Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die (Offiziere des Beurlaubtenstandes

wissen Selbstverleugnung die Unbequemlichkeiten geschickt zu überwinden. Die
gewohnte akademische Ungebundenheit haftet ihnen oft sehr an, daher können
sie sich nur schwer unter dem Druck der militärischen Zucht zurecht finden.
Hat der Betreffende dann noch eine flotte Studienzeit verlebt und dabei dem
sich noch entwickelnden Körper zu viel zugemutet, so sehlt gewöhnlich die not¬
wendige Widerstandsfähigkeit gegen alle Strapazen. Ein dritter Teil der Ein¬
jährig-Freiwilligen endlich, der aus dem Handelsstand, der Industrie, der
Landwirtschaft usw. hervorgeht, erfüllt manche Vorbedingungen am besten, da
er ohne jede Nebenabsicht dient, also ganz bei der Sache sein kann. Hier
sehlt aber sehr häusig der Ehrgeiz, auf der militärischen Stufenleiter weiter
zu steigen, und das Streben wird oft erkennbar, fo rasch wie möglich die
militärische Pflicht los zu sein; jede spätere Dienstleistung wird oft wie eine
schwere Last empfunden. In gewisser Beziehung hat dies auch seine Be¬
rechtigung, denn der Kampf ums Dasein erfordert heutzutage gerade auf diesen
Gebieten die Kraft und Intelligenz eines ganzen Mannes, auch sind die Opfer
an Zeit und Geld bei Übungen manchmal unersetzlich. Umso mehr ist es an¬
zuerkennen, wenn diese Opfer gebracht werden.

Ich halte also dafür und möchte dies Eltern und Vormündern dringend
ans Herz legen, daß in erster Linie der junge Mann gleich nach bestandner
Abiturientenprüfung dient, und zwar in keiner Stadt mit Hochschule. Die
hieraus entspringenden Vorteile sind nicht zu unterschätzen. Einmal tritt er aus
der Luft der Schulstube in eine frische und gesunde Thätigkeit, die dem jungen
Körper nur förderlich sein kann. Dann erfreut er sich eines freiern Lebens,
aber in einem Maße, das Ausschreitungen verbietet. Endlich entwickelt sich
der Körper unter dem Gleichmaß von Ruhe und Arbeit derart, daß am Ende
des Jahres ein fertiger Mann vor uns steht, ausgestattet mit einem gefestigten
Charakter. Einen solchen Sohn kann ein Vater zum weitern Studium dann
ruhig sich selbst überlassen.

Zu einer sachgemäßer,? Aus- und Fortbildung der Offizieraspiranten
und der Offiziere des Beurlaubtenstands sind schon viele Vorschläge gemacht
und alle möglichen Rezepte gegeben worden; sie treffen insofern nicht das
Richtige, als sie alles von dem Lehrer fordern. Man muß aber auch Gegen¬
leistung erwarten dürfen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der deutsche
Berufsoffizier heutzutage alles daransetzt, tüchtige und brauchbare Reserve- und
Landwehroffiziere heranzubilden; der Einjährig-Freiwillige muß diesem Bestreben
aber auch durch Eifer und Fleiß entgegenkommen. Wenn es hier fehlt, so
helfen die besten Verordnungen nichts. Die Vorschriften, wie Exerzirreglement,
Felddienstordnung und Schießvorschrift müssen gründlich durchgearbeitet werden
und während des praktischen Dienstes in Fleisch und Vink übergehen. Gerade
die beiden erstern eignen sich in ihrer klassischen Ausdrucksweise besonders zum
tiefern Studium und zur festen Einprnguug. Die Passion muß bei der Sache


Die (Offiziere des Beurlaubtenstandes

wissen Selbstverleugnung die Unbequemlichkeiten geschickt zu überwinden. Die
gewohnte akademische Ungebundenheit haftet ihnen oft sehr an, daher können
sie sich nur schwer unter dem Druck der militärischen Zucht zurecht finden.
Hat der Betreffende dann noch eine flotte Studienzeit verlebt und dabei dem
sich noch entwickelnden Körper zu viel zugemutet, so sehlt gewöhnlich die not¬
wendige Widerstandsfähigkeit gegen alle Strapazen. Ein dritter Teil der Ein¬
jährig-Freiwilligen endlich, der aus dem Handelsstand, der Industrie, der
Landwirtschaft usw. hervorgeht, erfüllt manche Vorbedingungen am besten, da
er ohne jede Nebenabsicht dient, also ganz bei der Sache sein kann. Hier
sehlt aber sehr häusig der Ehrgeiz, auf der militärischen Stufenleiter weiter
zu steigen, und das Streben wird oft erkennbar, fo rasch wie möglich die
militärische Pflicht los zu sein; jede spätere Dienstleistung wird oft wie eine
schwere Last empfunden. In gewisser Beziehung hat dies auch seine Be¬
rechtigung, denn der Kampf ums Dasein erfordert heutzutage gerade auf diesen
Gebieten die Kraft und Intelligenz eines ganzen Mannes, auch sind die Opfer
an Zeit und Geld bei Übungen manchmal unersetzlich. Umso mehr ist es an¬
zuerkennen, wenn diese Opfer gebracht werden.

