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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Auf der Akademie

Auf diesen Anteil romanischen Blutes, sei es römischen oder französischen
Ursprungs, trifft der Deutsche aus Nord- und Ostdeutschland im ganzen Süden
wie auf etwas Fremdartiges. Man hat an der Spree gar keine Ahnung, wie
wenig oberflächlich die stille Abneigung gegen nordostdeutsches Wesen in Baden
und die laute Opposition dagegen im Elsaß ist. Es ist nicht das Widerstreben
gegen Maßregeln, sondern gegen einen fremden Geist. Die Gesetze, die man
hier neu eingeführt hat, muß mancher Besonnene für trefflich anerkennen, mit
dem Geist und den Sitten, die ins Land gezogen sind, setzt er sich viel weniger
leicht aus einander. So ist auch im Politischen der demokratische Zug, den
man besonders an den Zentrumsleuten der beiden oberrheinischen Länder tadelt,
durchaus nicht bloß eine Meinung, die diese irgendwo und von irgendwem
aufgenommen hätten. Nein, es ist ein angeborner Sinn für das Recht des
Einzelnen, der sich den rauhen Forderungen des Staats widersetzt. Deswegen
hat sich hier zu Land eine sreie Gesinnung unter den allerverschiedensten Ver¬
hältnissen wiedergeboren, erhalten und bewährt. Diesen Leuten liegt ein demo¬
kratischer Zug buchstäblich im Blute. Keine Zeitung und keine Partei braucht
ihn zu lehren. Sie zeigen ihn auf dem Rathaus, nicht bloß im Ständehaus; sie
bewähren ihn unter sich im täglichen Leben, nicht bloß vor der breiten
Öffentlichkeit. Diese Gesinnung ist in andrer Form der Geist der Eidgenossenschaft.

(Schluß folgt)




Auf der Akademie
Beate Borns-Jeep von(Fortsetzung"

tho schau, sagte Wilhelm, der Großvater hat zwei Söhne gehabt.
Der Älteste, das ist mein Vater. Der hätte den Hof haben sollen,
in Pullach draußen. Der Großvater mochte aber seinen zweiten
lieber, und weil mein Vater ein schwächliches Kind war, darum
hat ers zum Vvrwnnd genommen, daß er nach ihm den Hof nicht
haben könnte. Er wäre zu schwächlich, die schwere Bauernarbeit zu
thun. Er hat ihn dann in die Stadt gegeben nach Regensburg, in die Lehre zu
einen, Drucker. Mein Vater ist aber vorwärts gekommen. Er hat geheiratet, und
zuletzt hat er sich die Druckerei gekauft.

Mein Oheim draußen, dem Großvater sein zweiter Sohn, hat auch geheiratet
und hat sieben Jahre lang kein Kind gehabt. Da hat mein Vater ihnen gesagt,
das wäre die Strafe vom Himmel, daß der Großvater ihn mit sein Erbe gebracht
hätte. Weils aber dem Großvater gar so hart war, das Seine keinem Leibeserben
zu lassen, so sind sie trotz allem eins geworden, daß der Vater mich nach Pullach
thun, und ich dn in der Wirtschaft groß werden sollte, wenn ich auch nur zart
war wie mein Vater vordem. Ich war vier Jahr draußen, da kam der Oheim
zu Schaden und starb. Ihm nach aber ist von der Base, seiner Frau, sein einziges


Auf der Akademie

Auf diesen Anteil romanischen Blutes, sei es römischen oder französischen
Ursprungs, trifft der Deutsche aus Nord- und Ostdeutschland im ganzen Süden
wie auf etwas Fremdartiges. Man hat an der Spree gar keine Ahnung, wie
wenig oberflächlich die stille Abneigung gegen nordostdeutsches Wesen in Baden
und die laute Opposition dagegen im Elsaß ist. Es ist nicht das Widerstreben
gegen Maßregeln, sondern gegen einen fremden Geist. Die Gesetze, die man
hier neu eingeführt hat, muß mancher Besonnene für trefflich anerkennen, mit
dem Geist und den Sitten, die ins Land gezogen sind, setzt er sich viel weniger
leicht aus einander. So ist auch im Politischen der demokratische Zug, den
man besonders an den Zentrumsleuten der beiden oberrheinischen Länder tadelt,
durchaus nicht bloß eine Meinung, die diese irgendwo und von irgendwem
aufgenommen hätten. Nein, es ist ein angeborner Sinn für das Recht des
Einzelnen, der sich den rauhen Forderungen des Staats widersetzt. Deswegen
hat sich hier zu Land eine sreie Gesinnung unter den allerverschiedensten Ver¬
hältnissen wiedergeboren, erhalten und bewährt. Diesen Leuten liegt ein demo¬
kratischer Zug buchstäblich im Blute. Keine Zeitung und keine Partei braucht
ihn zu lehren. Sie zeigen ihn auf dem Rathaus, nicht bloß im Ständehaus; sie
bewähren ihn unter sich im täglichen Leben, nicht bloß vor der breiten
Öffentlichkeit. Diese Gesinnung ist in andrer Form der Geist der Eidgenossenschaft.

