitzen lassen (inäiAU6in<zue> Mut«), und er würde sich nur in
große Gefahr begeben, wenn er sich mit ihnen verbände; ein furchtbarer Krieg
mit Österreich würde für ihn die Folge sein, und zwar um Portugals und
um Brasiliens willen, was ihn und seine Staaten ganz und gar nichts anginge.
Eins wolle er den Engländern zugestehen: Auswechslung von Gesandten; im
übrigen wolle er sich auf nichts einlassen. Von diesem Standpunkt ist Friedrich
denn auch nicht abgegangen, als die Engländer in der Folge deutlicher
wurden.

Die offiziellen Beziehungen zwischen England und Preußen waren in
jenem Augenblick auf das geringste Maß beschränkt; die Kühle, die zwischen
den beiden Staaten herrschte, kam dadurch ganz richtig zum Ausdruck. Während
der Zeit des Bündnisses, solange Pitt am Ruder war, hatte neben dem preu¬
ßischen bevollmächtigten Minister Michell (nicht zu verwechseln mit Mitchell)
der Baron Dodo Knyphausen als außerordentlicher Gesandter in London ge¬
wirkt. Das entsprach natürlich nicht mehr den thatsächlichen Verhältnissen,
als Bude einen andern Weg zu gehen begann. Dieser legte Friedrich die Ab¬
berufung Knyphansens nahe, Michell blieb allein zurück. Aber auch er wurde
den englischen Machthabern bald unbequem. Im Mai 1764 erhielt der eng¬
lische Gesandte in Berlin, Mitchell, ein warmer und ergebner Bewundrer


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[0062] Friedrich der Große und Lngland Gegensatz zwischen Nußland und Frankreich zeigte sich damals überall, wo ihre Interessen auf einander stießen, wie in Schweden, so in Dänemark und namentlich auch in der Türkei. Im Laufe eines Jahrhunderts hat sich die Sachlage umgekehrt. Frankreich und Rußland finden sich in der Gegnerschaft zu England, und der Interessengegensatz zwischen Rußland und England beherrscht hente die Welt. Verhandlungen zwischen England und Nußland über ein Bündnis be¬ standen schon vor dem neuen englischen Ministerium, nur hatte man beschlossen, sich zunächst über einen Handelsvertrag zu einigen, und gerade dies führte zu allerlei Weitläufigkeiten. Die schwierigere Aufgabe, den König von Preußen zu gewinnen, wurde von den englischen Ministern sofort in Angriff genommen. Der englische Geschäftsträger in Berlin, Burnet, teilte am 22. Juli 1765 dem Minister Finckenstein einen Brief des bisherigen Gesandten Mitchell mit, worin die Veränderung im englischen Ministerium besprochen wurde und hin¬ zugefügt war, die beiden Staatssekretäre, insbesondre der Herzog von Grafton, hätten sich stets durch Anhänglichkeit an den König von Preußen hervorgethan, er, Mitchell, zweifle nicht, daß sie die Dinge auf den Standpunkt bringen würden, auf dem sie eigentlich sein müßten, und daß die frühern Beziehungen wieder¬ hergestellt werden würden. Wie sich König Friedrich zu verhalten gedachte, das spricht er ein Paar Tage darauf in einem Erlaß an seinen Petersburger Gesandten Solms aus, offenbar, um dem Gedanken Paulus an einen Dreibund gleich vorzubeugen: die Engländer Hütten ihn am Ende des letzten Krieges auf un¬ würdige Weise sitzen lassen (inäiAU6in<zue> Mut«), und er würde sich nur in große Gefahr begeben, wenn er sich mit ihnen verbände; ein furchtbarer Krieg mit Österreich würde für ihn die Folge sein, und zwar um Portugals und um Brasiliens willen, was ihn und seine Staaten ganz und gar nichts anginge. Eins wolle er den Engländern zugestehen: Auswechslung von Gesandten; im übrigen wolle er sich auf nichts einlassen. Von diesem Standpunkt ist Friedrich denn auch nicht abgegangen, als die Engländer in der Folge deutlicher wurden. Die offiziellen Beziehungen zwischen England und Preußen waren in jenem Augenblick auf das geringste Maß beschränkt; die Kühle, die zwischen den beiden Staaten herrschte, kam dadurch ganz richtig zum Ausdruck. Während der Zeit des Bündnisses, solange Pitt am Ruder war, hatte neben dem preu¬ ßischen bevollmächtigten Minister Michell (nicht zu verwechseln mit Mitchell) der Baron Dodo Knyphausen als außerordentlicher Gesandter in London ge¬ wirkt. Das entsprach natürlich nicht mehr den thatsächlichen Verhältnissen, als Bude einen andern Weg zu gehen begann. Dieser legte Friedrich die Ab¬ berufung Knyphansens nahe, Michell blieb allein zurück. Aber auch er wurde den englischen Machthabern bald unbequem. Im Mai 1764 erhielt der eng¬ lische Gesandte in Berlin, Mitchell, ein warmer und ergebner Bewundrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/62>, abgerufen am 23.07.2024.