Ich halte also dafür und möchte dies Eltern und Vormündern dringend
ans Herz legen, daß in erster Linie der junge Mann gleich nach bestandner
Abiturientenprüfung dient, und zwar in keiner Stadt mit Hochschule. Die
hieraus entspringenden Vorteile sind nicht zu unterschätzen. Einmal tritt er aus
der Luft der Schulstube in eine frische und gesunde Thätigkeit, die dem jungen
Körper nur förderlich sein kann. Dann erfreut er sich eines freiern Lebens,
aber in einem Maße, das Ausschreitungen verbietet. Endlich entwickelt sich
der Körper unter dem Gleichmaß von Ruhe und Arbeit derart, daß am Ende
des Jahres ein fertiger Mann vor uns steht, ausgestattet mit einem gefestigten
Charakter. Einen solchen Sohn kann ein Vater zum weitern Studium dann
ruhig sich selbst überlassen.

Zu einer sachgemäßer,? Aus- und Fortbildung der Offizieraspiranten
und der Offiziere des Beurlaubtenstands sind schon viele Vorschläge gemacht
und alle möglichen Rezepte gegeben worden; sie treffen insofern nicht das
Richtige, als sie alles von dem Lehrer fordern. Man muß aber auch Gegen¬
leistung erwarten dürfen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der deutsche
Berufsoffizier heutzutage alles daransetzt, tüchtige und brauchbare Reserve- und
Landwehroffiziere heranzubilden; der Einjährig-Freiwillige muß diesem Bestreben
aber auch durch Eifer und Fleiß entgegenkommen. Wenn es hier fehlt, so
helfen die besten Verordnungen nichts. Die Vorschriften, wie Exerzirreglement,
Felddienstordnung und Schießvorschrift müssen gründlich durchgearbeitet werden
und während des praktischen Dienstes in Fleisch und Vink übergehen. Gerade
die beiden erstern eignen sich in ihrer klassischen Ausdrucksweise besonders zum
tiefern Studium und zur festen Einprnguug. Die Passion muß bei der Sache