(Schluß folgt)




Auf der Akademie
Beate Borns-Jeep von(Fortsetzung»

tho schau, sagte Wilhelm, der Großvater hat zwei Söhne gehabt.
Der Älteste, das ist mein Vater. Der hätte den Hof haben sollen,
in Pullach draußen. Der Großvater mochte aber seinen zweiten
lieber, und weil mein Vater ein schwächliches Kind war, darum
hat ers zum Vvrwnnd genommen, daß er nach ihm den Hof nicht
haben könnte. Er wäre zu schwächlich, die schwere Bauernarbeit zu
thun. Er hat ihn dann in die Stadt gegeben nach Regensburg, in die Lehre zu
einen, Drucker. Mein Vater ist aber vorwärts gekommen. Er hat geheiratet, und
zuletzt hat er sich die Druckerei gekauft.

Mein Oheim draußen, dem Großvater sein zweiter Sohn, hat auch geheiratet
und hat sieben Jahre lang kein Kind gehabt. Da hat mein Vater ihnen gesagt,
das wäre die Strafe vom Himmel, daß der Großvater ihn mit sein Erbe gebracht
hätte. Weils aber dem Großvater gar so hart war, das Seine keinem Leibeserben
zu lassen, so sind sie trotz allem eins geworden, daß der Vater mich nach Pullach
thun, und ich dn in der Wirtschaft groß werden sollte, wenn ich auch nur zart
war wie mein Vater vordem. Ich war vier Jahr draußen, da kam der Oheim
zu Schaden und starb. Ihm nach aber ist von der Base, seiner Frau, sein einziges


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[0599] Auf der Akademie Auf diesen Anteil romanischen Blutes, sei es römischen oder französischen Ursprungs, trifft der Deutsche aus Nord- und Ostdeutschland im ganzen Süden wie auf etwas Fremdartiges. Man hat an der Spree gar keine Ahnung, wie wenig oberflächlich die stille Abneigung gegen nordostdeutsches Wesen in Baden und die laute Opposition dagegen im Elsaß ist. Es ist nicht das Widerstreben gegen Maßregeln, sondern gegen einen fremden Geist. Die Gesetze, die man hier neu eingeführt hat, muß mancher Besonnene für trefflich anerkennen, mit dem Geist und den Sitten, die ins Land gezogen sind, setzt er sich viel weniger leicht aus einander. So ist auch im Politischen der demokratische Zug, den man besonders an den Zentrumsleuten der beiden oberrheinischen Länder tadelt, durchaus nicht bloß eine Meinung, die diese irgendwo und von irgendwem aufgenommen hätten. Nein, es ist ein angeborner Sinn für das Recht des Einzelnen, der sich den rauhen Forderungen des Staats widersetzt. Deswegen hat sich hier zu Land eine sreie Gesinnung unter den allerverschiedensten Ver¬ hältnissen wiedergeboren, erhalten und bewährt. Diesen Leuten liegt ein demo¬ kratischer Zug buchstäblich im Blute. Keine Zeitung und keine Partei braucht ihn zu lehren. Sie zeigen ihn auf dem Rathaus, nicht bloß im Ständehaus; sie bewähren ihn unter sich im täglichen Leben, nicht bloß vor der breiten Öffentlichkeit. Diese Gesinnung ist in andrer Form der Geist der Eidgenossenschaft. (Schluß folgt) Auf der Akademie Beate Borns-Jeep von(Fortsetzung» tho schau, sagte Wilhelm, der Großvater hat zwei Söhne gehabt. Der Älteste, das ist mein Vater. Der hätte den Hof haben sollen, in Pullach draußen. Der Großvater mochte aber seinen zweiten lieber, und weil mein Vater ein schwächliches Kind war, darum hat ers zum Vvrwnnd genommen, daß er nach ihm den Hof nicht haben könnte. Er wäre zu schwächlich, die schwere Bauernarbeit zu thun. Er hat ihn dann in die Stadt gegeben nach Regensburg, in die Lehre zu einen, Drucker. Mein Vater ist aber vorwärts gekommen. Er hat geheiratet, und zuletzt hat er sich die Druckerei gekauft. Mein Oheim draußen, dem Großvater sein zweiter Sohn, hat auch geheiratet und hat sieben Jahre lang kein Kind gehabt. Da hat mein Vater ihnen gesagt, das wäre die Strafe vom Himmel, daß der Großvater ihn mit sein Erbe gebracht hätte. Weils aber dem Großvater gar so hart war, das Seine keinem Leibeserben zu lassen, so sind sie trotz allem eins geworden, daß der Vater mich nach Pullach thun, und ich dn in der Wirtschaft groß werden sollte, wenn ich auch nur zart war wie mein Vater vordem. Ich war vier Jahr draußen, da kam der Oheim zu Schaden und starb. Ihm nach aber ist von der Base, seiner Frau, sein einziges

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/599>, abgerufen am 27.12.2024.