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0575" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228211"/>
          <fw type="header" place="top"> Die (Offiziere des Beurlaubtenstandes</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1616" prev="#ID_1615"> wissen Selbstverleugnung die Unbequemlichkeiten geschickt zu überwinden. Die<lb/>
gewohnte akademische Ungebundenheit haftet ihnen oft sehr an, daher können<lb/>
sie sich nur schwer unter dem Druck der militärischen Zucht zurecht finden.<lb/>
Hat der Betreffende dann noch eine flotte Studienzeit verlebt und dabei dem<lb/>
sich noch entwickelnden Körper zu viel zugemutet, so sehlt gewöhnlich die not¬<lb/>
wendige Widerstandsfähigkeit gegen alle Strapazen. Ein dritter Teil der Ein¬<lb/>
jährig-Freiwilligen endlich, der aus dem Handelsstand, der Industrie, der<lb/>
Landwirtschaft usw. hervorgeht, erfüllt manche Vorbedingungen am besten, da<lb/>
er ohne jede Nebenabsicht dient, also ganz bei der Sache sein kann. Hier<lb/>
sehlt aber sehr häusig der Ehrgeiz, auf der militärischen Stufenleiter weiter<lb/>
zu steigen, und das Streben wird oft erkennbar, fo rasch wie möglich die<lb/>
militärische Pflicht los zu sein; jede spätere Dienstleistung wird oft wie eine<lb/>
schwere Last empfunden. In gewisser Beziehung hat dies auch seine Be¬<lb/>
rechtigung, denn der Kampf ums Dasein erfordert heutzutage gerade auf diesen<lb/>
Gebieten die Kraft und Intelligenz eines ganzen Mannes, auch sind die Opfer<lb/>
an Zeit und Geld bei Übungen manchmal unersetzlich. Umso mehr ist es an¬<lb/>
zuerkennen, wenn diese Opfer gebracht werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1617"> Ich halte also dafür und möchte dies Eltern und Vormündern dringend<lb/>
ans Herz legen, daß in erster Linie der junge Mann gleich nach bestandner<lb/>
Abiturientenprüfung dient, und zwar in keiner Stadt mit Hochschule. Die<lb/>
hieraus entspringenden Vorteile sind nicht zu unterschätzen. Einmal tritt er aus<lb/>
der Luft der Schulstube in eine frische und gesunde Thätigkeit, die dem jungen<lb/>
Körper nur förderlich sein kann. Dann erfreut er sich eines freiern Lebens,<lb/>
aber in einem Maße, das Ausschreitungen verbietet. Endlich entwickelt sich<lb/>
der Körper unter dem Gleichmaß von Ruhe und Arbeit derart, daß am Ende<lb/>
des Jahres ein fertiger Mann vor uns steht, ausgestattet mit einem gefestigten<lb/>
Charakter. Einen solchen Sohn kann ein Vater zum weitern Studium dann<lb/>
ruhig sich selbst überlassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1618" next="#ID_1619"> Zu einer sachgemäßer,? Aus- und Fortbildung der Offizieraspiranten<lb/>
und der Offiziere des Beurlaubtenstands sind schon viele Vorschläge gemacht<lb/>
und alle möglichen Rezepte gegeben worden; sie treffen insofern nicht das<lb/>
Richtige, als sie alles von dem Lehrer fordern. Man muß aber auch Gegen¬<lb/>
leistung erwarten dürfen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der deutsche<lb/>
Berufsoffizier heutzutage alles daransetzt, tüchtige und brauchbare Reserve- und<lb/>
Landwehroffiziere heranzubilden; der Einjährig-Freiwillige muß diesem Bestreben<lb/>
aber auch durch Eifer und Fleiß entgegenkommen. Wenn es hier fehlt, so<lb/>
helfen die besten Verordnungen nichts. Die Vorschriften, wie Exerzirreglement,<lb/>
Felddienstordnung und Schießvorschrift müssen gründlich durchgearbeitet werden<lb/>
und während des praktischen Dienstes in Fleisch und Vink übergehen. Gerade<lb/>
die beiden erstern eignen sich in ihrer klassischen Ausdrucksweise besonders zum<lb/>
tiefern Studium und zur festen Einprnguug. Die Passion muß bei der Sache</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0575] Die (Offiziere des Beurlaubtenstandes wissen Selbstverleugnung die Unbequemlichkeiten geschickt zu überwinden. Die gewohnte akademische Ungebundenheit haftet ihnen oft sehr an, daher können sie sich nur schwer unter dem Druck der militärischen Zucht zurecht finden. Hat der Betreffende dann noch eine flotte Studienzeit verlebt und dabei dem sich noch entwickelnden Körper zu viel zugemutet, so sehlt gewöhnlich die not¬ wendige Widerstandsfähigkeit gegen alle Strapazen. Ein dritter Teil der Ein¬ jährig-Freiwilligen endlich, der aus dem Handelsstand, der Industrie, der Landwirtschaft usw. hervorgeht, erfüllt manche Vorbedingungen am besten, da er ohne jede Nebenabsicht dient, also ganz bei der Sache sein kann. Hier sehlt aber sehr häusig der Ehrgeiz, auf der militärischen Stufenleiter weiter zu steigen, und das Streben wird oft erkennbar, fo rasch wie möglich die militärische Pflicht los zu sein; jede spätere Dienstleistung wird oft wie eine schwere Last empfunden. In gewisser Beziehung hat dies auch seine Be¬ rechtigung, denn der Kampf ums Dasein erfordert heutzutage gerade auf diesen Gebieten die Kraft und Intelligenz eines ganzen Mannes, auch sind die Opfer an Zeit und Geld bei Übungen manchmal unersetzlich. Umso mehr ist es an¬ zuerkennen, wenn diese Opfer gebracht werden. Ich halte also dafür und möchte dies Eltern und Vormündern dringend ans Herz legen, daß in erster Linie der junge Mann gleich nach bestandner Abiturientenprüfung dient, und zwar in keiner Stadt mit Hochschule. Die hieraus entspringenden Vorteile sind nicht zu unterschätzen. Einmal tritt er aus der Luft der Schulstube in eine frische und gesunde Thätigkeit, die dem jungen Körper nur förderlich sein kann. Dann erfreut er sich eines freiern Lebens, aber in einem Maße, das Ausschreitungen verbietet. Endlich entwickelt sich der Körper unter dem Gleichmaß von Ruhe und Arbeit derart, daß am Ende des Jahres ein fertiger Mann vor uns steht, ausgestattet mit einem gefestigten Charakter. Einen solchen Sohn kann ein Vater zum weitern Studium dann ruhig sich selbst überlassen. Zu einer sachgemäßer,? Aus- und Fortbildung der Offizieraspiranten und der Offiziere des Beurlaubtenstands sind schon viele Vorschläge gemacht und alle möglichen Rezepte gegeben worden; sie treffen insofern nicht das Richtige, als sie alles von dem Lehrer fordern. Man muß aber auch Gegen¬ leistung erwarten dürfen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der deutsche Berufsoffizier heutzutage alles daransetzt, tüchtige und brauchbare Reserve- und Landwehroffiziere heranzubilden; der Einjährig-Freiwillige muß diesem Bestreben aber auch durch Eifer und Fleiß entgegenkommen. Wenn es hier fehlt, so helfen die besten Verordnungen nichts. Die Vorschriften, wie Exerzirreglement, Felddienstordnung und Schießvorschrift müssen gründlich durchgearbeitet werden und während des praktischen Dienstes in Fleisch und Vink übergehen. Gerade die beiden erstern eignen sich in ihrer klassischen Ausdrucksweise besonders zum tiefern Studium und zur festen Einprnguug. Die Passion muß bei der Sache

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/575
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/575>, abgerufen am 23.07.2024.